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Ein Drama um drei Frauen, deren Lebenskrisen sich umschlingen – anhand eines klaren Handlungsfadens mit improvisierten Dialogen in größtmöglicher Authentizität inszeniert.

Wann kommst du meine Wunden küssen? (2022)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Vor zehn Jahren kam „Staub auf unseren Herzen“ heraus, Hanna Dooses Filmdebüt. In den zehn Jahren bis zum Zweit-Spielfilm „Wann kommst du meine Wunden küssen?“ hat Doose „gelebt“, wie sie auf dem Münchner Filmfest erklärte, wo ihr Film Premiere feierte: gelebt mit all den Lebenskrisen, die dazugehören. Krisen, aus denen sie ihren Film flocht, in anderer Form, nicht biografisch. Dafür authentisch.

Nach dem Mutter-Tochter-Drama des Debüts geht es nun um ein Frauentrio, biologisch verwandt oder wahlverwandt, auseinandergelebt, aber verbunden. Der Schwarzwald steht still und schweiget, in seiner Mitte der Hof, auf dem Laura rackert. Kathi haust hier ebenfalls, wenn sie nicht im Wald schläft mit ihrer Ziege, mit rußgeschminktem Gesicht – sie ist eine spirituell angehauchte Schamanin, das Leben hat sie dazu geformt. Auf dem Motorrad kommt Maria angebraust, aus Berlin, eine überkandidelte Regisseurin, brotlose Künstlerin: Bibiana Beglau spielt sie raumgreifend, sie nimmt Besitz von dem Hof, sobald sie ihn betritt. Katarina Schröter als Kathi, Marias Schwester, zieht sich zurück, will den schlechten Vibes ausweichen. Gina Henkel als Laura muss sich entgegenstellen. Es geht um ihr Werk, hier, auf dem Hof.

Die Ziegen geben zu wenig Milch. Mit Kühen kann man ohnehin keinen Stich machen. Der Käse schmeckt super – aber über Wasser halten kann man sich damit kaum. Laura ackert. Kathi hat sich in ihre eigene Welt zurückgezogen, sie wird sterben, Krebs, alle Kräuter der Welt helfen da nicht. Maria nistet sich ein, sie hat Pläne, sie braucht Geld. Sie hat damals, in Berlin, mit Laura zusammengearbeitet, Regie und Schauspiel und Performance. Dann hat sich Laura Marias Liebhaber Jan geschnappt und ist in den Schwarzwald abgedampft. Hat den Hof gepachtet, der Kathi und Maria je zur Hälfte gehört. Neuanfang. Rückzug. Verrat. Selbstbestimmung. Neue und alte Heimaten. Und Wunden, die nie geküsst werden.

Laura, die eine heimliche, wilde Affäre hat; Maria, die reinplatzt und alles kaputt macht; Kathi, die sich auf ihre Weise auf den Tod vorbereitet; Jan, der am liebsten eigentlich Musik machen will, er hat ja damals, im anderen, im Berliner Leben sogar eine Goldene Schallplatte bekommen: Träume zerplatzen, das Leben ändert sich, die Umstände drehen, die Persönlichkeit bleibt. Hanna Doose verbindet die verschiedenen Lebenslinien ihrer Protagonistinnen, die sich gegenseitig – und sich selbst – im Weg stehen, denen das Vergangene übergroße Bürde ist, die sich für das Kommende nichts mehr erträumen können. Dass diese verschiedenen Konstellationen schwer beladener Charaktere nicht übergroß werden, dafür sorgt die Inszenierungsweise von Doose: Anhand eines Handlungs-Treatments wurden die Dialoge strikt improvisiert, und zwar ohne, dass sich daraus Gestammel, Wortgesuche ergäbe.

Die Darstellerinnen sind voll in ihren Rollen, steigen niemals aus, agieren ganz aus ihren Charakteren heraus – was in Filmen der German Mumblecore-Bewegung mitunter zu großem Witz führt, dass das frei heraus Improvisierte zu kleinen Gags, zu spritzigen Witzen führt, wird auf diese Weise vermieden. Weil Doose Wert legt auf die Schlüssigkeit ihrer Figuren – nicht die Darstellerin hat Freiheit, sondern die Darstellung der Figuren.

Ein kraftvolles Drama – ein Trio-Drama sozusagen – ist dieser Film, in großen Bildern erzählt, die die Enge des Hofes und die Weite des Schwarzwaldes zeigen. Was der Authentizität des Erzählten freilich entgegensteht ist die vollkommene Abwesenheit von Dialekt – die Hauptprotagonistinnen, gut, sie kommen aus Berlin, aus der großen weiten Welt. Aber die Ansässigen sprechen ebenfalls astreines Film-Hochdeutsch. Das passt nicht.

Wann kommst du meine Wunden küssen? (2022)

Sie waren die besten Freunde, damals, als die Regisseurin Maria (Bibiana Beglau), die Jungschauspielerin Laura (Gina Henkel) und der DJ Jan (Alexander Fehling) das Berliner Künstler- und Nachtleben aufgemischt haben. Jetzt sind Jahre vergangen und die drei treffen sich auf einem Hof im Schwarzwald wieder, auf den sich Laura und Jan für ihren Traum vom Landleben zurückgezogen haben. Von den einstigen Illusionen ist nur die alles andere als glamouröse Realität geblieben. Das ist teils komisch, teils tragisch, und während die Masken fallen, wird klar: Maria hat noch eine Rechnung mit ihren Freunden offen. (Quelle: MFA+)

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Meinungen

Ursula Wissmann · 01.01.2023

absolut kein Silvester- Überraschungsfilm!!! Sehr unpassend so ein düsteres Filmdebut zu wählen
Wir waren froh als es endlich zu Ende war