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Wenn die Figuren einer Geisterbahn ein Eigenleben hätten, was würden sie dann wohl machen? Schon 1979 hat sich eine DDR-Kinderserie dieser Frage angenommen. Jetzt lotet eine Verfilmung die Möglichkeiten aus, außerhalb des Jahrmarkts zu spuken.

Spuk unterm Riesenrad (2023)

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

(Wieder) zum Leben erweckt

Eigentlich hätte alles so schön, so feierlich werden sollen: „Jackels Rummel“ feiert Jubiläum, 40 Jahre schon gibt es den Jahrmarkt am Rand einer Kleinstadt, in dem der Nachwuchs seine schönsten Kindheitserinnerungen sammelte, den Duft von Zuckerwatte in der Nase hatte, vom Riesenrad auf die Umgebung schaute und in der Geisterbahn das Fürchten lernte – so der nostalgische Blick des aus dem Off erzählenden Jackel (Peter Kurth).

Aber ja, der Rummelplatz ist mittlerweile – wie sein Besitzer auch – in die Jahre gekommen und lockt kaum mehr Besucher oder auch nur Jackels Töchter und deren Kinder an. So ist Jackel auch in Sorge um die Weiterführung seines Geschäfts. Selbst zur Jubiläumsfeier hat die Familie abgesagt. Tochter Britta knabbert an der verheimlichten Trennung vom Ehemann, Tochter Simone (Sophie Lutz) und Enkelin Tammi (Elisabeth Bellé) wollen nach Formentera fliegen, von wo aus die 13-Jährige ihren Followern traumhafte Fotos schicken will, um eine Social Media-Challenge zu gewinnen.

Als Jackel ganz plötzlich über dem Klavier stirbt, bleibt allen Familienmitgliedern jedoch nichts anderes übrig, als doch zurück nach Hause zu kehren und darüber nachzudenken, wie es weitergehen soll mit „Jackels Rummel“. Man merkt sofort, dass Jackels Töchter ihre Pflicht nur widerwillig wahrnehmen, der alte Konkurrenzkampf zwischen den Schwestern aufflammt und die Kinder keine Freudesprünge ob der Tage auf dem Jahrmarkt machen. Was sollen sie dort auch tun? Tammi kann ihr Unglück gar nicht fassen, und als dann auch noch das Internet weg ist, wird sie so sauer, dass ihre Wut ganz andere Ereignisse ins Rollen bringt: Durch einen Blitzeinschlag werden drei Gestalten aus der Geisterbahn zum Leben erweckt und spielen fortan eine größere Rolle im Leben der Teenagerin, als ihr lieb ist.

Das Rumpelstilzchen (David Bennent), der Riese (Moritz Führmann) und die Hexe (Anna Schudt) wirken – wie auch der Jahrmarkt und das Sich-Gruseln in einer Geisterbahn – wie Relikte aus alten Zeiten. Mit ihrer abgetragenen Kleidung, den durchfurchten Gesichtern und bisweilen recht eigentümlichen Scherzen erstaunen und erschrecken sie die Menschen, die ihnen begegnen. Sie halten Tammi für ihre Chefin und nennen sie „Mutti“, Tammi selbst ist allerdings nur genervt von den Dreien. Cousin Umbo (Noèl Gabriel Kipp) dagegen sieht in ihnen auch das Gute: Die Geister könnten doch zur Attraktion werden und dem Freizeitpark zu neuen Besucherrekorden verhelfen. Da wittert auch Tammi ihre Chance und postet nun Fotos aus dem mit Geistern bestückten Riesenrad anstatt vom Strand. Bis diese ausbrechen, in der Stadt ihr Unwesen treiben und die Polizei auf ihre Fährte locken.

