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Ein zwölfjähriger Schuljunge aus Brooklyn hat ehrgeizige Pläne. Er möchte in den Sommerferien in einem Gastronomie-Betrieb Fusionküche lernen. Und er träumt davon, die eigene jüdisch-palästinensische Familie an einen Tisch zu bringen, ohne dass es wieder Streit um scheinbar Unvereinbares gibt.

Soulfood - Familie geht durch den Magen (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Verbindende Geschmackserlebnisse

Der zwölfjährige Abe (Noah Schnapp) hat Hunger auf Neues. Als begeisterter Hobbykoch freut sich der Junge aus Brooklyn, seinen New Yorker Stadtteil in den Sommerferien kulinarisch zu erforschen. An seinem Geburtstag redet die jüdische Verwandtschaft mütterlicherseits über seine Bar Mitzwa, die ja wohl im nächsten Jahr bevorstehe. Abe sagt, er wolle sie gerne feiern, und auch in die Moschee gehen und auf die muslimischen Feste! Das, findet wiederum die palästinensische Verwandtschaft väterlicherseits, gehe nun gar nicht. Einig sind sich die beiden Lager nur in einem Punkt: Abe soll sich für eine Seite entscheiden!

Wenn sich Abe also für Fusionküche interessiert, die verschiedene gastronomische Kulturen und Traditionen kreativ verbindet, steht dahinter mehr als nur die Freude am kulinarischen Genuss. Abe möchte so gerne, dass seine arabischen Großeltern und der jüdische Großvater aufhören, jede Zusammenkunft am israelisch-palästinensischen Konflikt zerschellen zu lassen. Dass die eine Seite ihn Abraham nennt, die andere Ibrahim, mag ja aus seiner Sicht noch angehen, aber er will sich nicht vorschreiben lassen, welchen kulturellen Einfluss er mögen darf und welchen nicht. Da hilft es ihm auch wenig, dass sein atheistischer Vater (Arian Moayed) selbst gegen Schweinefleisch nichts einzuwenden hat und seine ebenfalls agnostische Mutter (Dagmara Dominczyk) sich um seine psychische Entwicklung zu sorgen beginnt.

Dem brasilianischen, in Los Angeles lebenden Regisseur Fernando Grostein Andrade ist ein leichter, beschwingter Familienfilm gelungen. Die Sommerkomödie, mit der der Regisseur sein Spielfilmdebüt gibt, feierte Premiere auf dem Sundance Film Festival 2019. Sie plädiert für ein kulturell diverses Miteinander nicht nur am Beispiel der Kulinarik, auf dem es ja bereits so breite Akzeptanz erfährt. Abe fängt an, scheinbar konträre Geschmacksrichtungen zu kombinieren und lädt schließlich die eigene Familie zu einem „Semitischen Thanksgiving-Dinner“. Wird der kulinarische Brückenschlag die Verwandtschaft ermutigen, ihr politisches Lagerdenken einmal zu vergessen?

Die Geschichte stellt Abe einen gastronomischen und persönlichen Mentor in der Person des brasilianischen Kochs Chico (Seu Jorge) zur Seite. Der Mann experimentiert selbst in seinem Betrieb mit Fusion-Streetfood. Während die Eltern des Jungen glauben, er besuche täglich den albernen Ferien-Kochkurs für Kinder, den sie ihm ausgesucht haben, geht Abe heimlich zu Chico. Dort sind viele Köche zugange und obwohl Abe erst einmal viele Tage nur Geschirr spülen darf, lernt er fleißig und überzeugt Chico bald mit eigenen Rezepten. Allerdings gelingt ihm nicht alles auf Anhieb, was der Geschichte eine schöne Glaubwürdigkeit verleiht. Noah Schnapp (bekannt aus der Netflix-Serie Stranger Things) stellt Abe als ernsten Jungen dar, der sich so danach sehnt, seine Interessen mit Profis teilen zu können und der folglich auch nicht mehr als Kind betrachtet werden will.

Die Geschichte pendelt zwischen Chicos Küche und Abes Familienleben unterhaltsam hin und her. Dabei fusioniert sie selbst mit leichter Hand Eindrücke diverser New Yorker Milieus und Schauplätze zu einem anregenden Bild des Großstadtlebens. Wenn Chico und seine Leute an ihrem Streetfood-Stand am Kai mit Blick auf die Wolkenkratzer Spaziergänger verköstigen, durchzieht ein Hauch sommerlicher Unbeschwertheit das Geschehen. Stickiger und schwerer wirkt die Atmosphäre, wenn Abe mit je nur einem Teil seiner Familie bei einem traditionellen Mahl am Tisch sitzt. Die Großeltern werden aber nicht nur als stur, sondern auch als liebenswert porträtiert, sodass klar wird, warum Abe jeden der Angehörigen so mag.

Sehr zeitgemäß wirkt der Einfall, Abe als Foodblogger zu präsentieren. Wenn er seine Food-Fotografien und -Rezepte im Tagebuchstil um seine erzählten Erlebnisse und Gedanken ergänzt, entsteht ein lebendiger Off-Kommentar. Die vielfältigen, nicht immer nur ermutigenden Antworten seiner Social-Media-Leserschaft verstärken diesen Eindruck der Lebendigkeit. So fügen sich raue und sanfte Töne, Bitteres und Liebliches in dieser Inszenierung zu einem sympathisch frischen Filmvergnügen.

Soulfood - Familie geht durch den Magen (2019)

„Soulfood“ dreht sich um den 12-jährigen Abe, der eine Passion fürs Kochen entwickelt und jede Nacht durch New York streift, immer auf der Suche nach Inspiration. Hier trifft er Chico, gespielt von Seu Jorge, seines Zeichens Streetfood-Künstler. Durch dessen Kreativität beim Kochen erwächst in Abe die Vision, seine zerstrittene Familie durch neue Gerichte zusammenzubringen – leichter gesagt als getan, denn seine Verwandtschaft ist halb israelisch und halb palästinensisch, der Zorn auf die Gegenseite ist tief verankert.

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