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Nach rund vierzig Jahren in der Film- und Fernsehbranche wagt sich Schauspieler Moritz Bleibtreu an sein Debüt als Regisseur und Drehbuchautor. Kann er dem arg unterentwickelten deutschen Thriller-Kino mit „Cortex“ neuen Schub geben?

Cortex (2020)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Träumen für Fortgeschrittene

Nicht selten ziehen Kritiker skeptisch die Augenbrauen hoch, wenn Schauspieler auf den Regiestuhl wechseln. Und am Ende erweisen sich leider manche Ausflüge ins Inszenierungsfach als ideenlose Egotrips. Dass man mit seinem Misstrauen vorsichtig sein muss, demonstriert allerdings der Psychothriller „Cortex“, mit dem der deutsche Kinostar Moritz Bleibtreu als Regisseur und Drehbuchautor debütiert. Auch wenn in seinem ersten eigenen Film diverse cineastische Einflüsse ins Auge springen, hält das mit inhaltlichen und formalen Ambitionen daherkommende Vexierspiel die Spannung hoch.

 

Für seine Geschichte greift Bleibtreu auf ein im Horror- und Thriller-Genre beliebtes Motiv zurück: die enigmatische Welt der Träume, in der unbewusste Kräfte walten und für handfesten Schrecken sorgen können. Das Leben des in einem Supermarkt arbeitenden Sicherheitsmannes Hagen (verkörpert von Bleibtreu selbst) ist eine Qual, seitdem er unter ungemein lebhaften nächtlichen Albträumen leidet, die dafür sorgen, dass er auch tagsüber nur wenig Kraft hat und ständig in einen Dämmerzustand fällt. Ein Schlaflabor möchte er nicht konsultieren, da er im Gegensatz zu seiner beunruhigten Ehefrau Karoline (Nadja Uhl) trotz seiner angegriffenen Verfassung glaubt, dass irgendwie schon alles gut werde. Das Gegenteil tritt jedoch ein. Denn immer häufiger sieht er in seinen verwirrenden Träumen den jungen Kleinkriminellen Niko (Jannis Niewöhner), der in Schwierigkeiten steckt und offenbar eine Affäre mit Karoline begonnen hat.

Dass sich Bleibtreu bei der Arbeit an seinem Drehbuch von anderen Filmen und Regisseuren inspirieren ließ, ist unverkennbar. David Lynchs Psychorätsel Lost Highway kommt einem angesichts der Prämisse – zwei Männer, die auf mysteriöse Weise eng verbunden sind – als Erstes in den Sinn. Christopher Nolans Traumdieb-Blockbuster Inception wird an einer Stelle explizit erwähnt. Parallelen tun sich aber auch zu Nicolas Winding Refns weniger bekannter Thriller-Arbeit Fear X – Im Angesicht der Angst auf. Ebenso wie dort steht ein Security-Mann im Mittelpunkt, der sich auf eine unheimliche Erkenntnisreise begibt. Und noch dazu erinnern einige Außenaufnahmen von Hagens Haus an die Bilder eines Gebäudes aus dem Film des dänischen Regie-Enfant-terribles.

Bleibtreu bewegt sich im Umfeld ausgewiesener Meister des Grauens, schafft es mit seiner ständig zwischen Traum- und Wachwelt changierenden Handlung aber, auf eigenen Füßen zu stehen und das Publikum mit immer neuen Fragen zu drangsalieren: In welcher Beziehung stehen Hagen und Niko? Sind beide zwei Seiten einer einzigen Persönlichkeit? Was hat es mit dem eigenartigen Gangstertrio auf sich, das Niko auf die Pelle rückt? Ist Karolines Affäre real oder imaginiert? Und wie genau steht es um die Ehe von ihr und Hagen? Cortex fordert uns heraus, lädt zu einer wiederholten Sichtung ein und erzeugt dank der unzuverlässigen Erzählweise eine konstante Verunsicherung. 

Gelegentlich lädt der Regisseur und Autor seinen Film symbolisch vielleicht etwas zu stark auf. Ein wenig bemüht wirkt beispielsweise das mehrmalige Auftauchen eines Fuchses, der an Lars von Triers provokanten Schocker Antichrist denken lässt, in dem sich ein Paar nach einem Schicksalsschlag buchstäblich zerfleischt. Bleibtreus Ehrgeiz, ein anspruchsvolles, überraschendes Kinoerlebnis zu kreieren, ist dennoch aller Ehren wert und drückt sich erstaunlich souverän auch in der visuellen und akustischen Gestaltung aus. Die oft blaustichigen, zuweilen fragmentierten Einstellungen, das Spiel mit Schärfe und Unschärfe, der kluge Toneinsatz und die markante Songauswahl lassen eine entrückte Stimmung entstehen, die das Traumthema treffend spiegelt. Selten hat Hamburg auf der großen Leinwand so unheilschwanger ausgesehen.

Zu den Höhepunkten eines an starken Momenten nicht armen Psychothrillers zählt der schräge Kurzauftritt des charismatischen Österreichers Nicholas Ofczarek, der dem Geschehen als Traumfragen mit Leidenschaft erörternder Apotheker eine Extraportion Wahnsinn einimpft. Ob seine Erklärungen den Schlüssel zu den Geheimnissen des Plots liefern, muss jeder selbst für sich beantworten.

Cortex (2020)

Zwei Männer, zwei Leben, eine schicksalhafte Begegnung: Hagen (Moritz Bleibtreu) plagen unkontrollierte Schlafphasen, in denen er zwischen Traum und Realität nicht mehr unterscheiden kann. Die angeschlagene Beziehung zu seiner Frau Karoline (Nadja Uhl) leidet darunter mit jedem Tag mehr. Ihr Seitensprung mit dem Kleinkriminellen Niko (Jannis Niewöhner) setzt jedoch eine verstörende Verkettung der Geschehnisse in Gang, die das Leben beider Männer drastisch verändert. Ein nicht enden wollender Albtraum zwischen Wirklichkeit und Traum, der eine gnadenlose Spirale in Gang setzt …

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Meinungen

Adri · 21.11.2020

Ich finde den Film eigentlich noch recht gut geschnitten und gedreht. Er ist sehr düster aber auch super geschauspielert. Was ich aber nicht so gut fand, (kann an mir selber liegen) ich habe den Film überhaupt nicht gecheckt. Keine Ahnung was die Geschichte war. Weiss nur das er träumte, aber ich kann mir keine Geschichte draus ausmalen. Es ist sehr schwierig zu verstehen un was es wirklich ging. Ansonsten aber echt Klasse! :-)