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Mit seinem neuen Film „Das schönste Mädchen der Welt“ gelingt Aron Lehmann nicht nur eine moderne Adaption von Cyrano de Bergerac, sondern auch eine der schönsten Teenagerkomödien seit gefühlten Jahrzehnten.

Das schönste Mädchen der Welt (2018)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Cyril statt Cyrano

Eigentlich erstaunlich, welch großer Beliebtheit sich Edmond Rostands Versdrama Cyrano de Bergerac aus dem Jahre 1897 immer noch erfreut. Die erste Kinoadaption datiert aus dem Jahr 1923, von den danach folgenden sind vor allem Fred Schepisis „Roxanne“ (1987) mit Steve Martin in der Hauptrolle und Jean-Paul Rappeneaus Cyrano de Bergerac mit Gérard Depardieu in Erinnerung geblieben.

Aron Lehmanns Das schönste Mädchen der Welt versetzt den ursprünglich im 17. Jahrhundert angesiedelten Stoff nun in die Gegenwart, macht aus Gascogner Kadetten Schüler, transformiert den Wettstreit der Wörter in das Milieu des Battle Rap – und sorgt damit für eine Frischzellenkur, die die Geschichte auf die Höhe der Zeit befördert. Welch ein Vergnügen.

Der Film beginnt mit einem Battle Rap Contest, bei dem ein Teilnehmer, der sein Gesicht hinter einer goldenen Halbmaske verbirgt, alle Gegner mit seinen Rhymes und irren Wortkaskaden auf die Bretter schickt. Doch bevor „Goldgesicht“ am Ende das Siegerpokal überreicht werden kann, verschwindet er auf einem Rennrad in die Nacht, fährt zu einem Wohnhaus und legt sich dort ins Bett, ohne das jemand (die Zuschauer inklusive) sein Antlitz zu Gesicht bekommen hätten.

Dies geschieht erst am nächsten Morgen, als seine Mutter (Anke Engelke) ihren Sohn weckt, weil er auf eine Klassenfahrt nach Berlin soll. Und prompt enthüllt sich der Grund – oder einer der Gründe – dafür, warum Goldgesicht diese Maske trägt: Sie ist keine Reminiszenz an Sido oder Cro, sondern vielmehr dem gewaltigen Gesichtserker geschuldet, den Cyril (Aaron Hilmer) – so der richtige Name des Wortakrobaten – mit sich herumschleppt und den ihm seine penetrant fröhlich, aber auch recht zotige Mutter vererbt hat. Na, danke schön…

Trotz anfänglichen Widerstands von Cyril führt natürlich kein Weg an der Klassenfahrt vorbei – und genau das erweist sich als Glücksfall, denn im letzten Moment stößt Roxanne (Luna Wedler) zu der Klasse hinzu, die gerade in England von einem Internat geflogen ist und mal eben flugs in die Klassengemeinschaft integriert werden soll. Da Roxanne überaus attraktiv, sehr selbstbewusst, überhaupt nicht auf den Mund gefallen ist und schon bald Legenden (überwiegend sexueller Natur) über die Gründe für ihren Rauswurf die Runde machen, fliegen ihr alle Herzen zu. Vor allem aber ist Roxanne diejenige, die in Cyril nicht nur den Außenseiter mit der komischen Nase entdeckt, sondern einen klugen, sensiblen und wortgewandten jungen Mann, mit dem sie sich bestens versteht und die Berliner Nächte unsicher macht. Eine endet prompt bei einem Battle Rap Contest, bei dem „Goldgesicht“ wieder einen seiner furiosen Auftritte hinlegt.

Durch eine dumme Verwechslung glaubt Roxanne aber, dass sich hinter der Maske von Goldgesicht nicht Cyril, sondern der überaus süße, aber auch strudeldoofe Möchtegern-Songwriter Rick (Damian Hardung) verbirgt. Weil Cyril sein Geheimnis wahren möchte und auch ein wenig feige ist, klärt er den Irrtum nicht auf, sondern hilft dem Konkurrenten um Roxannes Gunst sogar, die richtigen Worte für Textnachrichten und Liebeslieder zu finden – bis der Schwindel dann doch auffliegt …

Um es kurz zu machen: Aron Lehmanns Das schönste Mädchen der Welt ist ein Glücksgriff: Pointierte Dialoge, toll geschriebene und gespielte Charaktere, eine exzellente Kamera, sehenswerte Schnittfolgen und eine sehr zeitgemäß rasante, aber niemals anbiedernde Inszenierung machen aus dem Film ein Sehvergnügen, bei dem nicht nur Teenager, sondern auch Erwachsene viel Spaß haben. Wie selbstverständlich lacht und fiebert man mit Cyril und Roxanne mit, taucht ein in den jugendlichen Überschwang, den Weltschmerz, das Gefühl des Verliebtseins und in die Freiheiten, die eine Klassenfahrt nach Berlin verspricht. Man lacht über die schrillen Obertussis in der Klasse, hat Mitleid für Ricks intellektuelle Beschränkungen, ist genervt von der nervigen Klassenlehrerin (Heike Makatsch), peinlich berührt von Cyrils Mutter und ihren Zoten und wird so ganz leicht durch einen Film getragen, bei dem man sich am Ende wünscht, er würde noch ein wenig andauern. Aber man kann ja durchaus zweimal in denselben Film gehen. Oder dreimal. Oder …

Das schönste Mädchen der Welt (2018)

Für den 17-jährigen Cyril ist es ganz eindeutig: Roxy ist „das schönste Mädchen der Welt“. Diesen Gefühlen gibt er in vielen Gedichten und Songs Ausdruck, traut sich aber wegen seiner großen Nase einfach nicht Roxy seine wahren Gefühle zu zeigen. Stattdessen überlässt er seine schönen Worte dem gut aussehenden, aber wenig intelligenten Rick. Der Film ist eine moderne Adaption des Theaterstückes „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand aus dem Jahre 1897.

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Meinungen

Michel · 23.09.2018

Ein Kinofilm der mitreißt in seiner Tiefe und seiner Umsetzung. Das Moderne Romeo und Julia oder die schöne und das Biest verzückt und zeigt das der Deutsche Film es ja doch noch kann. Wenn nur 5% der heutigen Jugendlichen ein wenig verstehen und etwas davon mitnehmen kann dieser Filmbeitrag nur ein Erfolg sein. Sehr sehenswert mit Auszeichnung!!

R. E. · 22.09.2018

Komodie, Romantik? Selten so einen geschmacklosen Schwachsinn gesehen. Wenn das die wünschenswerte Jugend unser deutschen Filmemacher sein soll, na dann gute Nacht Deutschland! Schade um das Eintrittsgeld!

Lucas K. · 31.08.2018

Weder fiebert man mit den Protagonisten mit, noch sind ansatzweise sehenswerte Schnittfolgen vorhanden. Dieser Film ist in jedem Moment vorhersehbar und klischeehaft. Am Ende wünscht man sich eher, er hätte nicht so lange angedauert. Davon sollte man wirklich die Finger lassen!