Log Line

Vom Bücherregal ins Kino: Stefan Westerwelle hat sich Salah Naouras Roman Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums angenommen und erzählt von Wahrheit, Lügen und dem Versuch, alles wieder hinzubiegen. 

Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Listig-lustiges Lügengespinst

Der deutschsprachige Kinderfilm bleibt seiner Erfolgsformel treu, lieber auf bereits erprobte denn auf originäre Stoffe zurückzugreifen. Und da die Vorlage des Berliner Autors Salah Naoura dieses Mal zu großen Teilen in Finnland spielt, hat sich Produzent Philipp Budweg mit seinem Kollegen Jussi Rantamäki zusammengetan und mit einem internationalen Team in Hamburg, Erfurt und im westfinnischen Kokkola gedreht.

Los geht’s an einem See im hohen Norden. Der 10-jährige Matti (Mikke Rasch) hat sich einen lang gehegten Traum erfüllt und ist zum allerersten Mal nach Finnland gefahren. Gemeinsam mit den Eltern (Sabine Timoteo, Tommi Korpela) und seinem 5-jährigen Bruder Sami (Nick Holaschke) macht er Urlaub in der Kleinstadt Kokkola, der Heimat seines Vaters. Der strahlend blaue Himmel hängt voll wattiger Wolken. Das durchs Schilf gefilmte Wasser ist ruhig, doch in den Blicken aller Beteiligten tobt ein Sturm. Während uns Matti aus dem Off erzählt, dass nun endlich alles perfekt sei, sprechen die Bilder eine andere Sprache.

Die Reise an den Bottnischen Meerbusen ist das Ergebnis eines listigen wie lustigen Lügengespinsts, das der Film in einer langen Rückblende entwirrt. In leuchtenden Farben erzählen Regisseur Stefan Westerwelle und sein Ko-Drehbuchautor Ingo Schünemann die Geschichte eines Jungen, der sich zum ersten Mal im Leben mit Wahrheit und Lüge auseinandersetzen muss. Harmlose Scherze und Flunkereien der Erwachsenen bringen die heile Welt des Kindes ins Wanken.

Doch weil nicht sein kann, was nicht sein darf, macht sich Matti unter Mithilfe seines besten Freundes Turo (Bendix Hansen) und des unbedarften Sami auf, alle Ungerechtigkeiten des Universums durch den Gewinn eines Sommerhauses in Finnland zu korrigieren. Dafür müssen Matti & Co. allerdings selbst tief in die Lügenkiste greifen. Timo Hietalas dezent, aber etwas zu beharrlich eingesetzte Musik treibt sie, mal mit Streichern, mal mit Klavier, mal mit Xylofon, meist mit Gitarre und Percussion voran.

Mit Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums gelingt Westerwelle ein Kinderfilm auf Augenhöhe. Julia Daschner begibt sich mit ihrer Kamera nicht nur auf die Position der kleinen Protagonisten, wie schon Salah Naouras Vorlage nimmt auch die Adaption deren Probleme ernst. Verspielt und gewitzt macht Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums auch den großen Zuschauern verständlich, wie schnell kleine Banalitäten in der überschaubaren Welt eines 10-Jährigen, vor allem aber in dessen immenser Vorstellungskraft existenzielle Bedeutung erlangen können. Als Mittler zwischen der Erwachsenen- und der Kinderwelt dient Mattis Onkel Kurt (Roy Peter Link), der als Taxifahrer den Seelsorger gibt und Matti über die unzähligen Facetten zwischen dem Richtigen und dem Falschen aufklärt. Und weil Mattis Plan mit ziemlich viel Hin und Her für einen Kinderfilm recht komplex ausfällt, bleibt uns der 10-Jährige bis zum Schluss als ordnender Erzähler erhalten.

Matti und Sami erzählt aber noch etwas anderes. Weil die Eltern beruflich wie privat im Dauerstress sind, ist Matti früh zur Verantwortung gezwungen, etwa sich um seinen jüngeren Bruder zu kümmern. Sein kindlich-naiver Glaube, mit einem Glücksspielgewinn die familiären Risse alle auf einmal und ein für alle Mal zu kitten, ist der traurige Subtext, der unter all den heiteren Episoden mitschwingt. Es ist aller Ehren wert, ein so ernstes Thema wie eine Ehekrise in einen Kinderfilm einzubauen. Hier funktioniert Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums allerdings nie richtig, weil unter dem gewollten Happy End die Handlungslogik stets ein wenig zu sehr leidet.

Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums (2018)

Basierend auf dem Buch von Salah Naoura erzählt der Film von Matti, der versucht, das Unglück seiner Familie mit einer Lüge wieder geradezubiegen. Also erfindet der Junge einen Lottogewinn und bricht mit seinen Eltern und seinem Bruder Sami nach Finnland auf, wo Mattis Vaters Sulo herstammt. Doch da beginnt das Unglück erst so richtig über die Familie hereinzubrechen — und jetzt muss ein handfester Wunder her …

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen