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In seinem neuen Film „Matthias & Maxime“ kehrt Xavier Dolan nach einigen Experimenten und Fehlgriffen wieder zu seinen Wurzeln zurück und kann mit einer wundervoll vertrackten Liebesgeschichte zwischen zwei Freunden punkten.

Matthias & Maxime (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Abschied auf Raten

Dreißig Jahre alt ist Xavier Dolan mittlerweile und auch dank seines jetzt schon beeindruckenden Werkes mit sieben Filmen längst dem Status eines Kinowunderkinds entwachsen. Mit „Matthias & Maxime“ präsentierte der Frankokanadier beim Filmfestival in Cannes seinen achten Film, der auch deshalb mit großer Spannung erwartet wurde, weil sein letztes Werk The Death and Life of John F. Donovan sang-und klanglos untergegangen war und sich viele Filmkritiker bereits fragten, ob den Regisseur die Fortuna verlassen habe. Um es kurz zu machen: Nein.

Der Film erzählt von der Freundschaft der beiden im Titel genannten Protagonisten, die sich seit ihrer Kindheit kennen. Doch nun steht eine einschneidende Veränderung an, denn Maxime, genannt Max (gespielt vom Regisseur Xavier Dolan), wird für eine längere Zeit nach Australien reisen. Und es ist nicht nur ihnen beiden, sondern dem gesamten Freundeskreis klar, dass sich danach alles verändert haben wird. Die Kindheit und Jugend und damit auch die scheinbare Unbeschwertheit sind mit diesem Fortgang unwiederbringlich vorbei. Dabei hat sie eigentlich jetzt schon das Erwachsenenleben fest im Griff: Matthias (Gabriel d’Almeida Freitas) ist bereits erfolgreich als angehender Juniorpartner in einer Anwaltskanzlei in Montreal tätig und wird vermutlich bald eine Familie gründen, Max ist noch gefangen in der Sorge um seine entmündigte Mutter, eine Ex-Alkoholikerin, doch der Aufenthalt in Australien soll dafür sorgen, dass er endlich sein Leben auf die Reihe bekommt. Doch zuerst heißt es Abschied nehmen — und das bedeutet für Max, Matthias und ihre Freunde gleich eine ganze Reihe von Parties.

Bei einer dieser Feiern in einem Haus am See ist auch die kleine Schwester eines Freundes anwesend, die nicht nur einen sehr derben Slang spricht, sondern auch — was man ihr von ihrer ganzen Erscheinung her überhaupt nicht zutraut — Film studiert. Nun soll sie an der Hochschule ein erstes Projekt abliefern, doch es fehlen ihr die Darsteller. Kurzerhand werden Matthias und Maxime verpflichtet und müssen sich vor dem Kamera küssen. Es wird ein Kuss sein, der alles verändert. Denn Matthias verdrängt die aufkeimenden Gefühle gegenüber seinem Freund mit aller Macht, während der, wohl schon länger verliebt, unter der aggressiven Art leidet, wie ihm Matthias nach dem Kuss begegnet.

Was den beiden Protagonisten erst im Lauf der Handlung klar wird, ahnt der Zuschauer schon nach 15 Minuten, denn die Blicke, die vor allem Max auf Matthias wirft, lassen offensichtlich werden, dass er nicht nur freundschaftliche Gefühle hegt.

Dennoch ist Matthias & Maxime nicht nur ein Film über eine unterdrückte Liebe, sondern auch eine Ode an die Freundschaft, die verschiedene Formen und Rituale durchexerziert. Und es ist ein Film über jene Zeit, wenn die Jugend eigentlich schon vorbei ist, man aber gerne noch ein wenig daran festhalten will, weil diese Lebensphase so voller Freiheiten steckt und voller Möglichkeiten.

Vor allem in der ersten Hälfte ist Matthias & Maxime ein typischer Dolan — voller quirliger Energie, mit vielen Gruppenszenen, in denen schnell und laut durcheinander geredet wird und die Kamera hektisch vom einen zum anderen springt. Das ist wie gewohnt bei Xavier Dolan mitunter auch recht anstrengend und herausfordernd. Dann aber, als die Dramatik wächst, wird der Film immer ruhiger, beinahe elegisch und immer wieder auch sehr romantisch — gerade so, als wolle Dolan auch in seiner Stilistik und Erzählhaltung zeigen, dass er genauso wie seine Protagonisten in einer Lebensphase angekommen ist, die zwangsläufig in ruhigere Fahrwasser mündet. Weil seine Filme immer auch auf die Biographie und Lebenswelt des Regisseurs rekurrieren, erscheint dies durchaus nachvollziehbar. Man darf gespannt sein, wie sich das weitere Schaffen Dolans in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Matthias & Maxime (2019)

Xavier Dolans neuer Film handelt von einer Gruppe von Freunden, die allesamt in ihren Zwanzigern sind. 

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