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Disney’s Origin-Story Cruella“ kommt im Gewand eines Modewettkampfs daher. Die Kostüme sitzen perfekt und sorgen für spektakuläre Szenen – die Psychologisierung der Villain ist leider keine Film Couture.

Cruella (2021)

Eine Filmkritik von Bianka-Isabell Scharmann

Ein schillernder Kokon

Die zur Fashion Show der gefeierten Couture-Designerin Baroness (Emma Thompson) – kein Vorname, ihr Titel ist alles, was man über sie wissen muss, sie ist ihr Label – werden schon unruhig, wann startet die Show? Die Tresortür klemmt, Schweißbrenner müssen her, um die neueste Kollektion zu befreien. Doch mit dem Aufschlagen des Stahls wird nicht etwa der Blick auf zwölf exquisite Kleider freigegeben, nein: Hunderte, Tausende Nachtfalter entfliegen in die Werkstatt, den Showroom und hinaus in Londons Straßen. Die bronzefarbenen Perlen des Signature-Pieces der neuesten Baroness-Kollektion entpuppen sich als Kokons, das Kleid seines Glanzes und Glamours entleert. In Fetzen hängt es auf der Figur. Ein interessantes Spiel mit Vergänglichkeit und Materialität der Mode – und sicherlich eine der gelungensten Szenen des gesamten Films. Ein kleines Detail wäre da noch, die Motivation hinter der Kreation: Estella (Emma Stone) schuf dieses Kleid in minutiöser Handarbeit, um die Baroness in ihrem Sein zu treffen, sie als Modeikone zu ruinieren und schließlich zu entthronen.

Der Schmetterling gehört zur Filmgeschichte wie kaum ein anderes Insekt, war er doch schon Motiv für Projektionen auf Loie Fullers schwingende, wirbelnde Stoffbahnen. Der Nachtfalter, des Schmetterlings dunkle“ Art, scheint das perfekte Bild für die Transformation von Estella zu Cruella zu sein. Cruella ist der Versuch, einer der bekanntesten Leinwand-Villains eine angemessene, ausführliche Origin-Story zu verpassen, also zu erklären, warum die Modemacherin verrückt nach getupften Pelzen ist. Mit Voice-Over (Emma Stone) beginnt Cruella in chronologischer Reihenfolge die Entwicklung Estellas zu Cruella de Vil. Estella kommt schon mit zweifarbigem Haarschopf auf die Welt: Es ist klar, sie anders. So ist dann auch unvermeidlich, dass sie als Außenseiterin in der Schule aneckt, sich mit Lehrer*innen und Mitschüler*innen anlegt. Und nicht zuletzt aufgrund ihrer Kleidung sticht Estella heraus: Ihre Schuluniform bearbeitet sie mit rotem Stift, fügt Sicherheitsnadeln, Anstecker hinzu, kurz sie findet eine ästhetische Formensprache für ihr rebellisches Naturell – Punk. Nachdem ihre Mutter ums Leben kommt, scheinbar ein Unfall, an dem sich Estella die Schuld gibt, verschlägt es das Mädchen nach London. Dort trifft sie auf Horace und Jasper, und zusammen bilden sie eine Bande von Waisen und zwei Hunden á la Oliver Twist, die sich auf Taschendiebstähle spezialisieren.

Ein Zeitsprung zur erwachsenen Estella, die ihr Talent für das Handwerk der Bande einsetzt. Doch dem Ruf ihrer wahren Bestimmung folgend hängt sie das Vagabundendasein an den Nagel und beginnt beim elegantesten Modestore in London, Liberty, zu arbeiten. Estella, gefrustet von der Ignoranz ihres Bosses, vergeht“ sich angetrunken an einem Schaufenster – und wird von der Baroness entdeckt. Estella verpuppt sich als Mitarbeiterin von Baroness Couture, im Verlauf derer Estellas Geltungsdrang überhandnimmt, sich ihr Genie“ (wie sie selbst sagt), Bahnen bricht. Der Modeshowdown zwischen den Design-Generationen – Cruellas Ästhetik eindeutig vom Mode-Enfant-Terrible Vivienne Westwood inspiriert – kündigt sich an, nach all den vergangenen Fashion Shows nutzt Kostümdesignerin Jenny Beavan (mehrfach Oscar-nominiert, für Mad Max: Fury Road prämiert) hier ihr ganzes Können.

