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In ihrem Spielfilmdebüt „Music“ verhebt sich die australische Popsängerin Sia an einer ungelenken Geschichte über eine frühere Drogenabhängige, die sich unversehens um ihre autistische Halbschwester kümmern muss. 

Music (2021)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Autismus-Kitsch mit Pop-Allüren

Auch wenn „Music“ als das Spielfilmdebüt der australischen Sängerin und Songschreiberin Sia (bürgerlich: Sia Kate Isobelle Furler) geführt wird — ganz neu ist sie definitiv nicht im Filmgeschäft, da sie ihr Talent für ausgefallene und knallbunte Bildkompositionen bereits bei einigen Musikvideos unter Beweis stellte. Für ihr Debüt hatte sie sich einiges vorgenommen. Dass der Film nun nicht im Kino, sondern nur digital sowie auf DVD und Blu-ray erscheint, hat nicht nur mit der Pandemie zu tun, sondern auch mit Kontroversen, die den Film von Anfang an begleiteten — und letztlich auch mit dem Film selbst, der überwiegend negative bis verheerende Kritiken auf sich zog.

Der Film erzählt die Geschichte der Autistin Music (Maddie Ziegler), die bei ihrer Großmutter Millie (Mary Kay Place) lebt und deren Neurodiversität es nötig macht, dass sie einen streng geregelten Tagesablauf einhält, weil die kleinste Abweichung vom Gewohnten ihre Welt zusammenbrechen lässt. Um Music herum gibt es neben der Großmutter noch ein ganzes Netzwerk von Nachbarn und Bekannten, die allesamt dabei mithelfen, dass Music ihr Leben bewältigen kann, vom gutmütigen Vermieter bis hin zum Nachbarsjungen Felix, der immer ein Stück Wassermelone für das Mädchen bereithält.

Als Millie unvermittelt stirbt, geschieht genau das, was Musics Halbschwester Kazu, genannt Zu (Kate Hudson) auf den Plan ruft, die gerade auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde und die nun versucht, von Alkohol und Drogen wegzukommen. Natürlich ist Zu erstmal völlig überfordert mit der Aufgabe, weil sie nicht um all die Rituale und Gewohnheiten weiß, die Music braucht, um sich geborgen und sicher zu fühlen. Doch mit der Zeit kommt es zu einer Annäherung, und Zu lernt die Welt von Music (die natürlich zu einem großen Teil aus Musik besteht) immer besser kennen, was auch an dem Nachbarn Ebo (Leslie Odom Jr.) liegt, mit dem sich eine zarte Liebesgeschichte entwickelt. 

Eines der vielen Probleme, unter dem Sias Film leidet, ist, dass immer wieder der Fokus wechselt und bis zum Schluss völlig unklar ist, wessen Geschichte hier eigentlich erzählt wird: Ist es die von Music, wie der Titel behauptet, oder doch nicht viel eher die von Zu? Immer wieder drängt sich der Verdacht auf, dass Musics Neurodiversität nicht wirklich von genuinem Interesse ist, sondern vor allem dazu dient, Zus Entwicklung von der verantwortungslosen jungen Frau zu einer Art fürsorglicher Mutterfigur voranzutreiben. 

Am Ende gar droht der Film Music völlig aus den Augen zu verlieren, mehr und mehr wendet sich die Geschichte von ihr ab, sodass sie am Ende fast wie ein Anhängsel an Zu und Ebo wirkt, das allein dazu dient, die sich entwickelnde Liebesgeschichte weiterzutreiben. Das hinterlässt wie vieles andere einen eher schalen Nachgeschmack und verstärkt den Eindruck, dass sich Sia und ihr Team an diesem Thema gewaltig verhoben haben. Auch Maddie Zieglers bereits im Vorfeld stark kritisierte Besetzung als Autistin ist angesichts dessen, wie die Schauspielerin (und Patentochter Sias) stark grimassierend ihre Rolle bewältigt, mindestens unglücklich. 

Noch mit am interessantesten sind die eingeschobenen Songs und Tanznummern, die kaum etwas mit dem Film oder dessen Handlung zu tun haben, sondern die einzig dazu dienen, Musics ganz eigene Gedankenwelt zu illustrieren, die sich vornehmlich als knallbuntes Kitsch-Bällebad zeigt. So geschickt dieser Kunstgriff sich anfangs auch ausnimmt, erweisen sich diese Einlagen an manchen Stellen als entsetzlich fehl am Platz und verstärken den Eindruck, dass der Film gleich an mehreren Stellen in seine Bestandteile zerfällt, ohne sich jemals zu einem gelungenen Ganzen zusammenzufügen.

Fans von Sia mögen der Sängerin diese Fehler verzeihen, sie bekommen neben einem Cameo-Auftritt der Musikerin mehr oder weniger gelungene Musikvideoclips, die von der Handlung lose zusammengehalten werden. Ein Publikum hingegen, das den Film ohne Fanbrille sieht, dürfte wenig Freude an dieser leider recht seicht geratenen Mixtur aus Sozialdrama, Liebesfilm und Musical haben.

Music (2021)

„Music“ erzählt die Geschichten  von Zu, die gerade erst ihre Suchterkrankung überwunden hat und die als das schwarze Schaf innerhalb der Familie gilt. Plötzlich und unvermutet muss ausgerechnet sie sich als alleinige Erziehungsberechtigte um ihre autistische Halbschwester kümmern.

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Meinungen

Norbert Faber · 25.05.2022

Der Film ist schauspielerisch und künstlerisch sehr gut gelungen. Die negative Kritik ist völlig unberechtigt. Ich finde es schade, dass die Kritiker in ihrer Gefühlswelt schon so abgestumpft sind, dass sie nicht den wahren Wert des Films erkennen. Was wurde denn erwartet, ein Blockbuster mit Ohrwürmern in Folge? Und sorry, eine Produzentin sollte sich schon aussuchen dürfen, wen sie in ihrem Film spielen lässt. Allein das zu kritisieren ist total daneben.

Petereit Gesine · 08.08.2021

Music ist seit langer Zeit der tiefsinnigste und berührendste Film den ich gesehen habe. Eine wundervolle Message mit einer perfekt gelungenen Besetzung. Gerade in dieser Zeit wird das wesentliche zwischen den Menschen einfühlsam beleuchtet.

Norbert Faber · 25.05.2022

Das habe ich ebenfalls so empfunden. Das ist ein guter Film mit schauspielerischen und künstlerischen Werten. Ich denke, dass die negative Kritik von einigen Leuten spontan rausgehauen wurde, ohne den eigentlichen Wert des Films erkannt zu haben. Die unsinnigen Äußerungen und Vorwürfe sprechen für eine völlige Fehlinterpretation des Films.