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Zum dritten Mal führt Karoline Herfurth Regie bei einem Spielfilm und übernimmt darin auch wieder eine zentrale Rolle. Sie spielt eine frustrierte junge Mutter in dem Episodenfilm, dessen Figuren exemplarisch aufzeigen, an welchen Rollenbildern und -erwartungen sich Mädchen und Frauen abarbeiten.

Wunderschön (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Frauen, die sich suboptimal finden

Frauen finden leider fast immer einen Grund, an sich und ihrem Aussehen zu zweifeln. Das fängt schon in der Pubertät an, wenn ein Mädchen wie Leyla (Dilara Aylin Ziem) sich ihres Körpers schämt, der viel fülliger ist als der des Models Julie (Emilia Schüle), dem sie auf Instagram folgt. Es geht im jungen Erwachsenenalter weiter mit dem Fitnesswahn, den beispielsweise eine wie Julie sich auferlegt, weil ihre Agentur meint, dass ihre Körpermaße noch nicht passen. Oder mit dem Kindersegen, der Mütter wie Sonja (Karoline Herfurth) zum Schönheitschirurgen führt, weil Brüste und Bauch nicht mehr aussehen wie früher. Im Alter von 59 Jahren stellen Frauen wie Frauke (Martina Gedeck), die endlich Zeit hätten, die Zweisamkeit mit dem Partner neu zu genießen, womöglich fest, dass sie nicht mehr begehrt werden.

Die dritte Regiearbeit der Schauspielerin Karoline Herfurth ist nach SMS für Dich und Sweethearts nun ein Episodenfilm, der um die Nöte von Mädchen und Frauen in verschiedenen Lebenssituationen und -phasen kreist. Wie schon die beiden Vorgängerfilme wirkt auch Wunderschön mit seinen starken Frauencharakteren und der weiblichen Perspektive zeitgemäß. Die Komik, die Herfurth als Darstellerin so gut beherrscht, wenn ihre Figur trotzig schmollt oder in einer misslichen Lage die Kontrolle behalten will, würzt eine der Geschichten, die außer Humor auch Drama, einige realitätsnahe Beobachtungen, herzliche Momente und eine Prise Gesellschaftskritik zu bieten haben. Das Drehbuch, das Herfurth mit Lena Stahl und Monika Fäßler schrieb, verteilt ein paar pfiffige Seitenhiebe. So stellt Sonja, die gegen den Willen des Gatten Milan (Friedrich Mücke) wieder arbeiten geht, bitter und wütend fest, dass ihr Kind bereits aus einem Bilderbuch erfährt, welches Geschlecht ein bis abends berufstätiger Elternteil zu haben hat.

Ein weiterer interessanter und auch gut inszenierter Einfall ist die Projektarbeit der Kunstlehrerin Vicky (Nora Tschirner). Sonjas beste Freundin lässt die Jugendlichen in Leylas Klasse überlegen, wie viel das Äußere über einen Menschen aussagt, im Vergleich zu seinen anderen Eigenschaften. So lenkt sie die Aufmerksamkeit der Schüler*innen weg von den Schönheitsidealen, die in sozialen Medien kursieren, auf das, was sie gerne tun. Die stämmige Leyla beschließt, zum Baseballtraining zu gehen und erweist sich als Talent. Plötzlich ist da auch ein Junge, der sie kennenlernen will…

Leider aber sind die inspirierten Momente in den parallel montierten Episoden selten. Die kurzen, manchmal sogar wortlosen, in der Art eines Bilderreigens aufeinanderfolgenden Szenen sind exemplarisch gemeint – da Frauke als einsame Ehefrau, dort Sonja und Milan als gehetzte Eltern, die vor oder nach der Arbeit zu spät zur Kita eilen. Da Vicky als beziehungsscheue Feministin, die sich so sehr sträubt, dem neuen Kollegen Franz (Maximilian Brückner) eine Chance über schnellen Sex hinaus zu geben. Dort die gestresste Julie, die hungert, trainiert und sich mit Drogen aufputscht. Es entsteht der Eindruck, solche Themen aufgewärmt serviert zu bekommen, sie schon aus anderen Filmen zu kennen.

Einen Spannungsbogen aufzubauen, gelingt hier praktisch nicht. Das liegt nicht nur an der episodischen Struktur, sondern auch an der verlässlich angestrebten positiven Auflösung aller Konflikte. Außerdem ist es gar nicht möglich, die vielen einzelnen Figuren dieses Ensembles vertiefend darzustellen. Schauspieler*innen wie Martina Gedeck oder Joachim Król können hier lediglich den klischeehaften Typen, die sie verkörpern, etwas Originalität durch einzelne Gesten und Gefühlsregungen einhauchen. Die Botschaft dieses mild unterhaltsamen, vor neuen Ideen nicht gerade strotzenden und streckenweise langweiligen Films richtet sich auch an das männliche Geschlecht. Denn letztlich ächzen in diesen Geschichten auch Männer unter Leistungsdruck und den verinnerlichten Rollenerwartungen. Die Charaktere lernen, dass es ganz guttut, sich mal locker zu machen. Die Selbstoptimierung kann warten.

Wunderschön (2022)

Einem Idealbild nachzueifern kennt fast jeder von uns. Mütter, Töchter, Männer, Alt und Jung stecken im permanenten Optimierungswahn. „Wunderschön“ erzählt ihre Geschichten: Da ist Frauke (Martina Gedeck), die sich „kurz vor der 60“ nicht mehr begehrenswert findet, während ihr pensionierter Mann Wolfi (Joachim Król) ohne Arbeit nicht weiß, wohin mit sich. Ihre Tochter Julie (Emilia Schüle) will als Model endlich den Durchbruch schaffen und versucht verbissen, ihren Körper in das Schönheitsideal der Branche zu pressen. Das verfolgt wiederum Schülerin Leyla (Dilara Aylin Ziem), die überzeugt ist, mit Julies Aussehen ein besseres Leben führen zu können, und selbst keinen Bezug zu sich findet. Auch Julies Schwägerin Sonja (Karoline Herfurth) hat mit ihrem Körper zu kämpfen, der nach zwei Schwangerschaften zum Ausdruck einer Lebenskrise wird. Ihr Mann Milan (Friedrich Mücke) hat dabei nicht im Blick, welchen Druck sie sich als junge Mutter auferlegt. Das ist wiederum für Sonjas beste Freundin Vicky (Nora Tschirner) keine große Überraschung, ist sie doch überzeugt davon, dass Frauen und Männer nicht und niemals gleichberechtigt auf Augenhöhe zusammenfinden werden, zumindest nicht in der Liebe. Ihr neuer Kollege Franz (Maximilian Brückner) würde sie allerdings gern vom Gegenteil überzeugen.  

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Meinungen

Jutta Riedl · 04.04.2022

Wunderschön war wunderschön !!! Der schönste Film seit langer Zeit!! Für alle sehenswert ! Für junge, mittleren Alters, auch für ältere! Für Frauen und Männer!!! Super !! Weiter so

Birgit · 18.02.2022

Unbedingt sehenswert- Generationsfilm- Werte werden vermittelt- Verständnis, Sichtweisen aus verschiedenen Blickwinkeln...., für Männer und Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen, lösungsorientiert. Regt zum Gespräch bzw. zur Diskussion an.
tolle Schauspieler*innen