The Purge: Election Year (2016)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

God Bless America

Einmal im Jahr sind im Amerika der nahen Zukunft für zwölf Stunden alle Verbrechen erlaubt und Notdienste nicht erreichbar. Die von der Regierung abgesegnete Purge-Nacht bietet den Menschen die Möglichkeit, ihre Aggressionen auszuleben. Und richtet sich vor allem gegen sozial schwache Bürger, die dem Staat nicht länger auf der Tasche liegen sollen. Mit dieser denkbar simplen, aber äußerst beunruhigenden Prämisse konfrontiert der Filmemacher James DeMonaco zum dritten Mal sein Publikum und pinselt erneut ein düsteres Gesellschaftsszenario an die Wand. Subtile Zwischentöne sind dabei meistens außen vor. Durch ihre Parallelen zum aktuellen politischen Geschehen sorgt die Horror-Brachialsatire aber in manchen Momenten für großes Unbehagen.

Spielte sich Teil eins der Purge-Reihe die meiste Zeit im Anwesen einer Wohlstandsfamilie ab, die sich einer Gruppe Jugendlicher erwehren musste, jagte DeMonaco im Nachfolger während der Mordnacht eine neues Figurenpersonal auf die Straßen von Los Angeles und nahm die Ausmaße des anarchischen Treibens noch umfassender in den Blick. Groteske Schreckensbilder und deftige Actionpassagen wechselten sich dabei permanent ab, wirkten auf Dauer aber etwas ermüdend. Ähnliches lässt sich auch über den dritten Beitrag sagen, der mit dem knallharten Leo Barnes (Frank Grillo) einen Protagonisten des Vorgängers reaktiviert. Inzwischen ist der frühere Polizist als Leibwächter für die Sicherheit der aufstrebenden Senatorin Charlie Roan (Elizabeth Mitchell) verantwortlich, die als Jugendliche mit ansehen musste, wie ihre Familie bei der Purge-Nacht abgeschlachtet wurde. Kein Wunder also, dass sie im gerade laufenden Wahlkampf vehement gegen die regierende NFFA wettert und bei einem Sieg dem alljährlichen Säuberungstreiben ein Ende setzen will. Ihre Popularität bringt die Machthaber rund um Minister Edwidge Owens (Kyle Secor) mehr und mehr in Bedrängnis, weshalb sie kurzerhand eine spezielle Purge-Regel annullieren: Von nun an dürfen auch hochrangige Politiker ermordet werden, ohne dass man damit eine Strafe riskieren würde. Als sich Roan mit ihrem Bodyguard zu Beginn der Chaos-Stunden in ihr Haus zurückzieht, sind Owens‘ Fußsoldaten schon unterwegs, um die Kontrahentin zu liquidieren.

Parallel konzentriert sich The Purge: Election Year noch deutlicher als Teil zwei auf die Benachteiligten, die jedes Jahr besonders unter dem blutigen Furor zu leiden haben. Während der Afroamerikaner Joe Dixon (Mykelti Williamson) mit seinem mexikanischen Angestellten Marcos (Joseph Julian Soria) den eigenen Supermarkt gegen Plünderer und Verrückte zu verteidigen versucht, fährt die frühere Purge-Legende Laney Rucker (Betty Gabriel) durch die Straßen von Washington, D.C., um verletzte und hilflose Menschen zu versorgen. Wenig überraschend finden die drei Stränge, die der Film entwirft, irgendwann zusammen und gebären eine Schicksalsgemeinschaft, die sich in finsteren Stunden zur Seite steht.

Wie nicht anders zu erwarten war, bleibt DeMonaco seiner bisherigen Marschroute weiter treu und setzt bevorzugt auf grelle Überzeichnung. Abermals streifen während der zwölfstündigen Säuberungsphase exzentrisch maskierte Personen auf der Suche nach wehrlosen Opfern umher. Erneut ergehen sich die Bessergestellten in religiös überhöhten Blutritualen, bei denen die Darsteller – besonders Kyle Secor – ausuferndes Overacting betreiben. Und einmal mehr bringen der Regisseur und seine Mitstreiter einige krachende Gefechtssequenzen in den Kasten, die das anarchische Ausmaß untermauern, wenngleich die Effekte nicht immer überzeugen. Die abgebildeten Eskalationen karikieren den amerikatypischen Waffenfetischismus und den Mythos der reinigenden Gewalt, der schon im Western eine zentrale Rolle spielt, wirken in vielen Fällen aber zu selbstzweckhaft, um als ernsthafte Gesellschaftskritik durchzugehen. Überdeutlich weidet sich die Kamera am Anblick einer bis an die Zähne bewaffneten, leicht bekleidet auflaufenden Girlie-Bande. Und immer wieder lässt DeMonaco seine Protagonisten bemüht lässig mit Schimpfwörtern um sich werfen, wenn sie einen Gegner eliminieren.

Eindringlich und verstörend sind vor allem die Momente, in denen der düstere Zukunftsthriller mehr im Vorbeigehen die Auswüchse des schrankenlosen Wütens einfängt. Schon recht früh erfahren wir, dass sich die Purge zu einer Touristenattraktion entwickelt hat. Soll heißen: Menschen aus der ganzen Welt reisen pünktlich zum Start in die USA, um die eigenen Aggressionen abzubauen. In einer surreal anmutenden, unheimlichen Szene tanzen Personen in Gewändern um einen Baum, von dem Leichen herabhängen. Und an einer anderen Stelle sehen wir eine Frau, die beinahe regungslos neben einer brennenden Leiche sitzt. Solche Bilder bleiben haften. Ebenso wie die unheilvollen Bezüge zur Realität, die das Wahlkampfszenario mit sich bringt. Mitunter ertappt man sich bei der Frage, wie weit wir heute eigentlich noch von einem Purge-Szenario entfernt sind, wo Präsidentschaftskandidat Donald Trump offen Minderheiten angreift, rassistische Ressentiments bemüht und ganz bewusst zweideutig-provokante Aussagen tätigt, die etwa als Mordaufruf gegen seine Widersacherin Hillary Clinton verstanden werden können. In diesem Sinne besitzt The Purge: Election Year eine beunruhigende Brisanz, der DeMonaco mit dem Abspannsong I’m Afraid of Americans noch einmal Nachdruck verleiht.
 

The Purge: Election Year (2016)

Einmal im Jahr sind im Amerika der nahen Zukunft für zwölf Stunden alle Verbrechen erlaubt und Notdienste nicht erreichbar. Die von der Regierung abgesegnete Purge-Nacht bietet den Menschen die Möglichkeit, ihre Aggressionen auszuleben. Und richtet sich vor allem gegen sozial schwache Bürger, die dem Staat nicht länger auf der Tasche liegen sollen.

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