Eine verheiratete Frau

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Fragmente eines 1964 gedrehten Films

Da streckt sich eine Frauenhand mit Ehering ins weiße Bild, und aus dem Off ist eine feminine Stimme zu vernehmen: „Ich weiß nicht.“ Minimalistisch setzt ein Dialog ein, der Mann, auch zunächst nur als greifende und streichelnde Hand sichtbar, spricht von Liebe. Ein nacktes Paar, nur in nah fotografierten Auszügen präsentiert, lümmelt plaudernd herum. Charlotte (Macha Méril) ist verheiratet, aber nicht mit dem Schauspieler Robert (Bernard Noël), der mit ihr zusammenleben will, sondern mit dem Piloten Pierre (Philippe Leroy). In der entspannten Zweisamkeit fallen Liebesschwüre, Charlotte will Pierre verlassen, verlangt jedoch Verständnis von Robert, das sei nicht so einfach.
Dieser puristische, schlichte Beginn von Eine verheiratete Frau verweist mit seiner artifiziellen, befremdlichen Bildästhetik bereits signifikant auf den französischen Filmemacher Jean-Luc Godard als radikalen Revolutionär der Formensprache des Kinos. Entgegen der gewohnten Gegebenheiten, dass ein Film eine bestimmte Geschichte mit ihren Entwicklungen und potenziellen Wandlungen der Protagonisten erzählt, konzentriert sich dieser Film auf die intensive Darstellung scheinbarer Banalitäten eines Tages im Leben einer jungen Frau und stellt die inhaltlichen Komponenten zu Gunsten von markanten Visualitäten und Stimmungen beinahe komplett in den Hintergrund.

Charlotte erscheint prätentiös und unbekümmert, auch wenn sie auf dem Rückweg von ihrem Rendevous mit Robert in Deckung geht und die Taxis wechselt, während ihre geflüsterten Gedanken als Voice-over im urbanen Raum von Paris raunen. Sie beschäftigt sich bevorzugt mit den Schönheitsidealen der Modezeitschriften, enthaart hartnäckig ihren glatten Körper, belauscht vertrauliche Frauengespräche am Nebentisch im Café und belügt munter ihre beiden Männer, die beide ein Kind von ihr wollen. „Das Vergangene ist nicht komisch, nur die Gegenwart ist wichtig“, behauptet sie bestimmt bei einem Besuch des Regisseurs Roger Leenhardt (gespielt von ihm selbst) in ihrem Haus, der mit eingeblendeten Thementafeln das Zwischenspiel eines intellektuellen Diskurses markiert. Dieser zählt zu den zahlreichen Exkurselementen des Films, ebenso wie Filmausschnitte und insbesonders plakative Textsequenzen als Charakteristikum für den cineastischen Stil Jean-Luc Godards – Worte auf der großen Leinwand als Mahnung an die Macht der Medien sowie als Reminiszenz an den theoretischen Hintergrund seines visuellen Schaffens, der auch hier mit kompromissloser Konsequenz durchschimmert.

Als Suite de fragments d’un film tourné en 1964 – Fragmente eines 1964 gedrehten Films, so der Zusatz des französischen Originaltitels, bezeichnet der Avantgardist der Nouvelle Vague seinen Film, der in sanfter Melancholie mit den gefälligen Kino-Traditionen der 1960er Jahre bricht, deren wohlige Glätte einerseits und anrollende Erotisierung andererseits hier charmant karikiert werden. Die leise, heitere Grundstimmung, ausgehend von der verheirateten Heldin, begegnet Momenten der nachdenklichen Ernsthaftigkeit bis hin zur Erwähnung von Auschwitz als Symbol einer schrecklichen Vergangenheit, der sich Charlotte als Repräsentantin der sorglosen jungen Generation verweigert – wobei seit 1963 in Frankfurt am Main der erste Strafprozess gegen die damaligen Täter lief, was Jean-Luc Godard als aktuellen historischen Bezug erwähnt. Es gleicht einem kniffligen Puzzle, die einzelnen Teile dieser in der Tat fragmentarischen Struktur von visuellen und wortgewaltigen Impressionen analytisch zu verknüpfen, und genau darin liegt die Qualität des filmischen Schaffens Jean-Luc Godards im Allgemeinen und von Eine verheiratete Frau im Speziellen. Doch auch die spontane, unbefangene Rezeption dieses mitunter dokumentarisch anmutenden, weichen Dramas birgt filigrane Quellen der Inspiration, nicht zuletzt ausgelöst durch die Kamerakunst eines Raoul Coutard, der es auch hier ganz ausgezeichnet versteht, vordergründig banalen Bildern besondere Bedeutsamkeiten zu verleihen.

Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 1964 uraufgeführt widerstrebte der Film schon im Vorfeld der Zensur, weil der ursprüngliche Titel La femme mariée/ Die verheiratete Frau lauten sollte, was ein witziges Beispiel dafür darstellt, dass es bei Jean-Luc Godard mitunter auch auf die kleinste sprachliche Nunance ankommt, weshalb es sich auch aus atmosphärischen Absichten heraus durchaus lohnt, selbst bei geringen Kenntnissen des Französischen einmal die Originalversion anzuschauen. Riesige Damenunterhosen und ein Bidet wollten die Zensoren auch nicht sehen, doch die überdimensionierten Büstenhalter auf Werbeplakaten sowie die Männerunterleiber in engen Badehosen gingen durch. Und die verheiratete Frau, die schwanger ist, ohne zu wissen von wem.

Eine verheiratete Frau

Da streckt sich eine Frauenhand mit Ehering ins weiße Bild, und aus dem Off ist eine feminine Stimme zu vernehmen: „Ich weiß nicht.“ Minimalistisch setzt ein Dialog ein, der Mann, auch zunächst nur als greifende und streichelnde Hand sichtbar, spricht von Liebe.
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