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Drei Frauen auf einem Wochenendtrip: Fettnäpfchen, Chaos, Peinlichkeiten und viel Witz in einer Buddy-Komödie der eskalierenden Art.

Jagdsaison (2022)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Frauen-Buddies

Jagdsaison ist ein irrer Film, der Komödie sein will und Komödie ist. In der Gruppe und mit Alkohol ins Kino zu gehen, kann sinnvoll sein, ist aber nicht notwendig. Jagdsaison ist witzig. Denn Regisseur Aron Lehmann (Die letzte Sau, Das schönste Mädchen der Welt) weiß genau, wie weit er gehen kann, und durchstößt diese Grenze dann regelmäßig und mit Todesmut.

Vor knapp zehn Jahren gab es eine Welle von deutschen Buddy-Komödien, es war die Matthias-Schweighöfer-Formel vom Normalo, der von einem schräg-irren Kumpel/Bruder/Kollegen/Wasweißich in lustige Turbulenzen getrieben wird – allzu oft gespielt von Milan Peschel. Das war erfolgreich, aber nicht sehr originell, ein Abklatsch amerikanischer Muster, heruntergeschraubt auf deutsche Verhältnisse mit einem ordentlichen Schuss RomCom.

Jagdsaison dreht es um. Die schräg-irre Typin ist nicht Nebenfigur, sondern steht im Mittelpunkt, Männer sind nur am Rande als lustiges oder Lustobjekt vorhanden. Und der Film geht weiter, als man es gewöhnt ist, er geht so weit, wie es die großen US-Vorbilder Hangover oder Brautalarm auch tun, und wirkt deshalb erfrischend undeutsch. Der Film ist tatsächlich das Remake der dänischen Komödie Hunting Season von 2019, die von der Drehbuchautorin Lea Schmidbauer (Ostwind) adaptiert und vom Regisseur Aron Lehmann und Hauptdarstellerin Rosalie Thomass im Skript zugespitzt wurde.

Ein Frauentrio auf Frauentrip – was für ein Trio, was für ein Trip! Hauptprotagonistin: Eva (Rosalie Thomass), sie geht auf die 40 zu und hat sich deshalb alberne rosa Strähnchen ins Haar machen lassen. Ihr zur Seite: Marlene (Marie Burchard), Freundin aus Jugendtagen, verheiratet mit Kind und vernachlässigter Sexualität. Ihr gegenüber: Bella (Almila Bagriacik), jung, schön, reich, Influencerin und die Frau, für die Eva von ihrem Mann (und ihrer Tochter) verlassen wurde.

Eva ist verpeilt und chaotisch und macht sich wenig draus, solange Marlene mitmacht. Marlene ist durchaus vernünftiger, macht aber eifrig mit beim Chaosanrichten – und will jetzt etwas für sich, nämlich einen Seitensprung, penibel geplant. Beim Yoga hat sie sich mit Evas Todfeindin Bella angefreundet. Beim Yoga! Eva ist entsetzt: Sie hatten sich doch geschworen, niemals solche Frauen zu werden, die Yoga machen! Bella als neue beste Freundin von Marlene organisiert den Trip an die Ostsee. Erst Wellnesshotel, dann Jagdausflug, dann geht Marlene mit dem gutaussehenden Peter bumsen. Was Bella aus feministischen Gründen fördern will. Und was Eva aus feministischen Gründen verhindern will.

Tatsächlich beginnt Jagdsaison so, wie sich der Inhalt liest: Reißbrettfiguren in Reißbrettsituationen mit Reißbretthumor. Eine Schießerei mit Spielzeugpistolen im Spielzeugsupermarkt endet mit den erwartbaren Peinlichkeiten. Doch allmählich kommt der Film in die Gänge. Bezeichnend die „Arschloch“-Sequenz im Hotel, wo selbstverständlich Untenrum-Verschönerung via Waxing auf dem Programm steht. Wo Eva voranschreitet, weil sie zeigen will, dass sie das auch kann. Wo der frühpubertierende Sohn der Intim-Coiffeurin zuschaut. Wo das Wachs zu heiß wird. Wo sich hinten unten eine enorme Brandwunde ausbildet. Wo auch die Wunder-Arschcreme aus Bellas Beauty-Produktlinie nur wenig aushelfen kann. Wo pikante Fotos versehentlich verschickt werden. Und wo die Gespräche über Minuten im Analen verbleiben. Das fängt peinlich an, wird noch peinlicher und wird dann, wenn peinlich nicht mehr reicht, zum Lachreiz.

Diese Methode wendet Jagdsaison konsequent an, bis zum Äußersten. Inklusive toten süßen Tieren. Seine Tradition verleugnet Lehmann nicht: Ob beim Hängematten-Yoga oder im Pantomimen-Gespräch mit einem zufällig über den Weg laufenden Clown leuchtet der irre Slapstick der 1920er durch, nicht die fein-melancholische Komik von Chaplin, eher die Schicksalsschläge eines Buster Keaton oder das sich steigernde Chaos von Laurel und Hardy. Eskalation als Prinzip des Witzes ist nicht das Schlechteste, was einer deutschen Komödie passieren kann.

Jagdsaison (2022)

Um ihre von der Midlifecrisis schwer gebeutelte Freundin Marlene von einem folgenschweren Sexdate abzubringen, begleitet Eva, eine geschiedene Mutter mit einem Talent für Katastrophen, sie und die neue Freundin ihres Ex-Mannes zu einem vorgetäuschten Wellness-Wochenende. (Quelle: FFSH)

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