Deutschland bleiche Mutter

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Eine Tochter sinniert über ihren Ursprung

Die Stimme aus dem Off, die die Handlung dieses Films kommentierend und philosophierend begleitet, ist die einer Tochter, die die Liebes- und Lebensgeschichte ihrer Eltern und damit von ihrem eigenen Ursprung erzählt. Deutschland bleiche Mutter der deutschen Filmemacherin und Autorin Helma Sanders-Brahms, der 1980 im Wettbewerb der Berlinale uraufgeführt wurde, stellt einen stark autobiographisch geprägten Film dar, der gleichzeitig ein Stück deutscher Zeitgeschichte aus einer sehr persönlichen Perspektive präsentiert.
Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs: Als Lene (Eva Mattes) und Hans (Ernst Jacobi) heiraten, bleibt der jungen Ehe nur ein kleine Weile des Zusammenlebens, bevor Hans zum Kriegsdienst an die Front abberufen wird. So unglücklich Lene auch darüber ist, wird sie ihren Mann künftig nur noch während seiner seltenen wie kurzen Heimaturlaube sehen, wenn das junge Paar mit offensichtlich ganz unterschiedlichen Erwartungen aufeinander trifft. Der Einsatz an der Front traumatisiert den humanistisch orientierten Hans, der schlichtweg nicht töten will und die Kriegsjahre in permanenter Zerrissenheit überlebt.

So ist Lene, die während eines Bombenangriffs der Alliierten ihre Tochter Anna (in unterschiedlichem Lebensalter: Anna Sanders, Miriam Lauer, Sonja Lauer) zur Welt bringt, auf sich gestellt und entwickelt sich in der Not der Zeiten zu einer energischen Überlebenskämpferin. Nach dem Ende des Krieges kehrt Hans zu Anna und Lene zurück, die inzwischen ein neues Zuhause für die Familie geschaffen und sich zu einer Persönlichkeit entwickelt hat, in der Hans seine einstige Frau kaum wiedererkennt. Die Konflikte erscheinen ausweglos, und letztlich ist es die kleine Anna, die ihre verzweifelte Mutter rettet.

Mit dem Grand Prix des Internationalen Frauenfilmfestivals von Créteil ausgezeichnet wurde Deutschland bleiche Mutter, wie die Regisseurin im Interview unter den Extras der DVD berichtet, seinerzeit recht unterschiedlich rezipiert. Während die Reaktionen und Kritiken in Deutschland eher reserviert ausfielen, wurde der Film in Frankreich zu einem beachtlichen Erfolg. Der markante Titel ist dem Gedicht Deutschland aus dem Jahre 1933 von Bertolt Brecht entlehnt: „Mögen andere von ihrer Schande sprechen, ich spreche von der meinen. O Deutschland, bleiche Mutter! Wie sitzest du besudelt unter den Völkern. Unter den Befleckten fällst du auf. […]“.

Die Schwerpunkte, die Helma Sanders-Brahms innerhalb der Geschichte setzt, erschaffen in Kombination mit der ungewöhnlichen Erzählweise, die sie mit ihrer eigenen Stimme etabliert, ein familiäres Universum, dessen Interna dem Zuschauer mitunter trotz der persönlichen Schonungslosigkeit der Geschichte allzu zusammenhangslos erscheinen, ebenso wie die Verflechtung von Privatem und Politischem. Der Kennenlernphase der Eltern im sozialen Umfeld vor der Hochzeit beispielsweise wird kaum Bedeutung eingeräumt, so dass die späteren Gegebenheiten allzu losgelöst im Raum stehen. Zweifellos vermag Deutschland bleiche Mutter gerade in seiner sehr persönlich geprägten Art zu berühren, deren beinahe rücksichtslos individueller Gestaltung es dennoch sicherlich gelingt, sein Publikum zu irritieren und damit auch entsprechend ambivalent zu positionieren.

Deutschland bleiche Mutter

Die Stimme aus dem Off, die die Handlung dieses Films kommentierend und philosophierend begleitet, ist die einer Tochter, die die Liebes- und Lebensgeschichte ihrer Eltern und damit von ihrem eigenen Ursprung erzählt.
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