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Die Agatha-Christie-Adaption „Tod auf dem Nil“ von John Guillermin liefert uns einen klassischen Whodunit auf einem Luxusdampfer voller Witz und Stars, von Peter Ustinov über Mia Farrow bis hin zu Angela Lansbury und Bette Davis.

Tod auf dem Nil (1978)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Mörderische Kreuzfahrt

Die britische Schriftstellerin Agatha Christie (1890-1976) zählt zu den erfolgreichsten Autor_innen der Literaturgeschichte. Ihre populärsten Schöpfungen sind fraglos der belgische Detektiv Hercule Poirot und die clevere Miss Marple. Das Kino erkannte das audiovisuelle Potenzial von Christies einfallsreichen Krimierzählungen schon früh – und so entstanden diverse Filmklassiker, von René Clairs „Das letzte Wochenende“ (1945) über Billy Wilders „Zeugin der Anklage“ (1957) bis hin zur herrlichen Miss-Marple-Reihe (1961-1964) mit Margaret Rutherford. Mitte der 1970er Jahre landete das Produzenten-Duo John Brabourne und Richard Goodwin mit der starbesetzten Christie-Adaption „Mord im Orient-Expreß“ einen großen Hit, weshalb die beiden sich alsbald darum bemühten, an diesen Triumph anzuknüpfen.

Dies sollte ihnen 1978 mit Tod auf dem Nil auch vollauf gelingen. Abermals steht darin der exzentrische Ermittler Poirot im Zentrum – jedoch nicht mehr von Albert Finney, sondern von dem zweifachen Oscar-Gewinner Peter Ustinov (Topkapi, Spartacus) verkörpert. Ähnlich wie Rutherford mit ihrer ikonischen Marple-Interpretation entfernt sich Ustinov zwar deutlich vom literarischen Vorbild, gibt der Figur indes dadurch aber etwas ganz Eigenes. Bis heute ist seine Darstellung der Poirot-Rolle, die er nach Tod auf dem Nil noch in fünf weiteren Werken wiederholte, unerreicht. Und auch das Ensemble um Ustinov herum legt Glanzleistungen an den Tag. Wie bereits in Mord im Orient-Expreß treten beinahe alle Stars dieses Films als Verdächtige in einem kniffligen Mordfall auf – und erneut befinden sich alle an einem ungewöhnlichen Ort.

Hauptschauplatz der 1937 angesiedelten Handlung ist ein luxuriöses Nil-Kreuzfahrtschiff, auf dem die Millionenerbin Linnet Ridgeway (Lois Chiles) und der bis dato mittellose Simon Doyle (Simon MacCorkindale) einen Teil ihrer Flitterwochen verbringen wollen. Ihnen gefolgt ist Jacqueline De Bellefort (Mia Farrow), die nicht nur Linnets ehemals beste Freundin ist, sondern auch Simons Ex-Verlobte. Doch die eifersüchtige Jacqueline ist nicht die einzige Person an Bord des Flussdampfers, die den Urlaub der Frischvermählten überschattet – auch zahlreiche andere Mitreisende scheinen insbesondere Linnet nicht wohlgesonnen zu sein.

So hat Linnet etwa ihrer Bediensteten Louise Bourget (Jane Birkin) die Bitte um Geld verwehrt, das diese bräuchte, um selbst heiraten zu können. Die Gesellschaftsdame Mrs. Van Schuyler (Bette Davis) hat es wiederum auf Linnets kostbaren Schmuck abgesehen, während Van Schuylers Angestellte Miss Bowers (Maggie Smith) einen Groll gegen Linnets Familie hegt, da sie diese für den Ruin ihres Vaters verantwortlich macht. Dann wären da zum Beispiel noch die Schundroman-Autorin Salome Otterbourne (Angela Lansbury) und ihre Tochter Rosalie (Olivia Hussey), die gegen eine Verleumdungsklage von Linnet zu kämpfen versuchen, sowie der Schweizer Arzt Dr. Ludwig Bessner (Jack Warden), der seinen Ruf durch Linnet zerstört sieht, und der Rechtsanwalt Andrew Pennington (George Kennedy), der einen Betrug plant. Als es zunächst zu einem gescheiterten Anschlag auf Linnet bei einer Tempelbesichtigung und schließlich zum Mord kommt, ist das analytische Geschick von Poirot gefragt, der bei seiner Spurensuche von dem MI5-Agenten Colonel Johnnie Race (David Niven) unterstützt wird.

Gewiss ist das ganze Set-up der Story überaus konstruiert – aber genau darin liegt auch der Reiz. Alle Beteiligten haben sichtliches Vergnügen daran, ihren überspitzt angelegten Figuren etwas Dubioses zu geben, damit uns das filmische Ratespiel nicht zu leicht fällt. Herausragend sind neben Ustinov besonders Mia Farrow und Angela Lansbury. Farrow, die dank Filmen wie Rosemaries Baby (1968) und Der große Gatsby (1974) zu den glanzvollsten Hollywood-Stars jener Zeit gehörte, gibt sich mit vollem Einsatz einer melodramatischen, schmerzhaften Darbietung hin. Und Lansbury, die kurz nach Tod auf dem Nil in Mord im Spiegel (1980) als Miss Marple zu sehen war, ehe sie zwischen 1984 und 1996 als Schriftstellerin Jessica Fletcher in der Serie Mord ist ihr Hobby zur TV-Legende wurde, sorgt als stets angetrunkene und über Erotik schwadronierende Pulp-Autorin für die lustigsten Momente – vor allem eine passionierte Tango-Einlage, zusammen mit dem charmanten David Niven, bleibt in Erinnerung. Doch auch Bette Davis und Maggie Smith als sarkastisches Duo sind ein echter Genuss.

Der Regisseur John Guillermin, der sich zuvor einen Namen mit Kino-Spektakeln wie Flammendes Inferno (1974) und King Kong (1976) gemacht hatte, und sein Kameramann Jack Cardiff verstehen es, in den Sequenzen mit vielen Figuren virtuos die Dynamiken in den Beziehungen zu erfassen – wie sich hier alle äußerst misstrauisch beäugen und ihre individuellen Ziele verfolgen. Hinzu kommen zum einen die eindrücklichen Landschaftsaufnahmen, die an Originalschauplätzen in Ägypten entstanden – und zum anderen die stilvollen Kostüme, für deren Design Anthony Powell zu Recht mit einem Oscar geehrt wurde. Der wendungsreiche Christie-Roman wird so höchst unterhaltsam auf die Leinwand übertragen; das Ergebnis funkelt in seiner aufwendigen Gestaltung und durch seine spielfreudige Besetzung noch immer prächtig.

Tod auf dem Nil (1978)

Hercule Poirot will endlich einmal ausspannen und unternimmt eine Urlaubsreise auf dem Nil. An Bord des Luxusdampfers „Karnak“ ist auch die amerikanische Millionenerbin Linnet Ridgeway, die sich auf Hochzeitsreise mit ihrem frisch vermählten Ehegatten Simon Doyle befindet. Doch die Flitterwochen werden durch das jähe Ableben der schönen Braut vorzeitig beendet. Da ein Meisterdetektiv immer im Einsatz ist, übernimmt Poirot natürlich den Fall. Mit seinem Freund Colonel Race beginnt er die Ermittlungen und sticht in ein Wespennest: Offenbar haben sehr viele Passagiere ein Motiv für einen Mord — aber keiner will es gewesen sein … (Quelle STUDIOCANAL)

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