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In der Fortsetzung des Horrorfilm-Meisterwerks von William Friedkin nistet sich eine dämonische Kraft gleich in zwei Mädchen ein. Macht den Film leider auch nicht besser. Ganz im Gegenteil.

Der Exorzist: Bekenntnis (2023)

Eine Filmkritik von Sebastian Seidler

Höllisch leerer Budenzauber

Eines muss man ihm ja lassen: Mut hat er. Nach seiner schaurig-schlechten „Halloween„-Trilogie greift David Gordon Green nach dem nächsten Meisterwerk des Horrorfilms, um – Überraschung – eine Trilogie auf dem Rücken der Nostalgie aus dem seelenlosen Boden zu stampfen. Ließ sich die Rückkehr des Maskenmannes Michael Myers noch irgendwie aus der Ursprungsgeschichte herleitet, so wirkt der Brückenschlag zwischen William Friedkins Vergangenheit und unserer Gegenwart wie der billige Versuch einer Rechtfertigung: Nein, es braucht keinen weiteren Exorzismus-Horror und vor allem keine Fortsetzung von „Der Exorzist“.

Dabei beginnt Der Exorzist: Bekenntnis sogar noch ganz annehmbar. Nach dem tragischen Tod seiner Frau muss Victor Fieldings (Leslie Odom Jr.) seine Tochter Angela (Lidya Jewett) alleine großziehen. Die Zwölfjährige und ihr Vater kommen großartig miteinander aus, gehen liebevoll miteinander um. Die Vergangenheit jedoch scheint bis heute nicht wirklich aufgearbeitet zu sein. Angela hat sich einen Schal aus dem Keller geholt, der einst der Mutter gehörte. Victor ist damit allerdings ganz und gar nicht einverstanden und nimmt ihr das Erinnerungsstück vor der Schule ab.
 
Gemeinsam mit ihrer Freundin Katherine (Olivia Marcum) wollte das Mädchen den Schal für ein Ritual, eine Art Geisterbeschwörung im Wald benutzen, um mit der Mutter Kontakt aufzunehmen. Nun muss ein Foto der Verstorbenen genügen. Doch dabei geht irgendetwas schief: Die Mädchen verschwinden im Wald und bleiben für drei lange Tage unauffindbar. Ohne Gedächtnis und mit nackten, schwer verletzten Füßen findet man Katherine und Angela schließlich in einer Scheune.
 
Alle glauben zunächst an ein schweres Trauma infolge eines Gewaltverbrechens. Als das Verhalten der Schülerinnen immer rätselhafter und unheimlicher wird, beginnen die Ersten, die Präsenz einer dämonischen Kraft zu spüren. Victor stößt auf der Suche nach Antworten auf Chris MacNeil (Ellen Burstyn), die 50 Jahre zuvor (nämlich im Originalfilm) mit dem Dämon zu tun hatte, als sie um das Leben ihrer Tochter Regan (Linda Blair) kämpfte. Es braucht also einen erneuten Exorzismus, was in der Gegenwart alles andere als einfach ist.    
 
Bis heute gilt Der Exorzist völlig zu Recht als Meisterwerk. Auch ganze 50 Jahre nach seinem Erscheinen, hat William Friedkins Film nichts von seinem Schrecken eingebüßt. Gerade weil sich die Geschichte so lange Zeit nimmt, die Figuren einzuführen, und die Spannung nur ganz langsam in die Höhe schraubt, entfaltet sich eine schier unerträgliche Atmosphäre. Es sind vor allem jene Szenen, in denen der Alltag, von einer Obszönität durchbrochen, eine untergründige Bedrohung offenlegt, die einen Nachhall des blanken Horrors erzeugt. Während der ärztlichen Untersuchung sagt Regan zum Arzt, er solle seine Finger von ihrer „gottverdammten Fotze“ lassen: Friedkin verschaltet in seinem Film die kindliche Unschuld mit rigider katholischer Religiosität, den Taumel der Sexualität mit einem strukturellen Frauenhass (einem Ekel vor der Weiblichkeit), was Der Exorzist weit über ein bloßes Schreckensspektakel hinausragen lässt.

Der Exorzist: Bekenntnis hingegen ist letzteres. Bis zu jenen Momenten, in denen sich der Dämon das erste Mal zeigt, funktioniert der Film weitgehend. Das Verschwinden der Kinder birgt eine grausige Vorahnung, die durchaus an Atmosphäre gewinnt. David Gordon Green ist – das hat er oft genug bewiesen  – ein durchaus talentierter Handwerker. Prince Avalanche und Joe – Die Rache ist sein (beide 2013) sind gar zwei schimmernde Indie-Perlen.
 
Sobald er jedoch Horror inszenieren soll, verfällt er in einen langweiligen Schematismus. Wobei es immer noch interessant wäre, den Einfluss von Produzent Jason Blum genauer zu kennen, der beinahe den gesamten Output seiner Firma Blumhouse auf schnell produzierte Massenware abgestellt hat. Im Grunde sieht man hier alles, was der Exorzismus-Film seit jeher zu bieten hat: Kreuze, Weihwasser und verdrehte Köpfe. Selbstverständlich dürfen die Kinder Blut speien und mit verzerrten Stimmen sprechen. Allein, es schreckt nicht mehr. Auch weil David Gordon Green es nicht vermag, in einer Szene zu bleiben, um spürbaren Druck und filmische Energie zu erzeugen. Immer wieder springt man aus der Szenerie heraus, fädelt mal hier und mal dort ein Comic Relief ein.
 
William Friedkin hatte für solche Momente der Erleichterung keinen Sinn, wie er ohnehin in jeder Hinsicht ein kompromissloser Filmemacher war: Der Exorzist ist eine filmische Daumenschraube, während dieser lauwarme Aufguss einem schnell verpufften, billigen Tischfeuerwerk gleicht, das eine Handvoll Papierschnipsel durch die Luft schießt. All das ist zudem so schmerzlich harmlos. Das Schrecken des Originals liegt auch darin, dass es sich um einen höllisch obszönen Film handelt, der die Zuschauer (vor allem damals) mit der eigenen Scham konfrontiert. Bei Blum/Green lutscht keine Mutter mehr Schwänze in der Hölle – um es flapsig auszudrücken. Vielleicht geht das heute auch nicht mehr, einem Kind solche Worte in den Mund zu legen. Dann hätte man es aber auch besser gleich bleiben lassen sollen: Muffigen Geisterbahnhorror kann die Conjuring-Reihe letztlich einfach besser.   
 
Womit man bei der größten Frechheit des Films angekommen wäre: Der Rückbezug auf den Originalfilm grenzt an eine Frechheit. Schon bei Halloween (2018) ging der Griff in die Nostalgiekiste nicht auf. Während aller drei Teile fand sich kein stimmiger Umgang mit der Figur von Jamie Lee Curtis. Und auch Michael Myers wurde buchstäblich demontiert. In Halloween Kills – dem lächerlichen Zwischenstück – wird die alte Heldin tatenlos ins Krankenhaus verfrachtet, ohne dass es für die Geschichte auch nur irgendeinen Sinn ergeben würde. Und ebenso verfährt man nun mit Ellen Burstyn in Der Exorzist: Bekenntnis. Was ihre Filmfigur überhaupt befähigt, als Fachfrau für Exorzismus aufzutreten? Darauf weiß auch der Film keine Antwort und schickt die alte Dame eben früh in den dramaturgischen Ruhestand. Dieser hohle Budenzauber wäre ohne die William-Friedkin-Gedächtnismomente gar stringenter gewesen. Aber selbst dann wäre aus diesem seelenlosen Grauen kein guter Horrorfilm geworden.  
 

Der Exorzist: Bekenntnis (2023)

Seit dem Tod seiner Frau vor zwölf Jahren zieht Victor Fielding die gemeinsame Tochter Angela allein groß. Als Angela mit ihrer Freundin Katherine nach tagelangem Verschwinden im Wald zurückkehrt, ohne sich an irgendetwas erinnern zu können, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die Victor zwingt, sich dem abgrundtief Bösen zu stellen.

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