I Shot My Love

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Dem Leben und der Liebe auf der Spur

Geht es hier um eine „amour fou“? Um eine leidenschaftliche, tragisch endende Liebesgeschichte, die an Missverständnissen, kulturellen Unterschieden oder sonstigen Hindernissen scheitert? Man könnte dies aufgrund des Titels denken, doch der bezieht sich nicht auf eine vermeintliche Gewalttat, sondern bedeutet nichts anderes als „Ich habe meine Liebe gefilmt“. Genau darum geht es in Tomer Heymanns intimem Low-Budget-Essay I Shot My Love, das von den Schwierigkeiten einer deutsch-israelischen homosexuellen Liebe erzählt und von einer Leidenschaft für das Beobachten und Filmemachen.
Tomer Heymanns Passion für das Filmen reicht bis in dessen Kindheitstage zurück, als er seine erste Kamera geschenkt bekam. Seine entstehende Leidenschaft für das Filmen führt Heymann nach vielen Jahren nach Berlin, wo sein viertes Werk Paper Dolls während der Berlinale in der Reihe Panorama aufgeführt wurde (und neben zwei weiteren Preise auch mit dem Teddy Award für den besten schwullesbischen Film ausgezeichnet wurde). Für die Heymanns bedeutet diese Einladung sehr viel mehr als einen ersten Erfolg Tomers als Filmemacher – schließlich haben sie selbst deutsche Wurzeln. Vor 70 Jahren waren Noas Eltern aus Berlin nach Palästina ausgewandert und so dem Holocaust entkommen. Nach der Premiere lässt Tomer seine mitgereiste Mutter Noa im Hotel zurück, um in der Berghain Panorama-Bar zu feiern. Dort begegnet Tomer dem jungen Tänzer Andreas, mit dem eine Liebesbeziehung entsteht, die den Deutschen schließlich nach Tel Aviv führt, wo der Filmemacher mit seiner Mutter unter einem Dach lebt.

Die wahre Geschichte, die Tomer Heymann in I Shot My Love erzählt, ist denkbar unspektakulär, wenn man die impliziten Schwierigkeiten einer deutsch-israelischen Beziehung einmal ausklammert. Was den Film trotzdem zu etwas Besonderem macht, ist die ungewöhnliche Nähe, mit der Heymann sein Leben und das seiner Mutter sowie seines Geliebten filmt. Von einem schwarzen Rand umrahmt, der zu implizieren scheint, dass der Zuschauer es hier selbst ist, der durch den Sucher der kleinen und leichten HD-Kamera blickt, nimmt man Teil an den Gesprächen zwischen den dreien, sitzt mit ihnen am Esstisch der Küche, begleitet Tomer bei Besuchen im Krankenhaus, wo seine Mutter am Bein operiert wurde.

I Shot My Love folgt einer Tradition im Dokumentarfilm, die im Prinzip mit der Einführung der Super8-Kameras begann und die nach einiger Unterbrechung durch die kleinen und leichten HD-Kameras eine regelrechte Renaissance erlebt. Jonathan Caouettes verstörendes Porträt Tarnation, Marko Doringers Mein halbes Leben oder die Filme von Jan Peters (Ich bin 33, Wie ich freier Reisebegleiter wurde, Aber den Sinn des Lebens hab’ ich immer noch nicht rausgefunden) sind Selbsterkundungen, die wie Notizkladden oder Tagebücher Eindrücke aus dem eigenen Leben festhalten und versuchen, diese bisweilen banalen, oft aber auch intimen und manchmal sogar komischen Alltagsbeobachtungen in eine Form zu gießen, die auch für andere sehenswert ist.

Tomer Heymann gelingt dies in I Shot My Love nur teilweise. Seine Beschreibung der Beziehungen, die sein Leben ausmachen, überzeugen mehr durch die Sympathie, die sich im Lauf der Zeit für die Menschen in seinem Film entwickelt und durch die bewusst schmucklose formale Gestaltung als durch den eigentlichen Inhalt. Der unterscheidet sich trotz einiger besonderer Vorzeichen kaum von den üblichen Gesprächen, die man im Laufe eines Beziehungslebens und besonders zu dessen Beginn eben so führt. Und die Gespräche mit den Eltern sowie die diversen Schwierigkeiten, die Andreas mit seiner Familie hat, kommen einem gleichfalls bekannt vor. Gut zu wissen, dass sich die Probleme und kleinen Nöte überall auf der Welt zu gleichen scheinen.

I Shot My Love

Geht es hier um eine „amour fou“? Um eine leidenschaftliche, tragisch endende Liebesgeschichte, die an Missverständnissen, kulturellen Unterschieden oder sonstigen Hindernissen scheitert? Man könnte dies aufgrund des Titels denken, doch der bezieht sich nicht auf eine vermeintliche Gewalttat, sondern bedeutet nichts anderes als „Ich habe meine Liebe gefilmt“.
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Meinungen

Günther Fingerle · 10.04.2012

Wunderbar - endlich mal was ehrliches, spontanes, schönes, das unter die Haut geht! Und Andreas aus dem Oberschwäbischen haut einen um ...
Schade nur, dass man "I shot my love" nicht als DVD bekommt! Das wird sich hoffentlich nach der arte-Ausstrahlung ändern !!!