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Kult-Regisseur Walter Hill will es nochmal wissen und legt mit einem beachtlichen Star-Ensemble einen Western der alten Schule vor. Durch die ordentlich inszenierte Action und die gute Chemie zwischen den Charakteren ist das durchweg unterhaltsam, bleibt dabei allerdings auch etwas mutlos.

Dead for A Dollar (2022)

Eine Filmkritik von Moritz Henze-Jurisch

Im Western nichts Neues

Walter Hill, seines Zeichens Regisseur von Klassikern des Actionkinos wie „Driver“ oder „The Warriors“, sagte in einem Interview einst, dass im Kern eigentlich alle seine Filme Western seien. Eine Aussage, die bei einem genaueren Blick auf Hills Schaffen schnell zu verstehen ist. So finden sich in seinen filmischen Beiträgen häufig eiserne „Professionals“ in den Hauptrollen: Männer, die am liebsten allein arbeiten, wenig reden und neben ihrer Berufung nichts im Leben haben. Die Parallele zum archetypischen Revolverhelden ist überdeutlich.

Für seinen neuesten Film Dead for a Dollar hat sich der inzwischen 80 Jahre alte Regisseur nun zum ersten Mal in seiner Karriere (seine Regiebeiträge zur Westernserie Deadwood nicht mitgezählt) für einen tatsächlich „reinen“ Western entschieden. Herausgekommen ist ein süffisantes und unterhaltsames Werk, das aber auch an der eigenen Ambitionslosigkeit krankt. Im Jahr 1897 erhält der Kopfgeldjäger Max Borlund (Christoph Waltz) den Auftrag, Rachel Kidd (Rachel Brosnahan), die Ehefrau des einflussreichen Geschäftsmannes Martin Kidd (Hamish Linklater), zu finden. Angeblich wurde sie von dem Schwarzen Soldaten Elijah Jones (Brandon Scott) entführt und befindet sich hinter der mexikanischen Grenze. Zur Unterstützung wird Max von Sergeant Alonzo Poe (Warren Burke) begleitet, der einst mit Elijah gut befreundet war und dessen Versteck kennt. Auf ihrer Suche merken beide Männer allerdings schnell, dass dieser Auftrag vielleicht doch nicht so klar ist und Rachel sich möglicherweise sogar freiwillig bei Elijah aufhält. Außerdem wäre da noch der Falschspieler Joe Cribbens (Willem Dafoe), den Max vor vielen Jahren ins Gefängnis brachte und der jetzt nach seiner Freilassung noch eine offene Rechnung mit ihm hat…

Kaum ein Genre wurde inzwischen so oft totgesagt wie der Western. Sollte dennoch hin und wieder mal ein neuer Beitrag dieses Filmgenres entstehen, geschieht dies nahezu immer durch den postmodernen Blick. So kreuzten Filme wie Django Unchained oder The Harder They Fall den Western mit dem Blaxploitation und reicherten ihn mit moderner Musik und einer ordentlichen Prise Ironie an. Andere Beispiele wie The Power of the Dog oder The Sisters Brothers setzten es sich zur Aufgabe, die mit dem Western verbundenen Männlichkeitsbilder zu dekonstruieren und den Mythos vom „starken Mann“ zu entzaubern. Das Bemerkenswerteste an Dead for a Dollar ist hingegen, dass der Film auf all jene Genre-intellektuellen Ansichten nahezu vollständig verzichtet, sich an sämtlichen Klischees bedient und diese ganz ohne Hintergedanken genüsslich durchkaut.

