Flight (2012)

Eine Filmkritik von Lida Bach

Wer hoch fliegt, fällt tief

„Ich fühle mich ein bisschen wackelig“, murmelt William Whitaker und blickt aus trüben Augen durch sein Hotelzimmer. Dort sieht er leere Flaschen, Zigarettenkippen und seine Arbeitskollegin Katerina (Nadine Velazquez). Spuren einer langen Nacht mit zu wenig Schlaf und zu viel Alkohol. Sollte er etwas essen? Sein Zögern währt nur kurz. Gegen Übermüdung und Kater hat „Whip“ Whitaker (Denzel Washington) neben sich auf dem Nachttisch eine bessere Medizin, die er sich in die Nase zieht. „Ich bin genau auf Linie“, sagt er später im Flugzeug seinem besorgten Sitznachbarn. Für den abgebrühten Alkoholiker ist der Flug von Orlando nach Atlanta Routine; Berufsroutine, denn Whip ist der Pilot der Passagiermaschine. Doch das Gewitter, in das sein Flieger an diesem Morgen gerät, ist noch die geringste der Turbulenzen, die ihm während Robert Zemeckis Flight bevorstehen.

„Einen Helden“ nennen die Medien Whip, der im Krankenhaus erwacht, nachdem er den Flieger trotz eines fatalen Maschinenschadens mit kleinstmöglichen Verlusten zur Erde brachte. Doch Drehbuchautor John Gatins stellt von Anfang an klar, dass sein sturer Hauptcharakter nichts dergleichen ist. Bei seiner eindringlichen Verkörperung scheut sich Denzel Washington nicht, die Schwächen eines Mannes zu zeigen, der sein Leben noch gründlicher in den Sand gesetzt hat als den Flieger. Dessen Technikausfall in voller Höhe ist nervenzerreißend inszeniert und jedes Actionfilms würdig, doch der packende Auftakt gleitet sanft über in ein gemessenes Charakterdrama. Den schwierigen Übergang meistert Zemeckis so konzentriert und kühl wie der Hauptcharakter, der in seiner zerfahrenen Existenz all die Widersprüche der Handlungssituation bündelt. Whip ist ein zügelloser Trinker, der die letzten Wodka-Shots noch an Bord runterspült und dennoch als einziger nüchtern reagiert. Und er ist zugleich ein hitziger Draufgänger, der im entscheidenden Augenblick einen kühlen Kopf bewahrt. Den defekten Flieger hält er bis zuletzt unter Kontrolle, die Kontrolle über sich selbst jedoch hat er längst verloren.

Der Flugzeugabsturz wird zur Metapher für Whips privaten Absturz, den er im Gegensatz zu dem der Passagiermaschine nicht bremsen kann. Im Krankenhaus besuchen ihn seine einzigen übriggebliebenen Freunde Harling Mays (John Goodman) und Charlie Anderson (Bruce Greenwood). Der erste der beiden bringt ihm Drogen, der zweite die Nachricht über die offizielle Untersuchung des Unglücks. Das Ergebnis eines bei der stationären Einlieferung durchgeführten Bluttests spricht gegen Whip, dem auf einmal eine Anklage wegen Drogenbesitzes und fahrlässiger Tötung droht. Als alter Kumpel engagiert ihm Gewerkschaftsführer Charlie den scharfsinnigen Anwalt Hugh Lang (Don Cheadle). Der kann die medizinischen Beweise vor dem Untersuchungskomitee unterdrücken, aber nicht Whips selbstzerstörerisches Trinken. „Ich kann von selbst aufhören“, behauptet Whip und bestätigt damit unweigerlich, dass er es nicht kann. Vielleicht, weil er es im Grunde nicht will, da er die Erbärmlichkeit seiner Existenz spürt. Zu seiner Ex-Frau und dem jugendlichen Sohn hat er die Beziehung verloren und zu der labilen Nicole (Kelly Reilly), die er im Krankenhaus kennenlernt, kann er keine aufbauen.

Ohne Alkohol sieht sein Leben noch trostloser aus als eine mit Softdrinks gefüllte Minibar. Die erwartet Whip in dem Hotel, in das ihn Lang und Charlie am Vortag der Untersuchungsanhörung einquartieren. Nachdem er zu Beginn im Rauschzustand mit einem unvorhersehbaren Szenario konfrontiert wurde, blickt er nun stocknüchtern einem sorgfältig vorbereiteten Prozedere entgegen. An dieser Stelle liefert Flight einen zweiten intensiven Spannungsmoment, der in seiner Zurückhaltung wie ein Kontrapunkt zum ersten wirkt. Whips bevorstehender Kontrollverlust kündigt sich in einem nächtlichen Erlebnis an, das den psychischen Zwang hinter seinem Verhalten auf den Punkt bringt. Die alptraumhafte Szene verrät mehr Einsicht in die Suchtmentalität als milde Verweise auf erlösenden Glauben und göttliche Vorhersehung und gibt eine authentische Antwort auf die Frage, der sich der ganz unten angekommene Pilot stellen muss: „Wer bist du?“
 

Flight (2012)

„Ich fühle mich ein bisschen wackelig“, murmelt William Whitaker und blickt aus trüben Augen durch sein Hotelzimmer. Dort sieht er leere Flaschen, Zigarettenkippen und seine Arbeitskollegin Katerina (Nadine Velazquez). Spuren einer langen Nacht mit zu wenig Schlaf und zu viel Alkohol. Sollte er etwas essen? Sein Zögern währt nur kurz. Gegen Übermüdung und Kater hat „Whip“ Whitaker (Denzel Washington) neben sich auf dem Nachttisch eine bessere Medizin, die er sich in die Nase zieht.

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Meinungen

Wiel Huppertz · 04.02.2013

Persönlich fand ich am Film die Musik am besten. Die Story ist letztenendes nur eine Geschichte über Alkoholismus und Drogenmisbrauch, typisch doof amerikanisch schwarz-weiß dargestellt. Die Schlußszenen über eine NTSB-Anhörung sind echt schlimm, da sowas für einen letztenendes "relativ kleinen" Flugzeugunfall, sogar in den USA nur sehr selten öffentlich sind. Die Strafe die "Whip" aufgebrummt bekam war auch wieder typisch amerikanisch, in Europa wäre er erstmal suspendiert worden oder man hätte ihm die Lizenz entzopgen und eventuell dazu verpflichtet eine Sucht-Therapie zu machen.
Und was die dunkelhaarige Frau am Anfang des Films anmgeht (@ Kommentar Patricia Göb), diese Frau, eine der Flugbegleiterinnen auf dem Flug, war ja letztenendes der Grund wieso "Whip" seine Sucht zugegeben hat.

patricia göb · 27.01.2013

ja die story ist gut- was mich aber gestört hat ist gleich am anfang ein paar mal durch das bild laufende dunkelhaarige frau - ich fand diese sehr provozierend und billig - auch gab es der szene etwas tierisches - und das passte nicht so gut in den doch sonst gut gemachten film