The Calling - Ruf des Bösen (2014)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Blut und Schnee, Glaube und Schmerz

Eine unerwartete Bluttat in einem verschneiten Provinznest, untersucht von einem weiblichen Sheriff – das lässt natürlich unweigerlich an Fargo denken. Die Romanadaption The Calling – Ruf des Bösen kommt mit den Summanden Kleinstadt + Kälte + Mord + Ermittlerin allerdings zu einem ganz anderen, gleichwohl ebenfalls reizvollen Ergebnis. Der von Jason Stone atmosphärisch-düster in Szene gesetzte Thriller läuft nicht auf schwarzen Humor und Absurdität hinaus, wie dies bei den Coen-Brüdern der Fall war, sondern verdichtet sich zum Seelendrama, das dank einer exzellenten Hauptdarstellerin für sich einnimmt.
Detective Hazel Micallef (Susan Sarandon) lebt mit ihrer Mutter Emily (Ellen Burstyn) in einem tristen kanadischen Vorort. Ihre Arbeit ist eintönig – bis ein bizarrer Mord an einer älteren Frau geschieht. Bald müssen Hazel und ihre Kollegen erkennen, dass ein Serientäter dafür verantwortlich ist, dessen Motivation auf frühchristlichen Mystizismus zurückzugehen scheint. Gemeinsam mit dem jungen Polizisten Ben Wingate (Topher Grace) kommt Hazel dem enigmatischen Heiler Simon (Christopher Heyerdahl) auf die Spur.

The Calling ist kein Krimi nach Whodunit-Prinzip (da die Wer-war’s?-Frage frühzeitig beantwortet wird) und auch kein reißerisches Serial-Killer-Movie, das auf Schock und Ekel setzt. Vielmehr geht es hier um die Erzeugung eines wachsenden Unbehagens – und um vielschichtige, ambivalente Charaktere. Das Drehbuch von Scott Abramovitch (welches auf dem Inger-Ash-Wolfe-Werk Todesgebet basiert) liefert Figuren mit großem Potenzial, das in der Umsetzung erfreulicherweise voll ausgeschöpft wird. Die eigenbrötlerische Protagonistin, die den Tag nur mit Schmerzmitteln und Alkoholika zu bewältigen weiß, ist eine gebrochene Heldin, die im Laufe der Handlung Fehler begeht und deren Benehmen nicht selten ein gewisses Feingefühl vermissen lässt. Die großartige Susan Sarandon bringt die Verdrossenheit und Müdigkeit, die Verschrobenheit sowie den leichten Zynismus Hazels vielfältig zum Ausdruck; seit jeher ist sie eine Mimin, bei deren Spiel sich ein genaues Beobachten lohnt. Überdies kommt es hier in der Interaktion zwischen Sarandon und ihren Co-Stars immer wieder zu spannungsreichen Passagen: Die Mutter-Tochter-Dynamik zwischen Emily und Hazel ist ebenso interessant wie die Beziehung zwischen Hazel und dem (über-)eifrigen Jungspund Ben, der von Topher Grace linkisch-sympathisch interpretiert wird. Zu den intensivsten Momenten zählt indes einerseits ein Gespräch zwischen der atheistischen Ermittlerin und einem von Donald Sutherland verkörperten Priester, in welchem Hazel von *blindem* Glauben, der Geistliche hingegen von *tiefem* Glauben spricht (und einem als Zuschauer die Wahl bleibt, wessen Sicht man letztlich teilen möchte), und zum anderen die finale Konfrontation zwischen Hazel und Simon, in welcher statt Action und Psychopathie erstaunlicherweise Tragik und Komplexität geboten werden.

The Calling erzählt von dem Versuch einer Heilung, von dem Streben nach Reinheit, von Verlust und erhoffter Wiederkehr. Der Film zeigt Menschen, die Schaden genommen haben und nun eine zweite, eine letzte Chance ersehnen. Er ist heftig, ohne übertrieben drastisch sein zu müssen – und er vollzieht eine Schlusswendung hin zum (möglicherweise) Übersinnlichen, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. In Kombination mit einem Ensemble, das hervorragende Leistungen vollbringt, erweist sich Stones Adaption als echte Entdeckung.

The Calling - Ruf des Bösen (2014)

Eine unerwartete Bluttat in einem verschneiten Provinznest, untersucht von einem weiblichen Sheriff – das lässt natürlich unweigerlich an „Fargo“ denken. Die Romanadaption „The Calling – Ruf des Bösen“ kommt mit den Summanden Kleinstadt + Kälte + Mord + Ermittlerin allerdings zu einem ganz anderen, gleichwohl ebenfalls reizvollen Ergebnis.
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