Log Line

Eine 17-Jährige findet auf der Suche nach ihrer Vergangenheit eine Zukunft, die erste Liebe und eine Art von Familie. Feinfühlig inszeniertes Coming-of-Age-Drama, das sich am Ende in einem biederen Drehbuch verliert.

Rivière (2023)

Eine Filmkritik von Sebastian Seidler

Die Kuh vom Eis

In Manon (Flavie Delangle) brodelt eine Wut. Das ist vom ersten Moment an spürbar. Die 17-Jährige hat sich per Anhalter aus der Schweiz bis nach Frankreich durchgeschlagen. Sie will ihren Vater zur Rede stellen, der sie und ihre Mutter vor einigen Jahren verlassen hat. Doch erneut entzieht dieser sich seiner Verantwortung und bleibt als abwesendes Gespenst eindringlich präsent. Manon entscheidet sich, in der schwachen Hoffnung, der Erzeuger möge noch auftauchen, in der Kleinstadt zu bleiben.

Dort sucht sie die Nähe zur Eishalle, wird, ob ihres hervorstechenden Talents, in die Eishockeymannschaft aufgenommen, wo sie sich mit viel Selbstbewusstsein gegenüber den Jungs durchsetzen muss. Und dann ist da noch die ehrgeizige und von einer Verletzung geplagte Eiskunstläuferin Karine (Sarah Bramms). Zwischen den beiden Mädchen entwickelt sich eine romantische Spannung, die nicht ohne Verwirrung und verdrängende Ablehnung einhergeht. Je länger Manon bleibt, desto mehr muss sie sich der Frage stellen, wohin sie mit ihrem eigenen Leben eigentlich will.

Für diese adoleszenten Konflikte findet Regisseur Hugues Hariche in der Konzentration auf seine rebellisch-verletzliche Hauptfigur eine empathische Form: Vieles wird durch Blicke, durch das Unausgesprochene und Beiläufige erzählt. Die grundlegende Geschichte mag Coming-of-Age-Standard sein. Über die großartige Hauptfigur, die mit ihrer widerspenstigen Verletzlichkeit und störrischen Wut das Tempo, die Atmosphäre des Films bestimmt, entfaltet der Film aber ein empathisches Porträt einer jungen Frau, die nach Antworten sucht.

Die Sehnsucht nach dem Vater, was sich Manon eigentlich von dieser Zusammenkunft erwartet, bleibt rätselhaft. Im Grunde scheint auch ihr bereits von Anfang an klar zu sein, dass dies nur in einer weiteren Enttäuschung endet kann. Von diesen psychologischen Tiefen spricht sie aber wenig aus: immer ist es Manon, die den anderen taumelnden Figuren Ratschläge gibt, ihnen beisteht und sie stützt, während sie sich selbst im bewegten Stillstand befindet. Sie ist es, die aufbrechen müsste, das Leben in die eigenen Hände nehmen sollte. Ihr unglaubliches Talent auf dem Eis, der drängende Wunsch, es nach Kanada zu schaffen, ins glorreiche Land des Eishockeys, droht in amourösen Spannungen zu Karine zu verwischen.

Hariche fängt diese emotional-tektonischen Verschiebungen durch einen Fokus auf kleinste Gesten und Stimmungsveränderungen ein, die mitunter in blanke Wut umschlagen. Sicher, die jugendliche Sinnsuche ist klassisches Coming-of-Age, die entlang der klassischen Konfliktlinien durchgearbeitet wird. Die Hauptfigur muss sich ihren eigenen Blockaden, ihrer Angst vor der eigenen Persönlichkeit stellen, um das Vergangene hinter sich zu lassen. Doch ist der Hauptcharakter des Films sperrig genug, um ihn bis ins letzte Drittel hinein zu einem mehr als durchschnittlichen Beitrag zu machen.

Dann aber bricht eine konservative Dramaturgie in den Film ein, wenn er sich daran macht, Probleme zu einer Lösung zu bringen, die traurige Verlorenheit auf ein harmonisches Happy End zulaufen zu lassen. Der Mut der Offenheit, der stummen Andeutung, wird von einem Pathos überlagert, der Rivière seinen zornigen Glanz entzieht. Da wird ganz buchstäblich das Eis gebrochen, die Kuh vom Eis geschafft. So abgedroschen wie diese alltäglichen Kalendersprüche, werden dann auch die Bilder, mit denen Hariche seinen Film am Ende doch zu einem kleinen Ärgernis werden lässt.

Rivière (2023)

Die siebzehnjährige Manon verlässt Chur, in den Schweizer Bergen, auf der Suche nach ihrem Vater. Dieser bleibt unauffindbar. Manon geht neue Bindungen ein und begegnet ihrer ersten Liebe. Gestärkt findet sie zurück zu ihrer ursprünglichen Leidenschaft, eine professionelle Eishockeyspielerin zu werden.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen