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In Sabine Boss‘ neuer Komödie gerät ein Abend unter Nachbarn außer Kontrolle. Der Publikumsmagnet aus der Schweiz kommt jetzt auch in die deutschen Kinos und hält einige Überraschungen bereit.

Die Nachbarn von Oben (2023)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Häppli, Partnertausch, Paartherapie

Als experimentierfreudig im Bett sind unsere Schweizer Nachbarn nicht gerade verschrien. Sabine Boss beweist in ihrem neuen Film das Gegenteil. Ein Kammerspiel über Ehefrust und Liebeslust – gewitzt, gewagt und zum Schreien komisch.

Wenn Thomas (Roeland Wiesnekker) von der Schule, an der er Musik unterrichtet, nach Hause kommt, kann er blind vorhersagen, wie der Abend verlaufen wird. Seine Frau Anna (Ursina Lardi) schickt ihn Wein holen, weil der schon wieder leer ist. Nach dem Abendessen landen sie friedlich vor dem Fernseher oder brechen den nächsten Streit vom Zaun, bevor sich Thomas zum Rauchen aufs Dach verzieht und mit seinem Teleskop in die Sterne blickt. Langweilige Routine, in der jedoch Ruhe steckt. Und nichts ist dem einstigen Konzertpianisten wichtiger als seine Ruhe. Doch an diesem Abend wird es laut.

Ausgerechnet Lisa (Sarah Spale) und Salvi (Maximilian Simonischek) hat Anna eingeladen, jene Nachbarn von oben, die Anna und Thomas jede Nacht mit ihren die Wände durchdringenden Orgasmen wachhalten. Davon kann Anna nur träumen. Thomas rührt seit Jahren weder sein Klavier noch seine Frau an. Die gibt sich in Lisas und Salvis Anwesenheit erstaunlich locker. Wenn der attraktive Nachbar eine rauchen will, geht das selbstredend auch in der Wohnung, wovon wiederum Thomas bislang nur träumen konnte. Gerade als dieser die Nachbarn mit ihrer nächtlichen Ruhestörung konfrontieren will, packen sie aus. Die lautstarken Orgasmen seien gar nicht die ihren, sondern stammen von anderen, mit denen sie ins Bett steigen. Viel Zeit, sich über diese Offenbarung zu wundern, bleibt Anna und Thomas nicht. Denn die Nachbarn von oben machen ihnen ein pikantes Angebot.

Sabine Boss, deren erster Kinofilm Ernstfall in Havanna (2002) mit mehr als 300.000 Besuchern bis heute in den Top 20 der Schweizer Kinocharts steht, hat auch mit ihrer jüngsten Komödie einen Hit gelandet. Allein in der Deutschschweiz hat der Film bereits 55.000 Tickets verkauft. Und auch hierzulande wird er sein Publikum finden. Denn Boss serviert einen vergnüglichen Abend, an dem die Hosen im übertragenen wie im wörtlichen Sinn runtergelassen werden und alles auf den Tisch kommt.

Die Ausgangslage, die schick eingerichtete Wohnung und das warme Licht, in das alles getaucht ist, erinnern an Bora Dagtekins Ensemblekomödie Das perfekte Geheimnis (2019). Ebenfalls eint die Filme, dass es sich um Remakes handelt — im Fall von Boss‘ Film eines der spanischen Komödie Sentimental (2020). Sowohl die Vorlage als auch die Neuverfilmung bringen frischen Wind in die Beziehungskomödie, weil es hier einmal nicht darum geht, wie Frust zum Fremdgehen führt und Routine die Kommunikation so sehr verengt, bis sich die Partner nichts mehr zu sagen haben, sondern darum, wie die Offenheit gegenüber Neuem einer Beziehung, die bereits am Ende ist, doch noch einen Neustart verpassen könnte.

Ausgedacht hat sich diese haarsträubend charmante Versuchsanordnung der Schauspieler und Drehbuchautor Alexander Seibt, der geschickt mit Klischees spielt. Was als Typenkomödie beginnt, entwickelt sich zur Charakterkomödie. Denn hinter jedem Abziehbild – dem sarkastischen Künstler, der frustrierten Ehefrau, dem einfältigen Verführer und der esoterisch angehauchten Psychologin – stecken mehrere Schichten, die sich sukzessive offenbaren, wenn die für die Öffentlichkeit aufrechterhaltene Fassade erst einmal eingerissen ist.

Jede Komödie, egal wie gut sie geschrieben ist, steht und fällt mit dem Zusammenspiel des Ensembles und dem Timing, das sich nicht nur aus dem Zusammenspiel, sondern auch aus der Inszenierung und in der Montage ergibt. Für ihr vierköpfiges Kammerspiel hätte sich Boss keine besseren Darsteller*innen wünschen können. Die Chemie zwischen Ursina Lardi, Roeland Wiesnekker, Sarah Spale und Maximilian Simonischek stimmt. Die Pointen zünden, jede Geste sitzt. Und so schön deppert wie ein begossener Pudel, wie es Roeland Wiesnekker in diesem Film vollbringt, blickt selten einer drein. 

Die Nachbarn von oben ist eine comedy of remarriage der etwas anderen Art; ein köstliches Beziehungs-Häppli – irgendwo zwischen Orgienfantasie und Paartherapie.

Die Nachbarn von Oben (2023)

Nach 15 Jahren Ehe ist der Alltag des gutbürgerlichen Mittelschullehrers und ehemaligen Pianisten Thomas und seiner Frau Anna mittlerweile so prickelnd wie eine abgestandene Cola. Die Lust aufeinander ist verschwunden und das Zusammenleben von Streitigkeiten geprägt. Das deutlich hörbare Sexleben der neuen Nachbarn von oben macht die Situation nicht erträglicher. Man müsse mal mit ihnen reden, meint Anna, und lädt zum Apéro. Der vorerst muntere Smalltalk vermag die gereizte Situation nicht zu entspannen. Doch dann versuchen die Psychologin Lisa, Autorin eines Buches «Trennt euch!», und ihr Partner Salvi Tom und Anna aus sich herauszulocken.

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Meinungen

Leifeld-Schmidt · 21.06.2023

Hallo,
Wer kann mir sagen welche Lieder in dem Film gesungen werden und von wem?
Fantastische Songs! Die würde ich gerne weiter hören.

Danke!

Kino-Zeit · 01.06.2023

Vielen Dank für den Hinweis — wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.

F.B. · 01.06.2023

Auch „Dia Nachbarn von oben“ ist ein Remake! Das Original ist eine spanische Komödie aus 2020 mit dem Titel „Sentimental“.

Sandra · 01.06.2023

Ein erfrischender, Film, der weit mehr als eine Komödie ist. Das Ensemble spielt umwerfend. Unbedingt anschauen.

Catrin Candreia · 31.05.2023

Da hat sich ein Fehler eingeschlichen, und er wird ein bisschen zu deutlich betont. Entgegen Ihrer Behauptung ist "Die Nachbarn von oben" sehr wohl ein Remake, und zwar der spanischen Kinokomödie "Sentimental" / "The people upstairs" von Cesc Gay, der auch das Buch dazu geschrieben hat. (Release 2020). Sogar das Filmplakat wurde vom Vorbild übernommen.
https://www.imdb.com/title/tt11028768/

Kino-Zeit · 01.06.2023

Vielen Dank für den Hinweis — wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.

Kino-Zeit · 01.06.2023

Vielen Dank für den Hinweis — wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.