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Nicht einmal ihr erwachsener Sohn scheint diese Frau zu verstehen, die ihm überraschend mitteilt, dass sie beide von New York nach Paris umziehen werden. In der Verfilmung des Romans von Patrick deWitt spielt Michelle Pfeiffer die auf großem Fuß lebende Witwe, die eine rätselhafte Dunkelheit umgibt.

French Exit (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Schillernde Witwe und Sohn in Paris

Frances (Michelle Pfeiffer) lebt als Dame der Gesellschaft mit ihrem erwachsenen Sohn Malcolm (Lucas Hedges) in New York. Das unschöne Gerede über sie im Zusammenhang mit dem Tod ihres Mannes vor zwölf Jahren ist nie ganz verebbt, ohne ihr weiter zu schaden. Nun trifft die Nachricht, dass sie pleite ist, Frances vollkommen unvorbereitet. Sie verkauft, was sie noch hat, und nimmt das Angebot ihrer besten Freundin Joan (Susan Coyne) an, nach Paris in ihre leerstehende Wohnung zu ziehen. Frances erwartet ganz selbstverständlich, dass Malcolm mit ihr geht, und der stille junge Mann sträubt sich keine Sekunde gegen den Umzug. Er lässt sogar seine Verlobte Susan (Imogen Poots), die tief gekränkt reagiert, scheinbar ungerührt zurück. 

Eine geheimnisvolle Aura umgibt die rothaarige Frances und breitet sich nach und nach über große Teile der Geschichte aus. Die kanadisch-irische Koproduktion unter der Regie des Amerikaners Azazel Jacobs (Terri) ließe sich vielleicht am ehesten als entrückte Tragikomödie beschreiben, als schwarzhumorig und bevölkert von schrägen Charakteren. Der kanadische Schriftsteller Patrick deWitt, der für das Drehbuch seinen gleichnamigen Roman von 2018 adaptierte, verleiht ihr so viele Facetten, dass er damit auch lange die Neugier schürt, in welche Richtung sich Handlung und Atmosphäre entwickeln werden. Außerdem weckt der Film Erwartungen, weil von diesem Schriftsteller auch der Roman The Sisters Brothers von 2011 stammt, den Jacques Audiard prominent verfilmte

Im Zentrum der Geschichte steht die unnahbare Frances, die Züge einer Femme fatale trägt, obwohl sie offenbar nicht das Bedürfnis hat, Männern den Kopf zu verdrehen. Frances hat im Grunde kaum noch ein Bedürfnis nach Gesellschaft, was vielleicht auch an ihrer jähen Mittellosigkeit liegt. Die Rolle erscheint wie geschaffen für Michelle Pfeiffer, denn die Schauspielerin verleiht der einsamen, oft nur still von sich hinbrütenden Frances eine königliche Haltung und ein zuweilen diabolisches Lächeln. Frances kann unangenehme Zeitgenossen wie einen unwilligen Kellner sekundenschnell in Angst und Schrecken versetzen. Einer solchen Frau ließe sich zutrauen, auch unlautere Mittel und Wege zu finden, um sich eine standesgemäße neue Existenz zu verschaffen. Aber Pfeiffer verleiht dieser kühlen, stolzen Person auch zuweilen weiche Züge, die ihr ebenfalls gut zu Gesicht stehen.

Malcolm erinnert in seiner stoischen Haltung eines Beobachters zuweilen an den jungen Titelhelden aus Harold und Maude. Ihn umgibt ein Hauch von Morbidität. Der junge, stets weiße Hemden und Anzüge tragende Mann sitzt mit seiner Mutter beim Frühstück und geht den Rest des Tages keiner geregelten Beschäftigung nach. Lucas Hedges verleiht ihm eine spannende Ambivalenz, denn einerseits wirkt er wie ein gutherziger, etwas naiver Junge, andererseits kann auch er auf so maliziöse Weise wie seine Mutter lächeln. Dieses merkwürdige Mutter-Sohn-Gespann zieht auf der Schiffsreise und in Paris wie magisch andere mehr oder weniger skurrile Personen an. In der Pariser Wohnung versammelt sich so alsbald ein buntes Völkchen, das spiritistische Sitzungen mit Frances’ verstorbenem Mann beziehungsweise dem entlaufenen Kater, in dem seine Seele wohnt, veranstaltet. 

Zu diesen Dauergästen, die eine Art WG bilden, gehört das Medium Madeleine (Danielle Macdonald), das den Tod anderer voraussagen kann. Und die lustige Witwe Madame Reynard (Valerie Mahaffey), die mit Frances einen gewissen Hang zum Makabren teilt. Ein Privatdetektiv (Isaach De Bankolé) und Malcolms Verlobte Susan, die auch ihren neuen Lover Tom (Daniel di Tomasso) mitschleppt, sowie Joan kommen hinzu. Die Geschichte mutet in dieser Phase verträumt heimelig, gar possierlich an. Frances aber bewahrt sich eine Rätselhaftigkeit, die ein Stück weit unerklärt bleibt, indem sie beispielsweise die letzten Bündel mit 100-Euro-Scheinen großzügig ausgibt oder an Obdachlose verschenkt. 

Während die Eigenwilligkeit der Handlung und der Figuren zu einer gewissen Ratlosigkeit führen mag, entfaltet die stilistische Gestaltung einnehmenden Charme. Die Musik von Nick deWitt, dem Bruder Patrick deWitts, wirkt mit nostalgischen Tingeltangelweisen und zarten Klaviermelodien tröstlich und melancholisch zugleich. Mit Objekten wie einer Telefonzelle und einer Postkarte verstärkt sich der Eindruck einer verwunschenen Zeitlosigkeit, welche der Handlung anhaftet. Es ist Herbst in Paris, eine Jahreszeit, die der romantischen Stadt besonders schmeichelt. Frances und Joan gehen einmal spazieren im Park und schauen auf das lichter werdende Laub und ein Karussell, dessen Glühbirnen im trüben Tageslicht wie eine magische Verheißung glimmen. Frances mag alles verloren haben, aber nicht ihren Anspruch auf Stil. Diesen bewahrt sie sich vielleicht gerade weil sie auch in Gesellschaft anderer nie ganz dazugehört, sondern immer zu prüfen scheint, wie lange sie sich das Verweilen noch zumuten will.

French Exit (2020)

Einst war Frances Price sehr reich und in New York sehr bekannt. Nach dem Tod ihres Mannes und der Insolvenz beschließt die Witwe mit ihrem Sohn Malcolm nach Paris in die leere Pariser Wohnung ihrer Freundin zu ziehen. Sie nehmen auch Small Frank, die Katze, mit. Bei dieser handelt es sich um ihren wiedergeborenen Ehemann. In Paris rechnen Frances und Malcolm mit ihrer Vergangenheit ab und schmieden Pläne für ihre Zukunft.

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