Loving Pia (2017)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Rührend

Pia Skovgaard (als Pia) und Jens Jensen (als der Mann) sind ein ungewöhnliches Leinwandpaar. Sie entsprechen – beide für sich – nicht gerade dem, was gemeinhin als „normal“ bezeichnet wird.

Die 60-jährige Pia ist mental eingeschränkt und wohnt zusammen mit ihrer fürsorglichen, jedoch bereits über 80-jährigen Mutter in einer dänischen Landhausidylle auf der Insel Langeland. Umgeben von prächtiger Natur, oft miesem Wetter und wortkargen Mitmenschen lebt Pia eher in den Tag hinein als mit ihm. Zwischendurch träumt sie sich in die Arme von Männern hinein, zum Beispiel in die von einem José aus Frankreich, den sie aus dem Fernsehen kennt und mit dem sie zusammen unbedingt einmal Hagebuttensaft trinken möchte. Denn die reale, körperliche Liebe zwischen zwei Menschen kennt sie nicht. Liebe ist in ihren Augen vor allem ein rein romantisches Gefühl, im Grunde ein sehr einfaches Glücksserum, das kommt und geht wie es selbst mag.

Daneben ist viel zu viel Alltagsroutine: Regelmäßig wird sie beispielsweise mit dem Bus in eine heilpädagogische Einrichtung gefahren, wo sie gerne zu Euro-Dance-Brummern mit den Hüften wackelt, aber im Grunde ist sie doch am liebsten zu Hause bei ihrer Mutter (auch im realen Leben: Céline Skovgaard) und ihrer Gans Lola, um die sie sich meistens aufmerksam kümmert. Daneben liest sie sich in einer Fantasiesprache gerne selbst laut vor oder macht ihre täglichen Gymnastikübungen, zu denen sie ebenfalls ein ganz eigenes Zählsystem („10 – 20 – 40 – 70“) entwickelt hat. Überhaupt hat sie, so scheint es von Beginn an, einen autistischen Zahlen-Tick und keine echten Freunde, mit denen sie ihre Gedanken, Wünsche und Träume wirklich teilen könnte.

Dann trifft sie eines Tages am Hafenbecken bei einem ihrer Spaziergänge auf Jens, der dort gerade an seinem Fischerboot rumbastelt: Es ist Liebe auf den ersten Blick, das spürt man sofort. Während daheim die Gespräche zwischen Mutter und Tochter immer weiter Richtung Zukunft bzw. Abschied kreisen („Wer soll sich einmal um dich kümmern, wenn ich nicht mehr da bin?“), verspricht diese unerwartete Begegnung mit Jens, dieser liebenswert tapsigen Bärengestalt, die jederzeit aus einem Aki-Kaurismäki-Film stammen könnte, endlich so etwas wie Abwechslung im weitgehend monotonen Alltag Pias. Kurz darauf fasst sie sich ein Herz und macht zusammen mit Jens einen Ausflug nach Kopenhagen: Dabei steht etwa das „Blue Planet“, ein gigantisches Aquarium, auf dem Tagesplan, ebenso wie eine gemeinsame Übernachtung im Hotelzimmer.

Den größten Spaß hat Pia hier, wenn sie mit beiden Füßen auf dem Rücken ihres Liebsten herumstampfen kann, der nackt unter ihr liegt. Diese in der Tat besonders skurrile Szene sorgte bei der Berlinale-Premiere für großes Gelächter, wie so vieles in dieser Lebens- und Liebesgeschichte zwischen Zweien, die sich eigentlich mögen, aber trotzdem nirgends richtig zu Hause sind – und im Prinzip auch gar nicht richtig miteinander reden können, was Jens am meisten ärgert. Pia kann eigentlich gar nichts ernst nehmen – oder will sie das vielleicht am Ende auch gar nicht?

Daniel Borgmans außergewöhnlicher Hybrid-Film Loving Pia mit „der echten Pia“, wie er es beim Q & A in Berlin noch einmal explizit betonte, ist ein schlichter Film mit wunderbaren Leerstellen. Kein Film, der viel Aufsehens um sich macht – und wohl auch keiner, der je in den deutschen Kinos anlaufen wird, was aber sehr schade wäre. Denn diese kleine, sehr feine 16mm-Liebesballade, entstanden im Lauf von zwei Jahren und mehreren Drehsessions, rührt schlichtweg. Das kann nicht jeder Film von sich behaupten.

Loving Pia (2017)

Pia Skovgaard (als Pia) und Jens Jensen (als der Mann) sind ein ungewöhnliches Leinwandpaar. Sie entsprechen – beide für sich – nicht gerade dem, was gemeinhin als „normal“ bezeichnet wird.

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