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In „Daaaaaali!“ stellt Quentin Dupieux den Exzentriker Salvador Dalí ins Zentrum. Zwingender könnte eine Verbindung zwischen Filmemacher und Gegenstand wohl kaum sein.

Daaaaaali! (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Meister des Meisters

Der spanische Maler Salvador Dalí (1909-1989), der mit seinen außergewöhnlichen Motiven von schmelzenden Uhren oder einer brennenden Giraffe zu einer Ikone des Surrealismus wurde. Und Quentin Dupieux (Jahrgang 1974), der französische Musiker und Filmemacher, der (unter anderem) eine Splatter-Groteske über einen via Telekinese mordenden Autoreifen („Rubber“) geschaffen hat. Wahrlich ein Traumpaar!

Und mit „Traum“ ist in diesem Falle selbstverständlich eine völlig überbordende Abfolge von Bildern und Ereignissen gemeint, in der alles möglich scheint. Wenn hier bei einem Dinner zu viert ein (Alb-)Traum geschildert wird, können wir uns nie sicher sein, ob die Schilderung und die Reaktionen darauf nicht selbst noch Teil des Traums sind. Wann fing das Unwirkliche an, wo hört es wohl wieder auf? Und dürfen wir bei einem Film über Dalí – Verzeihung: Daaaaaali! – überhaupt über irgendwelche Grenzen nachdenken?

Das muss sich auch die 33-jährige Journalistin Judith (Anaïs Demoustier) fragen, die eigentlich Pharmazeutin ist, nun aber beschlossen hat, dass sie lieber für ein Magazin arbeiten will. Sie soll Dalí interviewen. Der erste Versuch beginnt absurd – mit einem sehr, ja wirklich sehr, sehr langen Hotelflur – und endet damit, dass Dalí leider keine Lust mehr hat, als ihm klar wird, dass er bei diesem Gespräch gar nicht gefilmt wird. Wieso da anfangs ein niedlicher weißer Ziegenbock im Zimmer herumstand, der die Deko-Blumen verspeiste? Tja, gute Frage.

Dalí wird im Laufe des Films übrigens nicht von einem einzigen Schauspieler, sondern von einer ganzen Handvoll gespielt. Das ist absolut angemessen – wer sollte dieser Persönlichkeit denn bitte allein gerecht werden? Insbesondere Alain Chabat und Jonathan Cohen gelingt es indes auf durchaus bemerkenswerte Weise, die Exzentrik des Künstlers zum Ausdruck zu bringen – und, nicht zuletzt, den Größenwahn Dalís zu zeigen, der dazu führt, dass Judith auf Drängen ihres wiederholt gierig Spaghetti essenden Chefs (Romain Duris) die „größte Filmkamera der Welt“ organisiert, um ihr Interview doch noch zu bekommen.

Und so entsteht in Daaaaaali! ein Film über Dalí. Was natürlich nicht so einfach ist, da das große Genie immer neue Ansprüche äußert. Die Crew wächst, die Kosten explodieren, Judith ist mit den Nerven bald am Limit. Und vielleicht – das sollten wir nicht vergessen – ist das ja auch nach wie vor nur ein Traum. Dass es etwa plötzlich tote Hunde regnet und es zuweilen zu grausigen Unfällen oder Morden kommt, deutet schon irgendwie ein bisschen darauf hin, oder? Aber irgendwann scheint die Sache endlich im Kasten zu sein. Schluss, „Fin“, Applaus, Applaus! Beziehungsweise: Änderungswünsche vom Meister persönlich, und danach dann eventuell Schluss.

Wer sich von Dupieux’ Humor bisher nicht angesprochen fühlte, wird sich durch Daaaaaali! höchstwahrscheinlich nicht umstimmen lassen. Der Mix aus cleveren Meta-Gags und schierer Freude am Nonsens, mit spleenigen Figuren und detailreichen Bildideen ist in jeder Hinsicht ein typischer Dupieux-Film, der wiederum durch Dalí als Protagonisten tatsächlich noch mal eine neue Stufe der Absurdität erreicht und deshalb selbst innerhalb des Œuvres eines Regisseurs, dessen Hauptmerkmal das hochgradig Wunderliche ist, eine ziemlich einzigartige Stellung einnimmt.

Gesehen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.

Daaaaaali! (2023)

Die Journalistin Judith will den Künstler Salvador Dalí zu einem Interview überreden. Doch dieser hat sehr hohe Ansprüche.

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