Lose Your Head

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Tanz der Realitäten

Man kann in der globalen Partyhauptstadt Berlin schon einmal den Kopf verlieren. Schließlich geht es ja vielen der Feierwütigen genau darum – die Sorgen und Nöte des Alltags hinter sich zu lassen und dort in Berlin durch die Nächte tanzen und sich die Lichter ausschießen, bis man wieder genug Kraft gefunden hat für eine Rückkehr in den tristen Alltag. Genau von solch einem Partytouristen erzählen Stefan Westerwelle (Solange du hier bist, Detlef – 60 Jahre schwul) und Patrick Schuckmann in Lose Your Head, wobei sie aber der Geschichte in deren Verlauf eine ganz andere Richtung geben. Und die ist von der Realität gar nicht mal so weit entfernt, schließlich verschwand im Jahre 2009 der Portugiese Alfonso Tiago spurlos in der deutschen Hauptstadt. Als sein Leichnam später aus der Spree geborgen wurde, gab es schnell wilde Spekulationen über die Ursachen seines Todes, die aber sehr wahrscheinlich jeder Grundlage entbehren. Dennoch stieß diese Geschichte etwas an in vielen Menschen, weil das Gefühl des Verlorengehens vielen Feierwütigen nicht unbekannt sein dürfte.
Im Mittelpunkt steht der junge Spanier Luis (Fernando Tielve, bekannt aus Devil’s Backbone und Goyas Geister), der nach Schwierigkeiten in seiner Beziehung mit einem Architekten in Berlin landet, um dort zu vergessen, was hinter ihm liegt. Schnell gerät er in die Techno- und Clubszene der Stadt und lernt dort den Ukrainer Victor (Marko Mandic) kennen und lieben. Dieser allerdings scheint ein Geheimnis zu haben – und das hängt zusammen mit dem verschwundenen Griechen Dimitri (Jan Amazigh Sid), der große Ähnlichkeit mit dem jungen Spanier hat. Dessen Schwester Elena (Sesede Terzyian), der Luis zufällig begegnet, während sie Plakate mit dem Konterfei von Dimitri aufhängt, bringt die ganze Sache schließlich ins Rollen – immer mysteriöser werden die Verstrickungen, bis Luis langsam selbst nicht mehr weiß, wer er eigentlich ist und wo ihm der Kopf steht, den er zu verlieren droht.

Man könnte den Titel von Lose Your Head durchaus nicht nur auf Luis beziehen, sondern in ähnlicher Weise auch auf den Zuschauer,. Wähnt der sich anfangs in einem fast schon dokumentarischen und trendmäßig sicher auf der Höhe der Zeit anmutenden Film über den Feiertourismus an der Spree und das Lebensgefühl der Party People, lassen die beiden Regisseure die Stimmung und Tonalität mit der Zeit umkippen in Richtung vertrackter Thriller. Statt realistischen Impressionen schleichen sich Ahnungen und Indizien, Misstrauen und Paranoia ein und werfen düstere schatten auf die Beziehung zwischen Luis und Viktor, Denn es scheint jlar zu sein, dass letzterer mehr über Dimitris Verschwinden weiß, als er zugeben mag. Oder sind es vielleicht die Drogen, die bei den Party eine wichtige Rolle spielen, die für die Realitätsverschiebungen und -überlagerungen verantwortlich sind?

Geschickt verstehen es die beiden Filmemacher, die Spannungsschraube auch dank der dichten Atmosphäre, die sie kreieren, immer weiter anzuziehen, wobei die hektischen Digitalkamera-Bilder einen wohltuenden Kontrast zu gängigen Thriller-Konventionen bieten. Leider kann das überraschende Ende die Erwartungen, die der Film zuvor gekonnt aufgebaut hat, nicht ganz erfüllen.

Dennoch ist dieser Blick auf die Berliner Partyszene immerhin als mutiger Versuch zu werten, Genregrenzen aufzubrechen und zu überschreiten. Zugegeben: Nicht immer gelingt dieser Balanceakt souverän, aber man spürt das Potenzial, das in Stoffen wie diesen schlummert.

Lose Your Head

Man kann in der globalen Partyhauptstadt Berlin schon einmal den Kopf verlieren. Schließlich geht es ja vielen der Feierwütigen genau darum – die Sorgen und Nöte des Alltags hinter sich zu lassen und dort in Berlin durch die Nächte tanzen und sich die Lichter ausschießen, bis man wieder genug Kraft gefunden hat für eine Rückkehr in den tristen Alltag.
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Meinungen

Cristiano · 12.10.2013

Vielleicht kann mir die/der cineastische Fachfrau/mann helfen, ob man diesem Film künsterische Qualitäten zubilligen kann .... ich fand ihn vom dramaturgischen Gesichtspunkt katastrophal: 90min Filmgeschehen mit etwas zu füllen, was sich im Nachhinein als eine halluzinatorische Fiktion des Protagonisten erweist, die keine logische Erklärung für sein finales Verschwinden liefert u. zudem von Figuren bevölkert wird, die er erst im Anschluß an diesen Trip kennenlernt .... [Können Trips komplexe erzählerische Strukturen entfalten? (-; Hatte noch keinen .... ] Wie auch immer .... die erotische Dimension war interessant, eine Beziehung zwischen (Todes-)Angst, Anziehung, körperlicher Über-/Unterlegenheit, Gewalt .... ein hübscher nackter Spanier ..... aber die Längen im ersten Drittel u. die fehlende Differenzierung von "Faktizität" u. "Trip" machen den Film nicht wirklich sehens- oder empfehlenswert.

KinoStar · 09.02.2013

Super Film!