Der größte filmische Referenzpunkt für Dead for a Dollar ist mit Sicherheit der Italowestern, der in den 60er Jahren allerdings auch schon eine Form der Dekonstruktion des Western darstellte, indem er den strahlenden Helden durch einen weniger noblen Antihelden ersetzte. Christoph Waltz gibt uns in Dead for a Dollar genau so einen Antihelden. Als Kopfgeldjäger ist er zu Beginn des Films ausschließlich an den harten Dollars interessiert und schert sich wenig um Zwischenmenschliches. Dabei spielt Waltz diese Figur mit seiner gewohnten süffisanten Art, als ob er stets allen und jedem überlegen wäre. Im Vergleich zu seiner Oscar-prämierten Darstellung aus Django Unchained bleibt Waltz hier aber weniger klamaukig und etwas ernsthafter, was aber gut zur Geradlinigkeit des Films passt. Generell kann man bei allen Darstellenden des Films eine gewisse Spiellaune feststellen: Man merkt allen Beteiligten an, dass sie bei den Dreharbeiten des Films viel Spaß haben mussten, was sich durchaus auch auf den Zuschauenden überträgt. Wirklich in die Tiefe geht dabei aber keine Figur. Rachel Brosnahan schafft es, in ihrer Figur gelegentlich einen Hauch von Tragik aufblitzen zu lassen. Dieser Funke an Emotionalität ist im Grunde aber auch egal, da die meisten Probleme eh mit dem Revolver gelöst werden. Etwas merkwürdig erscheint die Figur von Willem Dafoe, die zu Beginn des Films neben Waltz als zweite Hauptfigur etabliert, danach aber für lange Zeit aus der Haupthandlung entfernt wird und erst zum bleihaltigen Finale wieder auf Waltz und Co. trifft. Das ist insofern schade, da Waltz und Dafoe gut miteinander harmonieren, aber da beide nur wenige gemeinsame Szenen haben, mangelt es dieser vielversprechenden Figurenbeziehung an Inhalt.

Diese mangelnde Tiefe steht sinnbildlich für Film. So wird in der Handlung zwar thematisiert, dass zwei der Protagonisten Schwarz sind, der Film belässt es aber mit der bloßen Erwähnung dieses Themas, ohne damit inhaltlich etwas wirklich Relevantes zu machen. Auch die generellen Beziehungen bleiben recht oberflächlich. So hat man auf der Seite der „Guten“ immer das Gefühl, dass sich doch eigentlich alle mögen, selbst wenn man sich dann doch gelegentlich betrügt oder hintergeht. Im krassen Kontrast sind die Schurken des Films wiederum schon fast comichaft bösartig (kennt man so auch aus diversen Italowestern). Aber wenn man nicht in die Tiefe geht, dann geht man eben in die Breite, und welches Genre eignet sich hierfür besser als der Western? Und so liefert Dead for a Dollar einige sehr imposante Landschafts- und Gesichtsaufnahmen.

Sowieso ist Dead for a Dollar vor allem ein Film über das Abwarten und das Beobachten. Einen erheblichen Teil der Laufzeit verbringen wir mit den Figuren, wie sie selbst beobachten und abwägen, was die Gegenseite gerade plant. Nicht untypisch für Walter Hill, setzt er Actionsequenzen nur reduziert, aber dafür sehr pointiert ein. Das große Geballer hebt sich der Film dann auch konsequenterweise bis zum Schluss auf, kommt anschließend zügig zum Schluss und bleibt seiner Geradlinigkeit treu. Dead for a Dollar ist somit ein durchaus ordentlicher Western geworden. Alle Beteiligten geben sich äußerst routiniert und solide. Wirkliche Wagnisse geht der Film dabei allerdings nicht ein, und gesehen hat man all das auch schon mal woanders. Es bleibt ein wenig die Hoffnung zurück, Walter Hill möge seine Regiekarriere mit einem etwas ambitionierteren Werk beenden.

Dead for A Dollar (2022)

An der Grenze zu Mexiko wird der Kopfgeldjäger Max Borlund 1897 vom Geschäftsmann Nathan Price aus Santa Fe beauftragt, dessen Ehefrau Rachel Price ausfindig zu machen und zurückzubringen. Rachel ist eine fortschrittliche junge Frau, sie soll vom Deserteur Elijah Jones entführt und nach Mexiko verschleppt worden sein. Dort soll er sie festhalten um Lösegeld zu erpressen.

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