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Ein Mann, eine Frau, noch ein Mann. Bekanntschaften, Liebe, Sex, Annähern, Lust und Unlust: „Der Siebzehnte“ erzählt improvisiert-fröhlich-ungewöhnlich von einer Dreiecksbeziehung – und mehr.

Der Siebzehnte (2020)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Mann – Frau – Mann etc.

Sie leben im Dreieck, sie lieben im Dreieck: Daniel (Devid Striesow) und das Elternpaar Bella und Andreas (Saskia und Ralf Walker). „Der Siebzehnte“ fächert Beziehungsgeflechte auf, eine Handlung aber hat der Film nicht. Dafür ist er unterhaltsam, lustig, nachdenklich. Vor allem: abwechslungsreich.

Wir springen von Episode zu Episode. Wir erleben Bettgeschichten: Daniel und Bella beim Sex: „Nicht lachen, nicht niesen! Sonst rutscht er raus!“ – und beim postkoitalen Herumalbern, beim fröhlichen Gemüsefuttern im Bett und Erläuterungen zur Kohlenhydratdiät. Und Daniel und Andreas, die robust miteinander ringen, zärtlich einander umschlingen und sich was vorlesen. Wir sehen eine Jägerin (Franziska Petry), die ein Wildschwein schießt, das Daniel, Bella, Andreas beim Waldspaziergang finden; eine Einladung zur Grillparty folgt auf dem Fuß. Wir begleiten Kostja (Arsenij Walker), den jugendlichen Sohn, der sich mit seinen Freunden vergnügt und mit einer Freundin philosophiert – eine Art Parallel-Gegenwelt zur Erwachsenenebene. Und wir begegnen einem namenlosen Alten, der sich auch mal nackt im Wald mit Wildschweinblut beschmiert, vor allem aber als eine Art Gott oder Therapeut oder auch nur verwirrter Greis agiert, mit hintergründig-kauzigem Witz geistert er durch den Film – Jörg Janzer spielt ihn, Psychiater und Aktionskünstler, mit seiner Alterscoolness eine wirkliche Entdeckung für den Zuschauer und eine wichtige Gravitationsstörung im Film.

Es gibt eine Gartenparty, das Wildschwein überm Grill, eingeladen hat Charlotte, die Jägerin, gekommen sind nur Bella und Andreas und Daniel – aber gedeckt ist für viele, und viele werden dazustoßen: Allein diese Sequenz ist ein kleines Kunstwerk für sich, wie alles langsam und gedämpft beginnt, wie die Gäste sich annähern, wie plötzlich ein Reiter dazusprengt: Fritz (Lars Rudolph), der neue Nachbar; wie dann der Alte auftaucht, und später, im Dunklen, da sind noch einige mehr da, weil man sich nicht kennen muss, um sich zu finden, weil man sich kennenlernen kann im Gemeinsamen, weil sich aus Begegnungen etwas entwickeln kann. Für einen Abend, oder für viele Jahre.

Saskia und Ralf Walker spielen die Hauptrollen; sie teilen sich die Regie, Drehbuch und Produktion liegen ebenfalls bei ihnen. Er spielt Andreas, zurückhaltend, mit einer komplexen Beziehung zu Daniel von Animositäten bis Nähe; sie spielt Bella, die ihre Liebe zu Andreas lebt und ihre Körperlichkeit mit Daniel, die so offen, so frei-fröhlich lacht – inwieweit das Walker-Paar sich selbst spielt, bleibt unausgesprochen. Ist einerseits nicht relevant – es handelt sich hier schließlich um ein fiktives Kunstwerk –, ist andererseits aber Teil des Spiels mit der Realität, das den Film durchzieht: Die Szenen, die Bilder sind voller Natürlichkeit, offensichtlich wurde im Dialog, im Agieren viel improvisiert; die Episoden sind nicht nach Ursache und Wirkung, nach Anlass und Konsequenz gegliedert, sondern erscheinen willkürlich, als wären sie just dem Ungeordneten des Lebens entnommen. Dazu enthält die Tonspur nicht das Klinisch-Reine, das von High-Class-Mainstream-Produktionen gewohnt ist, sondern zufällige Nebengeräusche, die sich mit dem Gesprochenen überlagern. Und immer wieder stellen sich die Protagonisten auch jenseits des Bildkaders, als wäre die Kamera nur zufällig dabei, unbemerkt, ein heimlicher Beobachter des Wirklichen.

Diese Realitätsnähe wird aufgebrochen durch die bekannten Gesichter, die auftauchen – Devid Striesow am prominentesten im Film gefeatured –; und dadurch, dass sich auf gewisse Weise, beinahe unbemerkt, doch alles ineinander schließt. Das Verwirrende, wenn der Zuschauer einfach in den Film geworfen wird, löst sich auf mit dem zunehmenden Verständnis der Verhältnisse, mit dem Begreifen eines Beziehungsgeflechts, das kompliziert ist, aber stabil, das sich eingependelt hat und mit dem sich der Zuschauer auseinander setzen kann: Welcher Art welche Beziehung entspricht, wie sie funktioniert, auf welcher Basis sie steht. 2015 haben die Walkers zusammen in Sprache: Sex bereits in Dokumentarfilmform die intime Privatsphäre untersucht – mit ihrem Spielfilm nun ist ihnen eine ganz neue Art der Beziehungskomödie geglückt, hochoriginell und auf jeden Fall ganz anders.

Der Siebzehnte (2020)

Im  Mittelpunkt von „Der Siebzehnte“ steht die Beziehung eines Paares (dargestellt von dem Regieduo selbst) mit Daniel, mit dem sie nacheinander im Bett landen.

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