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Vier Frauen treffen sich, reden miteinander und eine Kamera filmt sie dabei. Das könnte langweilig sein – allerdings heißen diese vier Damen Eileen Atkins, Judi Dench, Joan Plowright und Maggie Smith.

Tea With the Dames - Ein unvergesslicher Nachmittag (2018)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Vier Frauen

Nothing Like a Dame ist der Originaltitel von Tea with the Dames – und beide passen hervorragend zu dem Film von Roger Michell: Denn tatsächlich sind die vier Dames in seinem Film unvergleichlich. Und zugleich sind sie zumeist zu sehen, wie sie zu viert am Tisch sitzen und Wasser, Tee oder ein Glas Champagner trinken.

Es ist ein denkbar einfaches Setting: Die vier berühmten Theater-Damen Eileen Atkins, Judi Dench, Joan Plowright und Maggie Smith treffen sich, sitzen beieinander und unterhalten sich über ihre Arbeit, über Familie, das Älterwerden und werden dabei gefilmt. Sie tragen alle blaue und weiße Kleidung und man merkt ihnen dann, dass sie schon lange miteinander befreundet und älter werden.

Allein schon der Ort ihres Treffens ist bemerkenswert: Es ist das Landhaus, in dem Joan Plowright mit ihrem Ehemann Laurence Olivier gelebt hat – unter seiner Regie und an seiner Seite hat auch Maggie Smith gespielt und sie gibt zu, dass sie weniger Angst vor Kritiken als vor ihm hatte. Das ist eine der Szenen, die beispielhaft für diesen Film sind: Als Maggie Smith das zugibt, sagt Joan Plowright, ihr Hörgerät sei ausgefallen, deshalb habe sie nicht verstanden, was Maggie Smith gesagt habe. Daraufhin wiederholt sie, dass sie weniger Angst vor den Kritiken als vor ihrem Ehemann gehabt habe – was wiederum von Joan Plowright mit einem herzlichen Lachen quittiert wird. Aber Maggie Smith erzählt auch, dass er sie jede Nacht auf der Bühne geschlagen hat, als sie Desdemona war und er Othello: „It was the only time I saw stars at the National Theatre“. Und Joan Plowright fasst ihre Ehe zusammen, dass es ein Privileg war, mit Larry das Leben zu teilen, „as well as it being a, you know, a nightmare“.

Es wird in diesem Film viel gelacht – auf der Leinwand und auch davor. Judi Dench erzählt eine bemerkenswerte Anekdote von einem 17-jährigen Rettungssanitäter, der in ihr Haus kam, nachdem sie von einer Hornisse gestochen wurde und über sie aufgrund ihres Alters nur in der dritten Person sprach, worüber sie weiterhin entrüstet ist, es aber auch entsprechend deutlich gekontert hat. Und sie erinnert sich, dass sie als „menopausal dwarf“ etikettiert wurde, als sie Cleopatra in Anthony and Cleopatra gespielt hat. Mitten in das Gelächter lässt dann Joan Plowright fallen, dass sie alle niemals in die erste Reihe der Schönheiten gehört hätten. Eileen Atkins erzählt, dass sie sich jedes Mal auf dem Weg ins Theater fragt, ob sie jetzt lieber überfahren oder in einen großen Autounfall verwickelt werden will. „And I only just about come out on the side of ‚No‘. Daraufhin nicken alle verständnisvoll, wenngleich sie sich einig sind, dass Filmsets entsetzlich sind: so viele Menschen, die daran beteiligt sind.

Dazu kommt gut ausgewähltes Archivmaterial, das geschickt arrangiert ist. Es gibt gerade den Zuschauern, die nicht mit dem britischen Theater bestens vertraut sind, hilfreiche Einblicke, und passt zu den Gesprächen. Beispielsweise gibt es einen großartigen Interviewausschnitt mit Maggie Smith, in dem sie in den 1960er Jahren erzählt, wie viel sie von Kenneth Williams gestohlen hat in ihrer Mimik, und in den Bildern ist das deutlich zu erkennen.

Die vier Damen sind einander herzlich zugetan und blicken überwiegend unsentimental auf ihre Vergangenheit. Ohne ausführlich zu erzählen, merkt man, dass sich Plowright fragt, wie ihre Karriere verlaufen wäre, wenn sie nicht Laurence Olivier geheiratet hätte. Maggie Smith erzählt von der Zusammenarbeit mit ihrem ersten Ehemann, die nicht einfach war, weil er suchtkrank war. Und wenn Judi Dench beginnt, von ihrem Ehemann zu sprechen, merkt man, wie tief bewegt sie ist. Es sind diese kurzen Momente des Schweigens, des Miteinander-still-Seins, die zeigen, wie viel diese vier Frauen verbindet. Tea with the Dames ist eine Einladung zu einem Gespräch mit diesen vier beeindruckenden Frauen. Und gerne hätte es noch viel länger gehen können.

Tea With the Dames - Ein unvergesslicher Nachmittag (2018)

Dame Maggie Smith, Dame Judi Dench, Dame Eileen Atkins und Dame Joan Plowright gehören allesamt zu den herausragendsten Darstellerinnen unserer Zeit. In ihnen bündeln sich etliche großartigen Rollen und unzählbare Oscars, Tonys, Emmys und BAFTA Awards. Zugleich sind die vier Damen seit Ewigkeiten miteinander befreundet und laden den Zuschauer in Roger Michells Film „Tea with the Dames“ für ein Wochenende ein, eine höchst vergnügliche Zeit mit ihnen zu verbringen. 

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Meinungen

Martin Zopick · 24.08.2019

Roger Michel ist ein einmaliges Meisterwerk gelungen. Die vier bedeutendsten Schauspielerinnen gemeinsam vor die Kamera zu holen. Es sind Dame Judi Dench, Dame Maggie Smith, Dame Eileen Atkins sowie Gastgeberin Dame Joan Plowright. Da sitzen renommierte 342 Jahre um den Tisch. Sie plaudern aus dem besagten Nähkästchen, über ihre Erfahrungen von Bühne und Film, ihre Ehemänner, ihre Probleme und die Highlights ihres Jobs. Dabei kommt viel äußerst Heiteres zu Tage, sodass die Damen sich vor Lachen biegen. Aber auch ihre Ängste werden besprochen und weil die vier seit Jahren befreundet sind nimmt keine ein Blatt vor den Mund. Das geht, gerade weil sie sich alle mögen und das spürt man.
Joan Plowright, z.B., die mit dem Theatergott Laurence Olivier verheiratet war, muss sich die Häme gefallen lassen, dass sie nur die Rollen wegen ihres Mannes bekommen hat (sagte man!) Aber ihre vielen Preise und Ehrungen fielen ja nicht vom Himmel. Sie kann heute damit locker umgehen. Judi Dench hat erst unter James Bond die ganz große Filmkarriere gemacht. Maggie Smith ist inzwischen in vielen klassischen Filmen mit Adelsvertretern (z.B. Downton Abbey oder Gosford Park) eine feste Größe, wenn es um spitzzüngige Bemerkungen geht). Dame Plowright wurde u.a. bekannt durch Klassiker wie School of Scandal oder Peter Greenaways Drowning by Numbers und Eileen Atkins glänzte ebenfalls in literarisch anspruchsvollen Filmen. Sie ist heute die am wenigsten bekannte Dame unter den Diven.
Es ist ein herrliches Vergnügen mit den Damen die Highlights ihres Lebens noch einmal mit zu erleben. Sie haben sich damit selbst ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt.