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Eileen ist eine junge Frau, die in der Provinz versauert. Als eine neue Kollegin in den Ort zieht, scheint ihre Chance gekommen zu sein, ihren inneren Sehnsüchten nachgehen zu können.

Eileen (2023)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Doppelte Böden

William Oldroyd kann seine Herkunft aus dem Theater und noch weniger seine Beeinflussung durch die klassischen Stoffe einer seiner größten Landsleute, Shakespeare, nicht verleugnen. Auch in diesem neuen Spielfilm, eine US-amerikanische Produktion, drückt beides durch. Er verfilmt den Roman einer gegenwärtigen, jungen amerikanischen Autorin, die ihre Geschichte in die 1960er Jahre nach Neuengland versetzt. Die Schriftstellerin Ottessa Moshfegh hat eine ungewöhnliche Heldin geschaffen, die nun auf der großen Leinwand eine Mischung aus Faszination und Abscheu entfaltet.

Eileen (Thomasin McKenzie) lebt alleine mit ihrem konstant betrunkenen und jähzornigen Vater in einem kleinen Ort an der Küste. Sie arbeitet als Sekretärin in einer Jugendvollzugsanstalt. Dort lernt sie die mondäne Psychologin Rebecca (Anne Hathaway) kennen, was ihr einen neuen Elan im Leben geben wird. Rebecca interessiert sich für Eileen, ganz anders als die restlichen Einwohner im Ort, die sie seit ihrer Kindheit als graue Maus und als Tochter des ehemaligen Polizisten und inzwischen verrückten Alkoholikers wahrgenommen haben.

Im ersten Teil von Eileen geht es um diesen Wandel, der die Begegnung der beiden Frauen in der Protagonistin auslöst. Geschickt lockt das Drehbuch einen auf falsche Fährte, was die weitere Entwicklung der Handlung betrifft. Im zweiten Teil kommt es nämlich zu einer unerwarteten Wendung und zu einem Moment großer Spannung. Was man bisher als Sozialstudie oder die Beschreibung einer besonderen Freundschaft wahrgenommen hatte, wird zum psychologischen Thriller. Eine klassische Kriminalgeschichte darf man aber auch nicht erwarten, denn alles dient in erster Linie der Erarbeitung eines Psychogramms der Hauptfigur.

Man fühlt sich am Ende manipuliert. Was stimmt jetzt hier? Ist man in die Perspektive und in die Fantasien von Eileen hineingezogen worden? Gab es diese Eskalation zum Schluss? Hat die gutaussehende Rebecca existiert? Es spielt im Grunde keine Rolle. Rebecca ist in der Geschichte ein Symbol für Eileens Sehnsüchte, für ihren Wunsch, dem depressiven Leben zu entkommen, in dem sie kaum von Gleichaltrigen umgeben ist. Die einzigen sind jugendliche Straftäter, für die sie kaum mehr als ein Achselzucken übrig hat, oder verliebte Pärchen, denen sie im Auto folgt, um sie beim Knutschen zu beobachten. Die Erwachsenen sehen sie an, als wäre sie ein Möbelstück.

Eileens Beziehung zu ihrem Vater spielt eine entscheidende Rolle. Sie kümmert sich um ihn, aber aus echtem Pflichtgefühl oder doch als Ausrede, ihr Leben nicht selbst in die Hand nehmen zu müssen? Auf jeden Fall macht er ihr das Leben schwer. Er erniedrigt sie systematisch. Eileens Schwester sei die viel bessere Tochter. Als Eileen darauf antwortet, dass sich die Schwester aber nicht mehr beim Vater melde, während sie, Eileen, doch für ihn sorge, erwidert er: „Das ist ja klar, sie hat ja auch etwas aus sich gemacht.“ Eileen verabscheut ihren Vater, dennoch versucht sie sich, indem sie sich in den Kleidern und mit der Schminke der abwesenden – mehr zu den Hintergründen erfährt man nicht – Mutter zurechtmacht, in seinen Augen aufzuwerten.

Diese ganzen Gefühle finden Platz im Film, ohne dass es lange Erklärungen braucht, die man in einem literarischen Werk, beispielsweise als innere Monologe darstellen würde. Auch wird der Stoff nie sentimental. Mit Eileen hat man Mitgefühl, aber auch nicht zu sehr. Etwas an ihr stößt einen ab. Das stellt sich von Anfang an ein, als sie ihren sexuellen Fantasien und Tagträumen nachgeht und bleibt bis zum Schluss, als sie am Straßenrand auf einen Lastwagen wartet, der sie aus dem Ort wegbringen soll und ein letztes Mal mit ihrem durchdringenden Blick in die Kamera schaut. Dass die Figur eine derartige Tiefe erhält, ist der schauspielerischen Leistung von McKenzie, die gerade eine bemerkenswerte Karriere einschlägt, zu verdanken.

Kommt man auf die Nähe des Regisseurs zum Theater zurück, kann man in Bezug auf Eileen feststellen, dass der Film dem ähnlichen Aufbau eines Bühnenstücks in Akten folgt. Die tableauartige Komposition der Bilder, die Interaktion der Figuren und die präzise Positionierung zueinander erinnert ebenfalls daran. Dennoch gelingt es Oldroyd dank der dichten Atmosphäre, dem leichten Weichzeichner, der auf der Kamera liegt und der minimalistischen, aber authentischen Ausstattung einen filmischen, sinnlich-überzeugenden, Charakter zu erzeugen.

Eileen (2023)

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Ottessa Moshfegh erzählt der Thriller von zwei gegensätzlichen Frauen, die sich in den 1960er-Jahren als Angestellte einer Vollzugsanstalt für jugendliche Straftäter kennenlernen. Daraufhin verbindet sie eine unheilvolle Freundschaft miteinander.

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