Ein Soundtrack wie aus einer Jukebox der 1970er und 80er Jahre, Songs, die Kommentar und treibender Beat in einem sind; eine bewegliche Kamera, die Räume abtastet, Gänge hinuntergleitet; herrlich ausgestattete Sets, überall Stoff, Glanz, Glamour – und Dunkelheit: Spaß beim Zusehen am Anderssein soll hier vermittelt werden. Cruella präsentiert sich als der Versuch einer Mischung aus Leinwandbösewicht-Origin-Story – man denke an Todd PhilippsJoker und solchen, die dezidiert die So-Werdung weiblicher Charaktere, beispielsweise Cathy Yan’s exzellenter Film Birds of Prey, zum Thema machen. Craig Gillespie hat mit I, Tonya schon bewiesen, dass er es versteht, sich historischen, realen Frauenfiguren anzunehmen und sie in ihrer Komplexität zu zeigen.

Doch die Psychologisierung Cruellas mag nicht so recht gelingen: An vielen Stellen kommt der Film nicht über Küchenpsychologie und problematische Kurzformeln wie „Psycho“ hinaus. Man hat sich mehr Sensibilität gewünscht – auch weil die Emanzipation Cruellas am Ende doch nicht wie eine solche, sondern ihr So-Gewordensein doch als determiniert von äußeren Faktoren daherkommt. Gar als so geboren. Das ist schade, hätte doch der filmisch ansonsten wunderbar funktionierende Exzess auch für Cruella selbst eine gute Schablone sein können. So bleibt Disney hier dann doch ein wenig zu familienfreundlich. Letztlich bleibt auch durch die Zuspitzung auf den immer persönlicher werdenden Kampf zwischen den beiden Frauen dann leider zum einen die Motivationen von Nebenfiguren unterentwickelt, Mark Strong als John beispielsweise wirkt wie ein Abziebild seiner Rolle aus Kingsman: The Secret Service. Und Jasper (Joel Fry) und Horace (Paul Walter Hauser), die unglaublich viel Dynamik liefern, müssen letztendlich auch den bekannten, trotteligen Figuren aus den Vorgängerfilmen angepasst werden.

Stone als Cruella liefert einen unglaublich guten Monolog ab, in dem sie Dinge wie Must dash, much to revenge, avenge and destroy” sagt. Dieser, wie viele Szenen des gesamten Films, hat sicher das Potenzial zur Memefizierung. Doch genau da liegt auch die Krux: In vielerlei Hinsicht wirkt dieser Film aus gut funktionierenden Versatzstücken zusammengeschnitten, leider ergibt dies keine filmische Haute Couture. Populär-Kultur, ein Kostümfest geht auch mit Tiefgang. So entwickelt sich der Film selbst leider nicht zum Nachtfalter, sondern bleibt Kokon.

Cruella (2021)

Endlich wird das Geheimnis um die rebellischen Anfänge der berüchtigten Cruella de Vil gelüftet! London in den 1970er Jahren: Inmitten der Punkrock-Revolution versucht sich die clevere Trickbetrügerin Estella (Emma Stone) mit ihren kreativen Looks einen Namen zu machen. Gemeinsam mit zwei jungen Dieben als „Partner in Crime“ streift sie durch Londons Straßen, bis sie eines Tages durch ihre auffälligen Designs das Interesse der Baronin von Hellman (Emma Thompson) auf sich lenkt.

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Meinungen

MaXuS_07 · 09.04.2021

Ich finde Emma Stone als Cruella so unpassend!!! Sie passt einfach nicht in die Rolle!
Sie spielt sie (nach dem Trailer zu urteilen) einfach zu gespielt...zu aufgesetzt!
Es gäbe so viele bessere Schauspielerinnen, die viel besser in die Rolle passen...da wäre z.B. Helena Bonham Carter (meiner Meinung nach die beste Wahl), aber sooo viele mehr...
Emma Stone ist einfach zu schnell und zu sehr mit anderen Rollen verbunden....
Kurz gesagt, sie passt überhaupt nicht, absolut nicht !!!
Aber vielleicht wollte man auch nur eine jüngere Cruella - auf jeden Fall gibt es bessere oder zumindest passendere Schauspielerinnen.