Es steckt viel alberner Spaß im Film von Thomas Stuber, aber – das sei vorweggenommen – für zartbesaitete Kinogänger:innen ist der Film (noch) nichts. Er spielt mit Angstmomenten, und das sind nicht etwa die erwachten Geister, sondern vor allem die Reaktionen der Menschen, die auf die Gespenster-Gang treffen, die schockiert sind und denen man ansieht, wie sehr sie sich fürchten und wie tief erschüttert sie in ihren Grundfesten sind. Wenn die Spukgestalten durch die Straßen ziehen, bleibt furchterregendes Chaos zurück. Kaum jedoch lernen die Menschen das herumgeisternde Trio näher kennen, verfliegt die Angst so schnell, wie sie gekommen ist, und sie werden irgendwie zu Kumpeln.

Der Film basiert auf der gleichnamigen Serie von Günter Meyer und C. U. Wiesner, die 1979 im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde. Während in der Serie die Geister mit der damaligen Modernität zu kämpfen hatten und lernen mussten, sich in der Welt außerhalb der Gruselbahn zurechtzufinden, spielt dieser Aspekt im Drehbuch von Anja Kömmerling und Thomas Brinx keine Rolle mehr – im Gegenteil: Man wundert sich bisweilen, wie selbstverständlich sich Rumpelstilzchen, Riese und Hexe im Heute bewegen, so, als wäre es nicht das erste Mal, dass sie aus der Starre der Geisterbahn geholt worden sind. 

Weil der Film aber Elemente der Serie aufnimmt und mit in seine Version einflechtet, wird er bestimmt bei einigen Zuschauer:innen Fernseh-Erinnerungen wecken. Das sind nicht nur der Titelschriftzug oder die Grundkonstellation von Geistern und Menschenkindern, sondern auch das Innere der Geisterbahn oder der Synthesizer im Soundtrack. Wer zusammen mit den Kindern diese Bezüge aufspüren will, und gleichzeitig etwas TV-Geschichte erleben, der sollte sich auch die Serie, die aktuell in der ARD-Mediathek verfügbar ist, ansehen.

Die Geschichte von Spuk im Riesenrad spielt erneut im Hier und Jetzt und versucht zum Beispiel, mit der Influencerin Tammi an die handygeprägte Lebenswelt der Jugendlichen von Heute anzuknüpfen, wobei das nicht immer gelingt. Ebenso wirken auch die beiden anderen Kinderfiguren, Umbo und Keks (Lale Andrä), nur wenig authentisch – Keks als übertrieben ernstes und immer besserwissendes Mädchen mit großer Brille und Umbo als eigenwilliger Jungkünstler, der zum Sympathieträger des jungen Trios wird. Als Identifikationsfiguren eignen sie sich nicht unbedingt, aber das ist vermutlich auch nicht gewollt. Hier wird schließlich eine fantastische Geschichte erzählt, die vor allem ein wenig gruseln soll, und die Fantasie der Kinder anregen könnte, wenn sie das nächste Mal in einem figurenbestückten Fahrgeschäft sitzen.

Spuk unterm Riesenrad (2023)

Tammi (Elisabeth Bellé) ist genervt. Statt nach Formentera, von wo sie ihren Followern schon traumhafte Fotos versprochen hat, muss sie mit Mutter Simone (Sophie Lutz) zur Beerdigung des ihr völlig fremden Opas Jackel (Peter Kurth) irgendwo in die Pampa, inklusive Kennenlernen von Tante Britta (Katja Preuß) und deren Kindern. In dem total uncoolen Freizeitpark gibt es nicht mal Handy-Empfang und mit Cousin UMBO (Noèl Gabriel Kipp) nebst Cousine Keks (Lale Andrä) kann sie wenig bis nichts anfangen. Doch dann erwachen bei einem Gewitter drei abgehalfterte Geisterbahnfiguren zum Leben: Hexe (Anna Schudt), Riese (Moritz Führmann) und Rumpelstilzchen (David Bennent). Hervorragende Verbündete für ein ordentliches Chaos, glaubt Tammi, um endlich aus dieser Einöde zu entkommen. Nur leider hat sie die Rechnung ohne die Familie und den Eigensinn der Geister gemacht. Plötzlich wollen alle den Freizeitpark übernehmen…

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