Log Line

In dem queeren Liebesfilm „Elefant“ schildert Kamil Krawczycki, wie ein junger Mann in den südpolnischen Bergen zu sich selbst findet.

Elefant (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Magie im Pferdestall

Bartek (Jan Hrynkiewicz) ist Anfang 20 und lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter (Ewa Skibinska) auf einem Bauernhof in den Bergen im südpolnischen Ferienort Zakopane. Er füttert die Hühner, mistet den Stall aus und kümmert sich um die Pferde, die ihm hier ganz besonders am Herzen liegen. Am liebsten würde er ein Gestüt gründen – doch die Mutter droht bereits damit, dass sie sich die Pferde bald schon nicht mehr leisten können.

Der Regisseur Kamil Krawczycki (Jahrgang 1990) erklärt in einem Statement, dass er für sein Langfilmdebüt Elefant in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist: „Es ist eine Region mit einer atemberaubenden Natur, aber für Schwule und Lesben ist es ziemlich schwer, dort zu leben.“ In seiner Inszenierung fängt er diese Ambivalenz treffend ein. Die Bilder, die er mit seinem Kameramann Jakub Sztuk findet, um den Schauplatz zu ergründen, lassen keinen Zweifel daran, dass dies eine unfassbar idyllische, teilweise gar märchenhafte Gegend ist. Zugleich wird die weite Landschaft mit der geistigen Enge kontrastiert, die unter den Einwohner:innen überwiegend herrscht.

Barteks Schwester hat sich mit ihrem Freund nach Norwegen abgesetzt; der Vater ist vor langer Zeit in die Staaten gegangen und hat seitdem nichts mehr von sich hören lassen. Die Leute, die im Ort zurückbleiben, wirken meist unglücklich. Als Dawid (Pawel Tomaszewski) nach 15 Jahren Abwesenheit wieder auftaucht, da er sein Elternhaus verkaufen muss, entwickelt Bartek rasch großes Interesse an ihm.

Es gelingt Krawczycki, dem durchaus gängigen Coming-of-Age- und Coming-out-Narrativ in Elefant in vielen kleinen Details originelle Seiten abzugewinnen und so zahlreiche ausgesprochen schöne Momente zu erzeugen, die das Gefühl der ersten Liebe wunderbar erfassen.

Das beginnt schon damit, dass Bartek mehrere Male dabei gezeigt wird, wie er in den Spiegel schaut. Aus einem melancholisch dreinblickenden jungen Mann wird zunehmend ein lächelnder, zufrieden anmutender Mensch, der das nötige Selbstbewusstsein aufbaut, um für seine eigenen Bedürfnisse einzustehen. Wenn er bei der Arbeit im Pferdestall den Song Christine von Christine and the Queens hört, wird sein trister Alltag auf dem Hof plötzlich zu einem ebenso poppigen wie magischen Musikvideo.

In der Darstellung der Beziehung, die zwischen Bartek und Dawid entsteht, bricht Krawczycki lustvoll mit Klischees. Der schmächtige und zunächst eher schüchtern auftretende Bartek ist derjenige, der den Flirt mutig in Gang setzt. Der anfangs ziemlich ungestüm daherkommende Dawid erweist sich derweil als überraschend feinfühlig, etwa wenn er Bartek am Klavier ein Lied vorspielt und vom gemeinsamen Nächtedurchtanzen singt. Beide geben sich deutlich und völlig offen zu verstehen, wie gut sie einander tun; bald steht der Traum von einem Leben zu zweit im Raum.

Ohne seinem Film etwas Naiv-Kitschiges zu geben, lässt Krawczycki uns hoffnungsvoll zurück. Die inneren und äußeren Hürden, die es zu bewältigen gilt, werden klar zum Ausdruck gebracht. Doch Elefant ist ein Werk, das zu begreifen scheint, wie wichtig eine Perspektive (für die Hauptfiguren und für uns) ist. Bittere Dramen über traurige Menschen gibt es viele; unglaubwürdige Happy Ends ebenfalls. Hier wird uns hingegen ganz stimmig eine Ahnung vermittelt, wie beflügelnd es sein kann, sich zu verlieben.

Elefant (2022)

Der 22-jährige Bartek führt einen kleinen Bauernhof in den polnischen Bergen. Seit sich sein Vater aus dem Staub gemacht hat, ist er das Familienoberhaupt und muss für seine Mutter da sein. Frei fühlt er sich nur, wenn er Zeit mit seinen geliebten Pferden verbringen kann. Doch als eines Tages der lange verschollene Nachbarssohn Dawid ins Dorf zurückkommt, gerät Barteks von Pflichterfüllung geprägter Alltag durcheinander. Er muss sich entscheiden: zwischen einem Leben für die Familie und seinen immer stärker werdenden Gefühlen für Dawid. (Quelle: Salzgeber)

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen