New York Memories

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Liebeserklärung an eine "untreue" Stadt

Mehr als acht Jahre nach dem 11. September 2001 scheint das Trauma zumindest filmisch einigermaßen überwunden. In einigen der neuen Produktionen stehen nicht mehr Bewältigung und Trauerarbeit im Mittelpunkt. Sondern es scheint wieder möglich, New York als außergewöhnliche Stadt zu feiern. New York, I love You drückt diese Gefühle gleich im Titel aus, Julie Delpy dreht nach 2 Tage Paris auch 2 Tage New York. Und Rosa von Praunheim hängt mit seiner sehenswerten Liebeserklärung ein Stück weit der Vergangenheit nach: New York Memories.
Eigentlich hätte der Aktivist der Schwulenbewegung mit seiner jüngsten Arbeit ebenfalls einen Beitrag zu dem Motto „New York, I love you“ leisten können. Denn der Film ist eine leise, mit leichtem Understatement daherkommende, aber sehr persönliche Hommage an die aus seiner Sicht aufregendste Stadt der Welt. Wie immer bei heftigen Liebesbeziehungen spielen dabei auch Enttäuschung, Trauer und ein Stück Wut eine Rolle.

Rosa von Praunheim klärt uns gleich zu Beginn darüber auf, warum er die Geliebte zehn Jahre lang verschmähte. Sie sei nicht mehr dieselbe wie damals, als er so wild auf sie war. Sexklubs seien geschlossen, Künstler vertrieben worden. Bürgermeister Rudolph Giuliani (bis Ende 2001) habe die Stadt gesäubert und langweilig gemacht.

Trotzdem gibt der Regisseur der einstigen Flamme im Jahr 2009 eine neue Chance. Da ist Rosa von Praunheim gerade frisch verliebt in den jungen Oliver, der noch nie in New York war. Sie verbinden das Angenehme mit dem Nützlichen und starten ein Filmprojekt, das gerade wegen seiner Beiläufigkeit und Alltäglichkeit so überzeugend gelingt. Rosa macht gemeinsam mit Oliver (der für den Ton zuständig ist) das, was man eben so tut, wenn man lange weg war. Er besucht frühere Freundinnen und Freunde, fragt, wie es geht, ob sie noch mit dem früheren Partner zusammen sind und im selben Job arbeiten. Daraus entsteht ein Mosaik dessen, was die Faszination New Yorks ausmacht, weit über die Zufälle des individuellen Lebens hinaus.

Wie jede große Liebe bietet New York jenen, die ihr verfallen sind, Chance und Risiko zugleich. Die Chancen bestehen in der Offenheit für Lebensentwürfe, die anderswo nicht ins Konzept passen, etwa beim Thema Transgender. So berichtet der 14-jährige Isaac, dass New York einer der besten Orte für Transsexuelle sei. Hier gebe es ein enormes Verständnis für Menschen wie ihn, der als Mädchen geboren wurde, aber von Anfang an das Gefühl hatte, ein Junge zu sein.

Praunheims Interview-Partner lassen aber ebenso durchblicken, wie schwer es ist, sich in New York zu behaupten, allein schon wegen der Mieten, die mit 2.000 Dollar leicht den kompletten Arbeitslohn verschlingen. Wer etwa in Deutschland oder Europa als Künstler erste Erfolge hat, sei in New York noch lange nicht etabliert, berichtet zum Beispiel Lucie Pohl, Tochter eines aus Deutschland stammenden Ehepaares, das Praunheim bei einem früheren Aufenthalt kennengelernt hatte. Trotzdem will sich Lucie genauso der Härte des künstlerischen Konkurrenzkampfes stellen wie ihre Schwester Marie. Beide hätten gute Alternativen, sie könnten vielleicht in Berlin oder München ihre Karriere leichter fortsetzen. Marie hat in Deutschland das Buch Maries Reise veröffentlicht und Lucie war in Berlin auf der Schauspielschule.

Auch Rosa von Praunheim kann von New York nicht lassen, selbst wenn er ganz bewusst die nostalgische Tonlage á la „früher war alles besser“ anschlägt. Gezielt schneidet er Ausschnitte aus seinem bislang erfolgreichsten Film Überleben in New York (1987) in das aktuelle Werk. Aber das hat neben der Vergangenheitsverklärung auch eine weitere Funktion. Wir treffen nämlich in New York Memories Anna und Claudia wieder, zwei der damaligen Protagonistinnen. Den beiden hat es sichtlich gut getan, dass sie sich in Manhattan und Harlem behauptet haben. Auch an ihren Erzählungen und Reflexionen kann man ablesen, dass Praunheims Film viel mehr ist als bloß eine Erinnerung. Er ist eine aktuelle Bestandsaufnahme.

New York Memories

Mehr als acht Jahre nach dem 11. September 2001 scheint das Trauma zumindest filmisch einigermaßen überwunden. In einigen der neuen Produktionen stehen nicht mehr Bewältigung und Trauerarbeit im Mittelpunkt. Sondern es scheint wieder möglich, New York als außergewöhnliche Stadt zu feiern.
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Meinungen

Rüdiger · 18.03.2011

Den mochte ich aber auch!