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Boy meets Girl: In ihrem poetischen Liebesdrama „Falling into Place“ führt Aylin Tezel einen schottischen Maler und eine deutsche Bühnenbildnerin zusammen.

Falling into Place (2023)

Eine Filmkritik von Reinhard Kleber

Wie eine Liebe Gestalt gewinnt

Bei einer Reise auf die schottische Insel Skye lernen sich die deutsche Bühnenbildnerin Kira und der schottische Musiker Ian kennen. Die Mittdreißiger flirten mal albern herum, mal führen sie auf langen Spaziergängen intensive Gespräche. Als sie Abschied nehmen, ohne Telefonnummern auszutauschen, wissen sie nicht, dass beide in London leben. Bis sie das bemerken, soll einige Zeit vergehen.

Aylin Tezel, 1983 in der westfälischen Mittelstadt Bünde geboren, hat sich mit Schauspielauftritten in Filmen wie Almanya – Willkommen in Deutschland (2011) und Am Himmel der Tag (2014) einen Namen gemacht. Einem breiten Publikum ist sie vor allem als Ermittlerin im Team der Dortmunder Tatort-Krimis bekannt. Nach einigen Kurz- und Werbefilmen legt sie mit Falling into Place ihre erste lange Regiearbeit vor, für die sie auch das Drehbuch geschrieben und die Hauptrolle der Kira übernommen hat. 

Auf einer winterlichen Busfahrt zur schottischen Insel Skye sehen sich die deutsche Bühnenbildnerin Kira und der schottische Musiker Ian (Chris Fulton) zum ersten Mal. Als sie sich abends im Pub erneut begegnen, funkt es sofort. Als sie sich später durch die Nacht treiben lassen und am Folgetage lange Spaziergänge an der wildromantischen Küste machen, wird beiden klar: Zwischen ihnen gibt es eine magische Verbindung. Doch sie müssen sich wieder trennen. 

Beide reisen zurück nach London, wissen aber nicht, dass sie in der selben Stadt wohnen. Dort sieht Kira den Schauspieler Aidan (Rory Fleck Byrne) wieder, von dem sie sich vor kurzem getrennt hat, ihm aber immer noch hinterhertrauert. Und der 32-jährige Ian, ein charmanter Hedonist,  kehrt in die Wohnung seiner Freundin Emily (Alexandra Dowling) zurück, mit der er sich häufig streitet. Diverse Flashbacks zeigen, dass die intensive Begegnung auf Skye in Kira und Ian noch lange nachhallt. Beide merken aber auch, dass sie erst aufhören müssen, vor sich selbst und ihren ungelösten Problemen davonzulaufen, bevor Platz für eine neue Liebe da sein kann.

Die Ausgangssituation mit Flirts, ausgiebigen Spaziergängen und schier unendlichen Gesprächen erinnert an Richard Linklaters Generation-X-Klassiker Before Sunrise (1995). Während Julie Delpy und Ethan Hawke für ihre Romanze in Wien nur einen Tag und eine Nacht hatten, trennen sich hier die Wege der Verliebten schon nach 40 Minuten wieder. Auch an die Filmromanzen des französischen Altmeisters Éric Rohmer weckt die leichtfüßige Tändelei des Auftaktdrittels Erinnerungen. Die ruhige Inszenierung nutzt auf reizvolle Weise die Kontraste zwischen den Schauplätzen: Den verschneiten Bergen und dem grauen Himmel über der einsamen Insel steht die quirlige Metropole mit ihrem Straßenlärm und ihrem turbulenten Nachtleben gegenüber.

Parallel dazu fallen die Protagonisten von der relaxten Atmosphäre des romantischen Skye-Aufenthalts in die komplizierte Problemfülle ihres großstädtischen Alltags zurück, wo sie sich der Melancholie ergeben oder in flüchtige Sexabenteuer stürzen. Vor allem der Schwerenöter Ian, der vor zehn Jahren nach London geflohen ist, hat schon viel zu lange familiäre Schicksalsschläge verdrängt: Dass seine jüngere Schwester schon drei Suizidversuche unternommen hat, und er offenbar auf Kriegsfuß mit seinem kranken Vater steht. Kira ist dagegen unzufrieden mit ihren Jobs als Assistentin am Theater, zweifelt an sich, und befürchtet, dass sie sich immer wieder in Menschen verliebt, die ihr nicht guttun. Sie blüht erst auf, als ein Regisseur sie ermutigt, ihren Ambitionen als Malerin zu folgen. 

Tezel erfindet das Genre gewiss nicht neu, vermeidet aber auch naheliegende Rührseligkeitsfallen. Das emotionale Auf und Ab des verhinderten Liebespaares begleitet sie mit einer vielfältigen Musikauswahl, die von sanften Pianofolgen des Briten Jon Hopkins über wehmütige Popsongs bis zu elektronischen Score-Klängen des deutschen Komponisten Ben Lukas reicht.

Gen Ende wird ihre Variation des klassischen Boy-Meets-Girl-Erzählmusters etwas zu lang und vor allem vorhersehbar. Das Schauspielensemble kann das ausgleichen: Tezel und Fulton (bekannt aus Bridgerton) machen dank ihrer guten Chemie glaubhaft, dass ihre Figuren füreinander bestimmt sind. Im Vergleich zu den Protagonist*innen bleiben die von Byrne und Dowling verkörperten Nebenfiguren Aidan und Emily leider etwas skizzenhaft. Mehr Leinwandzeit hätte auch Anna Russell-Martin verdient, die als suizidgefährdete Annie in zwei besonders starken Szenen Akzente setzt und dabei einen wunderbar sarkastischen Humor aufblitzen lässt.

Falling into Place (2023)

Kira und Ian lernen sich an einem Winterwochenende auf der Isle of Skye kennen. Für einen fast magischen, viel zu kurzen Augenblick erleben sie eine intensive, überraschend tief gehende Romanze. Alles scheint möglich, doch das Schicksal reißt sie wieder auseinander. Ohne zu wissen, dass sie in derselben Stadt leben, kehren Kira und Ian zurück in ihren Alltag.

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