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Ein Penis für Kim: Medizintechnisch kein Problem. Beziehungstechnisch schon eher – und „Kim hat einen Penis“ entwickelt sich zu einer Beziehungskomödie der anderen Art voll Witz, Überraschung und Klugheit.

Kim hat einen Penis (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Etwas steht zwischen Frau und Mann

Der beste Filmbeginn seit Jahren: Kim in einer Klinik. „Ich will einen Penis!“ Der seriös graumelierte Arzt redet verständnisvoll von Hormonbehandlung etc. Geht das nicht schneller? Naja, ohne Hormon, klar: Nachmittags um 16 Uhr. Und Kim hat fortan einen Penis.

Knallhart, mittenrein – und die nächste Überraschung: Kim ist Pilotin. Frisch zur Flugkapitänin befördert. In welchem Film bitte ist die Hauptfigur Pilotin, und das spielt gar keine Rolle für die Handlung? Das ist eine so gesunde und erfrischende „Warum nicht?“-Haltung, dass man Philipp Eichholtz schon allein dafür gratulieren kann.

Kims Freund Andreas ist Lehrer. Ganz normaler Beruf, und der hat natürlich auch grundsätzlich nichts mit dem Film zu tun. Weil ja sowieso alles normal war in dieser Beziehung. Bis Kim neugierig wurde. Und sich einen Penis verpassen ließ. Warum nicht?

Andreas ist, gelinde gesagt, überrascht. Und zu Kims Erstaunen nicht direkt begeistert. Dabei könnte man doch jetzt so schön experimentieren … Die Gewöhnungsphase für Andreas wird nicht erleichtert, als Anna einzieht, eine gemeinsame Freundin, deren Partner eine andere geschwängert hat. Jetzt ist Anna immer mit dabei, sie, die Gehörnte, Kim, die Bepeniste, und Andy – der weiß nicht mehr aus noch ein. Weil er überfahren wurde durch Tatsachen, die geschaffen wurden, er weiß nicht, wie und warum – und schon schließen sich Fragen an, die der Film so hintenrum stellt, dass sie deutlich hervortreten: Es ist Kims Körper. Aber kann sie allein darüber bestimmen? Ist ein Penis was Ekliges? Ist Begehren und Sexualität etwas Flexibles? Und was ist mit dem Kinder-Partner-Komplex?

Kims Bruder ist Immobilienmakler, ganz korrekt, ganz konservativ, mit schwangerer Frau und einem Häuschen, das er für Kim ausgeguckt hat, schön mit Garten und Platz fürs Kinderzimmer – und Kim will keine Kinder. Andreas auch nicht. Oder doch? Müsste man vielleicht mal reden, bevor man was über den anderen zu wissen glaubt?

Eichholtz hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Regisseur der verborgenen Sehnsüchte und der ausbrechenden Bedürfnissen entwickelt, in seinen Porträts von Frauen, deren Charaktere stark sind, deren Handlungsweise aber eher erratisch – und doch verständnisheischend. Dazu passt die leichte, improvisierte Herangehensweise, die sich im Fall von Kim hat einen Penis von Axel Ranischs German Mumblecore-Manifest zugunsten klarerer Strukturen und Bilder absetzt, in denen aber das Hingetupfte und Spontane stets erhalten bleibt.

Kim will viel, vielleicht alles, aber andere auch, und die Stärke der Verantwortung füreinander muss sich erst noch erweisen. Martina Schöne-Radunkski, burschikos und handlungsstark, ist perfekt in ihrer Rolle, sie hat auch am Drehbuch mitgewirkt – und man darf nicht vergessen, dass ihre Kim Flugzeuge führt. Sie kann das, sie kann alles. Sie kann auch einen Penis haben, wenn sie will. Und zur Not ist der in einer Frist von 4 Monaten auch reversibel. Andererseits: Ist Kim eine Frau, die zurückgeht?

Kim hat einen Penis (2018)

Andreas will Kim. Kim aber will mehr. Sie will einen Penis. Mit Andreas darüber reden will sie nicht. Als dann auch noch ihre gemeinsame beste Freundin Anna bei ihnen einzieht, wird alles ein bisschen viel. Doch wenn man sich zu zweit einsam fühlt, ist man dann zu dritt vielleicht weniger allein?

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