Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Einsamer Wolf sucht Erlösung

Bevor Liam Neeson Anfang 2015 als Action-Allzweckwaffe im dritten Teil der 96 Hours-Reihe wieder gehörig Dampf ablassen darf, beweist er in Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones (ein Hoch auf die unsinnige deutsche Titelgebung!), dass er nach wie vor auch leisere Töne anschlagen kann. Zu sehen ist der kantige Mime hier als Privatdetektiv Matthew Scudder, den US-Krimiautor Lawrence Block in den 1970er Jahren erdachte und bislang in siebzehn Romanen und einer Kurzgeschichtensammlung auf seine Leserschaft losließ. Nachdem Hal Ashby die Figur bereits 1986 in 8 Millionen Wege zu sterben auf die Leinwand brachte, hat sich nun Regisseur und Drehbuchautor Scott Frank (Die Regeln der Gewalt) ihrer angenommen. Wohl auch mit dem Ziel, eine neue Ermittlerreihe im Kino zu etablieren. Ob es wirklich dazu kommt, wird der Erfolg der grimmigen Serienkillergeschichte zeigen.

Die Adaption des zehnten Matthew-Scudder-Bandes setzt im Jahr 1991 ein und konfrontiert den Zuschauer mit einem alkoholabhängigen Protagonisten, noch in Diensten der New Yorker Polizei, der angetrunken in einen Schusswechsel mit Kriminellen gerät und dabei versehentlich ein unschuldiges Mädchen tötet. Das Ende seiner Karriere als Cop und der Beginn einer harten Leidenszeit, die ihn geradewegs zu den Anonymen Alkoholikern führt. Acht Jahre später ist Scudder trocken und arbeitet inzwischen als Privatdetektiv ohne Lizenz. Zwielichtige Fälle sind sein Spezialgebiet, weshalb er eines Tages vom Junkie Peter (Boyd Holbrook) mit dessen Bruder Kenny (Dan Stevens) bekannt gemacht wird. Der wohlhabende Drogenhändler will Scudder beauftragen, die Männer zu finden, die seine Frau entführt, vergewaltigt und trotz Lösegeldzahlung grausam ermordet haben. Nach anfänglichen Zweifeln – immerhin sinnt Kenny auf Rache – willigt der Ex-Polizist ein und stößt schon bald auf eine erste Spur. Mit Hilfe des obdachlosen Teenagers TJ (Brian „Astro“ Bradley), dem Scudder in einer Bibliothek begegnet, erkennt er, dass es bereits mehrere Verbrechen nach ähnlichem Muster gab.

Ein gebrochener Ermittler, der lange Zeit dem Alkohol verfallen war, sich mit dubiosen Gestalten umgibt, im Grunde aber nur nach Vergebung für seine früheren Verfehlungen sucht – vieles an diesem Mann weist direkt zurück auf die amerikanische Hardboiled-Literatur und den davon beeinflussten Film Noir. Scudder erscheint wie aus der Zeit gefallen. Wie ein Relikt, das klassischen Detektivfiguren nachempfunden ist (nicht umsonst fallen wiederholt die Namen Philip Marlowe und Sam Spade). Ein einsamer Wolf, der durch eine verkommene Welt zieht, eine Stadt, die ihre Unschuld längst verloren hat. Das Bild, das der Film evoziert, mag durch und durch archetypisch sein, bekommt in Neesons nuancierter Darstellung allerdings eine zutiefst ergreifende Note. Seine körperliche Präsenz, sein imposantes Erscheinungsbild kontrastieren mit einem bedächtig-zurückgenommenem Auftreten, das sich aus dem Schrecken der Vergangenheit speist. Scudder redet, hakt nach und versucht, zu überzeugen, mit Nachdruck, aber ohne Gewalt, wenigstens bis zum Showdown, der dann doch eine blutige Eskalation bereithält.

Rund um seinen niedergeschlagenen Antihelden beschwört Scott Frank eine unheilvoll-bedrückende Stimmung herauf. In farblich entsättigten Bildern, die das winterliche New York von seiner hässlichen Seite zeigen: unwirtliche Schauplätze wie einen alten Friedhof und ranzige, zugemüllte Häuser, die seit Ewigkeiten leer stehen. Zudem spielt die Handlung – anders als in der Romanvorlage – kurz vor Beginn des neuen Millenniums, einer Zeit also, die von hysterischen Angstfantasien geprägt war, was im Film hier und da – vielleicht etwas plakativ – zur Sprache kommt. Als Gegenpol zur allumfassenden Verkommenheit dient einzig und allein die aufkeimende Freundschaft zwischen dem Privatdetektiv und TJ, die allerdings nicht vollends überzeugen kann. Was sicher auch an der etwas widersprüchlichen Zeichnung des gewitzten Straßenjungen liegt, dem gegen Ende fast nur noch eine funktionelle Rolle zukommt.

Der eigentliche Serienkiller-Plot, der nicht als Whodunit angelegt ist, sondern ab einem gewissen Punkt offen mit dem Mehrwissen des Zuschauers um die Identität der Killer spielt, schafft es insgesamt zu selten, bedingungslosen Nervenkitzel zu erzeugen. Da wir mehrfach Einblick in das Treiben der beiden Täter erhalten, sind die meisten Entwicklungen recht vorhersehbar, weshalb der Film schließlich nur noch auf eine drängende Frage hinausläuft. Der Weg zum Ziel (also Scudders Ermittlung) gestaltet sich, verglichen mit manch anderem Thriller-Beitrag, häufig allzu reibungslos. Überraschende Wendungen, wie sie im Gespräch mit dem zwielichtigen Friedhofswärter Loogan (Ólafur Darri Ólafsson) anzutreffen sind, hätte die Romanadaption des Öfteren vertragen können. Ebenso einen stringenteren, weniger überkonstruierten Schlussakkord. Was das Frauenbild betrifft, bedient Scott Frank leider die üblichen Genre-Fantasien, wonach weibliche Figuren in erster Linie als wehrlose Opfer taugen.

Ungeachtet dieser erzählerischen Schwächen könnte sich eine Rückkehr Neesons in der Rolle des gebrandmarkten Privatdetektivs dennoch lohnen. Genug Charisma haben Protagonist und Hauptdarsteller allemal.
 

Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones (2014)

Bevor Liam Neeson Anfang 2015 als Action-Allzweckwaffe im dritten Teil der „96 Hours“-Reihe wieder gehörig Dampf ablassen darf, beweist er in „Ruhet in Frieden – A Walk among the Tombstones“ (ein Hoch auf die unsinnige deutsche Titelgebung!), dass er nach wie vor auch leisere Töne anschlagen kann.

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