Frankie & Alice

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wer bin ich und wenn ja, wie viele?

Einen Oscar hat Halle Berry schon. 2010 unternahm sie mit Frankie & Alice einen weiteren Versuch, sich für Preise ins Gespräch zu bringen. Ihre Bemühungen sind nun auf DVD zu sehen.
Frankie (Halle Berry) braust mit offenem Verdeck über den Asphalt. Die Luft ist warm, im Kino läuft Der Clou mit Newman und Redford, aus dem Radio trällert „I just want to make love to you“ von Etta James. Die Röcke sitzen ein bisschen kürzer und die Frauen, allen voran Frankie, sind ein bisschen selbstbewusster. Die Zeit ist 1973, der Ort Los Angeles. Doch zum Liebemachen kommt es nicht. In der Wohnung einer nächtlichen Eroberung tickt Frankie aus, schlägt ihrem Beinahe-Bettgenossen eine Vase ins Gesicht. Als dieser sie beruhigen will, raunt sie ihm entgegen: „Frankie ist nicht zu Hause!“ Ihr Tonfall, ja ihre ganze Haltung hat sich schlagartig gewandelt.

Halle Berry spielt diese Frankie, eine Stripperin, die beste ihres Nachtclubs. Doch mehrere Seelen wohnen in ihrer Brust. Sie leidet unter einer multiplen Persönlichkeitsstörung. Bisher hat das nur keiner erkannt. Familie, Freunde und Ärzte schoben Frankies Aus- und Zusammenbrüche stets auf andere Gründe. Erst Doktor Oz (Stellan Skarsgård) kommt der Krankheit auf die Schliche, nachdem Frankie mitten auf der Straße aufgelesen und bei ihm eingewiesen wird.

Neben der talentierten Tänzerin stecken ein kleines Kind mit einem überdurchschnittlich hohen IQ und eine alte, weiße Lady, die Afroamerikaner auf den Tod nicht ausstehen kann, in Frankie. Die Ursache dafür offenbart der Film erst nach und nach. Gemeinsam mit Doktor Oz taucht der Zuschauer tief in die Psyche und in die Vergangenheit dieser gleichsam zerrissenen wie faszinierenden Frau. Die Ebenen vermischen sich. Erinnerungen nehmen im Hier und Jetzt Platz. Einmal etwa rennt Frankie als Kind an ihrem erwachsenen Ich vorüber, ein anderes Mal dringt der Regen aus einer erinnerten Jugendnacht bis ins Behandlungszimmer.

Bereits Anfang 2009 fertig abgedreht, erfuhr Frankie & Alice Ende 2010 in den USA eine überschaubare Auswertung in wenigen Sälen. Die Produzenten schielten damit kurz vor den großen Preisverleihungen auf eine Auszeichnung für ihre Hauptdarstellerin. Immerhin: Drei kleinere Trophäen und eine Nominierung bei den Golden Globes sprangen für Berry heraus. Erst im April 2014 startete der Film landesweit. In Deutschland schaffte er es nicht in die Kinos. Dabei kann sich das Drama durchaus sehen lassen.

Halle Berry wechselt mühelos zwischen den Persönlichkeiten, verändert in einem Wimpernschlag Körper- und Aussprache. Die greise Rassistin gibt sie ebenso überzeugend wie das Kleinkind, wandelt bei dessen Darstellung allerdings auf einem schmalen Grat, stets hart an der Grenze zur unfreiwilligen Komik.

Auch die detailverliebte Ausstattung und die gelungene Kameraarbeit sind ein Plus. Kameramann Newton Thomas Sigel variiert die unterschiedlichen Sets in ihrer Farbdramaturgie, spiegelt Frankies innere Verfasstheit. Regisseur Geoffrey Sax hat kein Interesse daran, sein sensibles Thema auszuschlachten. Frankie & Alice geht die Erkrankung seiner Protagonistin ernst an, nutzt sie weder als Folie für billigen Horror noch für billige Plot-Twists. In seiner Erzählung folgt der Film dann aber doch der klassischen Hollywoodformel. Der Vorhang zu, keine Fragen offen.

Frankie & Alice

Einen Oscar hat Halle Berry schon. 2010 unternahm sie mit „Frankie & Alice“ einen weiteren Versuch, sich für Preise ins Gespräch zu bringen. Ihre Bemühungen sind nun auf DVD zu sehen.
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