HomeSick (2015)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

(Zu) Leise Töne

Jetzt ist endlich Ruhe in der Wohnung. Als Klammer steht das Ende am Anfang, eine gehetzte Frau auf der Straße. Der Rest des Films HomeSick spielt vornehmlich in dieser Wohnung, zunächst leer und bloß, dann mit dem Einzug von Jessica und Lorenz das Werden von Wohnlichkeit. Und die Nachbarin von oben drüber, die sich als „inoffizielle Hausmeisterin“ vorstellt. Und die als unheimliche Allgegenwart inszeniert ist, in rotem, bedrohlichem Kostüm. Bedrohlich zumindest für Jessica, deren Paranoia der Film im Weiteren verfolgt. Oder ist die Frau eine wirkliche Gefahr?

Die Frage nach dem wahren Wesen des unheimlichen Gefühls von Jessica in dieser Altbauwohnung soll den Film tragen. Was nur bedingt klappt. Weil einerseits Regisseur Jakob Erwa immer mal wieder die Bedrohlichkeit nur behauptet – etwa der Gang in den Waschkeller, der mit einem kräftigen Musikcrescendo als Horror-Raum behauptet wird. Weil er andererseits kleine Details zu kräftig aufbauscht – den roten Kitschengel, den die Nachbarin geschenkt hat, rückt die Kamera immer wieder unvermittelt ins Bild, ohne dass daraus wirklich etwas werden würde. Und weil dann doch alles recht eingleisig fährt, es der Film in all seiner atmosphärischen Anmutung an Dichte fehlen lässt. Reduktion sei das Motto gewesen, sagt Erwa. Gedreht wurde mit Minimalbudget von ein paar zehntausend Euro, ohne Förderung, dafür mit Crowdfundingbeteiligung. Man habe sich konzentriert auf eine Hauptdarstellerin, einen Handlungsraum, einen Konflikt – im Ergebnis ist das wohl etwas zu wenig; das Spiel mit den Genreregeln funktioniert nur streckenweise.

Der Stress steigt für Jessica, die Cello studiert, sie soll bei einem renommierten Klassikwettbewerb mitmachen, Ehrgeiz und Leistungsdruck zerfressen sie. Doch dass dies nun Auslöser einer paranoiden Psychose sein könnte, ist schon dadurch verschenkt, dass die werte Frau Nachbarin von Anfang an als Antagonistin etabliert wurde. Dabei findet Erwa sehr schöne Momente und tolle Schauspieler: Esther Maria Pietsch, die die Jessica spielt, gibt ganz überzeugend die Einsame zuhause, mit leeren Blicken, die ins Angstvolle tendieren. Tanja Seibt spielt die Nachbarin in bester Genretradition, mit sinisterer Freundlichkeit, die nicht zu deuten ist. Und Hermann Beyer ist der freundliche Berliner Smalltalker, der bereitwillig seine 150 Jahre alte Pistole zeigt; ein böses Omen, das weiß der genreaffine Zuschauer.

Alltäglich sitzt Jessica in einem Zuhause, das ihr unsicher und unheimlich geworden ist, mit ihrem Übungscello, bei dem der Klangkörper fehlt, das nur ganz leise Töne spielt. Und irgendwie hat man das Gefühl, dass Regisseur Erwa auch nur auf der reduzierten Übungsvariante der Klaviatur filmischer Mittel spielt: Die volle Wucht erreicht HomeSick nie.
 

HomeSick (2015)

Jetzt ist endlich Ruhe in der Wohnung. Als Klammer steht das Ende am Anfang, eine gehetzte Frau auf der Straße. Der Rest des Films „HomeSick“ spielt vornehmlich in dieser Wohnung, zunächst leer und bloß, dann mit dem Einzug von Jessica und Lorenz das Werden von Wohnlichkeit. Und die Nachbarin von oben drüber, die sich als „inoffizielle Hausmeisterin“ vorstellt. Und die als unheimliche Allgegenwart inszeniert ist, in rotem, bedrohlichem Kostüm.

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Meinungen

erich conradi · 18.10.2015

grade habe ich den film in der Pumpe kiel gesehen, mit drei zuschauern! schon ein kräftiger film, bei dem man dann nicht mehr dabei sein will, so nach dem gemetzel in der wohnung, wo sie dann über die brücke schlappt und man nur hofft, daß sie nicht gleich runter springt. als gutmütiger zuschauer werde ich emotional gepackt und hinters licht geführt. schließlich kommt ihr freund zurück, als es zuspät ist und bringt die heimliche hausmeisterin wieder auf den Treppenabsatz. . Eine Tote scheint aber echt zu sein, und das macht richtig traurig. da möchte ich nicht mehr dabei sein und hab mir den Abspann nicht mehr anschauen wollen.
aber jetzt im internet: ich empfehle
Anschauen, der film ist gut fotografiert, indoor inszeniert wie ein Schauspiel und verfängt mit irritierend kurzen dialogen.
drei sterne von fünf.