Zardoz (1974)

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Trau keinem Gott!

Zu den interessantesten Science-Fiction-Filmen der 1970er Jahre zählt John Boormans Zardoz, der in eine Zeit der kritischen Utopien im Kino fiel. Im Gegensatz zum Überlebenskampf des Individuums in diktatorischen Überwachungsgesellschaften wie in THX 1138 oder Geburten verboten aus dieser Dekade, entwarf der Brite eine Religionssatire, in der sich die Errungenschaften der Technologie in ihr Gegenteil verkehren. Seinerzeit fiel das schräge Zukunftsdrama bei Publikum und Kritik weitgehend durch. Dank einer Laufbahn in Repertoirekinos und später auf elektronischen Medien entwickelte sich das Werk, das Boorman selbst als zu obskur, komplex und philosophisch einstufte, zum Kultfilm. Daher gehört Zardoz zu jenen Filmen, die dem Verleih 20thCentury Fox für eine Restaurierung lohnenswert erschienen.

Im Zusatzmaterial der neuen Edition wird allerdings nicht erwähnt, dass Boorman ursprünglich vergeblich versuchte, Herr der Ringe zu adaptieren. Nach dem Erfolg von Beim Sterben ist jeder der Erste (Deliverance) sah er sich selbst in der Lage, ein schwieriges Projekt wie diese Reflektion über alternative Gesellschaftsformen zu realisieren. Trotzdem rannten ihm die Studios nicht gerade die Tür ein. Nach der Beteiligung der Fox fiel Deliverance-Akteur Burt Reynolds aus, der erneut für die Hauptrolle vorgesehen war. Boorman hatte das Glück, dass Sean Connery, mit dem ihn bis heute eine Freundschaft verbindet, nach seiner James Bond-Phase nicht allzu gefragt war, weshalb er ihn für eine überschaubare Gage engagieren konnte.

Nach einer zerstörerischen Epoche besteht die Erde im Jahr 2293 aus zwei Lebensschichten. In der Welt des Vortex residiert eine dekadente Gesellschaft, der es gelang, Tod und Sexualität zu überwinden. In der durch einen Ring abgeschirmten Außenwelt leben die „Brutalen“, wobei ihre zerschundenen Maßanzüge von ihrer untergegangenen Zivilisation künden. Gejagt und getötet werden sie durch ausbeuterische „Exterminatoren“. Mittels des angeblichen Gottes Zardoz kontrollieren die „Ewigen“ die „Brutalen“. Hinter dem fliegenden Kopf steckt Puppenspieler Arthur Frayn (Niall Buggy), der den berittenen Kriegern regelmäßig Waffen liefert.

Als zielstrebiger und intelligenter als der Rest erweist sich „Exterminator“ Zed (Sean Connery), dem es gelingt, sich im Inneren des steinernen Flugschiffes zu verstecken und Frayn auszuschalten. Dank automatischer Steuerung landet der ehemalige Sklaventreiber im Vortex, wo er festgenommen wird. Es entbrennt eine heftige Diskussion darüber, wie man mit dem Eindringling verfahren solle. Während die Chefideologin Consuella (Charlotte Rampling) dafür plädiert, das „Biest“ zu töten, zeigen sich die Genetikerin May (Sara Kestelman) und ein Teil der „Ewigen“ fasziniert von dessen ungestümer Maskulinität. Da alle Männer längst impotent sind, soll Zed für den Fortbestand der Rasse sorgen. Abseits vegetiert noch eine weitere, apathische Schicht, da Altern als Strafe eingesetzt wird, wovon Zeds Gastgeber, der zynische „Freund“ (John Alderton), nicht verschont bleibt.

Gerade einige der überdrehten männlichen Rollen wie der „Freund“ oder der Puppenspieler wirken wie aus einer zeitgenössischen Monty Python-Produktion entsprungen. Leider überwiegen unfreiwillig komische Sequenzen wie Consuellas Sexualkunde gegenüber den satirischen und bizarren Elementen (etwa Sean Connerys Cross-dressing im Brautkleid). Boorman verzichtet auf eine Identifikationsfigur (Zeds Motive bleiben lange rätselhaft) und löst zahlreiche angeschnittene Fragen nicht auf. Was es mit den eingeschweißten, nackten Körpern in Frayns Luftschiff auf sich hat, wird etwa nie geklärt.

Im Audiokommentar gesteht Boorman selbst, dass der später hinzugefügte Prolog mit Arthur Frayns schwebendem Kopf samt einer alles relativierenden Ansprache nicht funktioniert. Zudem gibt dieser Anfang schon die spätere Enthüllung des falschen Gottes preis. Dass sich das Wort „Zardoz“ aus wiZARD of OZ zusammensetzt, in welchem die Massen ebenfalls durch eine vermeintliche Himmelsmacht manipuliert werden, kann dann nicht mehr überraschen.

Wie zuvor in Deliverance und weiteren Werken kontrastiert Boorman Zivilisation mit Barbarei, wobei die Frage aufkommt, wer hier die wahren Monster sind, da die unsterblichen Paradieskinder schnell ihre Schattenseiten erkennen lassen. Seine Science-Fiction-Fabel reißt noch weitere Themen wie Religionskritik (Kontrolle durch falsche Götter), die negativen Auswirkungen von Technologie und Kolonisation an. In Zardoz’ Parole „The gun is good, the penis is evil“ offenbart sich eine Umkehrung und Parodie der Make Love, not War-Stimmung der damaligen Hippie-Ära.

Zu den Stärken gehört der für eine Mainstream-Produktion überraschend exaltierte Bilderstrom, der Boorman danach in Der Exorzist 2: Der Ketzer schon eher aus dem Ruder lief. Angesichts des überschaubaren Budgets können die Spezialeffekte auch heute noch überzeugen. Besonders Zeds Kampf gegen den Supercomputer Tabernakel entfesselt einen surrealen Bilderrausch. Man erkennt hier sowohl Elemente aus Orson Welles Die Lady aus Shanghai (der Schusswechsel im Spiegelkabinett) als auch aus Lemmy Caution gegen Alpha 60 (die Konfrontation mit einem alles beherrschenden Supercomputer, dessen Zerstörung in Chaos und Erlösung mündet).

Daher verdient Zardoz durchaus seinen Kultstatus und eine erweiterte Neuedition. Neben den von der DVD vertrauten Extras (einem Audiokommentar, einer Bildergalerie und Radiospots) enthält das Blu-ray-Steelbook neun ausführliche Interviews mit Beteiligten zumeist hinter der Kamera. Neben Boorman kommen etwa Darstellerin Sara Kestelman oder Kameramann Peter McDonald (dem späteren Regisseur von Rambo 3) zu Wort. Man erfährt viele Hintergrundinformationen, etwa über Boormans Farbdramaturgie oder die amüsante Anekdote, dass eine kommunistische Zeitung vermutete, bei dem fliegenden, bärtigen Kopf handele es sich um eine Karl-Marx-Karikatur. In Wahrheit ließ ihn Boorman nach seinem eigenen Antlitz modellieren.
 

Zardoz (1974)

Zu den interessantesten Science-Fiction-Filmen der 1970er Jahre zählt John Boormans „Zardoz“, der in eine Zeit der kritischen Utopien im Kino fiel. Im Gegensatz zum Überlebenskampf des Individuums in diktatorischen Überwachungsgesellschaften wie in „THX 1138“ oder „Geburten verboten“ aus dieser Dekade, entwarf der Brite eine Religionssatire, in der sich die Errungenschaften der Technologie in ihr Gegenteil verkehren.

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