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Wie verhält sich das Werk einer Schriftstellerin zur Biographie? Eva Vitija hat sich Patricia Highsmith aus einer persönlichen Perspektive angenähert.

Loving Highsmith (2021)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Über die Schwierigkeiten mit der Liebe

Gleich am Anfang des Films „Loving Highsmith“ steht ein Bekenntnis, das man für den Rest des Films nicht vergessen sollte: Als sie die Tagebücher von Patricia Highsmith gelesen hat, hat sich Filmemacherin Eva Vitija in Patricia Highsmith verliebt. Und Verliebtsein bringt nun einmal eine besondere Perspektive mit sich.

In Loving Highsmith sucht Vitija drei der Frauen auf, mit denen Patricia Highsmith für eine Zeit ihr Leben geteilt hat: die amerikanische Autorin Marijane Meaker, die bereits 2003 in einem Buch über ihre Beziehung mit Patricia Highsmith Ende der 1950er Jahre geschrieben hat. Die Künstlerin Monique Buffet. Und die deutsche Schauspielerin und Kostümbildnerin Tabea Blumenschein, die 2020 verstorben ist. Diese drei Frauen erzählen von ihrer Zeit mit Highsmith, von ihren Wahrnehmungen und Einschätzungen. Dazu hat Vitija Familienmitglieder in Texas besucht und sehr viel Archivmaterial gesichtet. Dadurch entsteht eine interessante Montage aus Talking Heads, Auszügen aus Interviews, die Patricia Highsmith gegeben hat, aus den Verfilmungen ihres Werk sowie von Maren Kroymann gelesene Zitaten aus Highsmiths Tage- und Notizbüchern, die Diogenes im Herbst 2021 veröffentlicht hat. Dadurch entsteht ein persönliches Porträt von Patricia Highsmith, das insbesondere durch Vitijas eigene Filmsprache überzeugt. Sehr oft ergeben sich Verbindungen aus Leben und Werk schon in der Montage, die Bilder gleiten förmlich ineinander. 

Als persönliche, ja, fast intime Annäherung an Highsmith ist das gelungen – und in den Reaktionen zu dem Film war häufig zu lesen, dass er regelrecht dazu einlädt, sich mit Patricia Highsmiths Werk zu beschäftigen. Wer das aber bereits getan hat, stellt dann doch fest, dass in dem Film nur ein kleiner Ausschnitt ihres Werks überhaupt aufgegriffen wird. Den Anfang macht natürlich Zwei Fremde im Zug, das Buch mitsamt der Hitchcock-Verfilmung, durch das Highsmith berühmt wurde. Danach konzentriert sich Loving Highsmith auf Carol und die Ripley-Romane. Dafür gibt es einen einleuchtenden Grund: Sie lassen sich sehr einfach mit Highsmith-Biografie verbinden: Mit Carol hat sie unter Pseudonym einen lesbischen Roman mit Happy End geschrieben und Ripley verkörpert eine Amoralität sowie Zerrissenheit, die Highsmith empfunden hat. Damit folgt der Film der populären biographischen Lesart der Romane. 

Es stimmt jedoch nicht – wie es nicht nur in diesem Film, sondern im Zusammenhang mit Highsmith oft zu hören ist – dass sie außer Carol keine Romane geschrieben hätte, in denen es um Frauen geht. Es gibt reihenweise interessante Frauenfiguren in ihren Büchern, die allerdings weitaus weniger positiv gezeichnet sind. Hier hätte es einen sehr interessanten Ansatzpunkt gegeben, sich mit Highsmith und ihrem Frauenbild auseinanderzusetzen. 

Auch Highsmiths Selbstaussage, dass dass sie nicht verstehe, warum sie immer als Krimi-Autorin eingeschätzt werde, ist hier zu hören. Sie hat das gesagt, ohne Frage. Aber diese Aussage ist insofern interessant, als sie gerade in ihren Anfangsjahren sehr deutlich psychologische Spannungsromane geschrieben hat, die in dieser Zeit in den USA populär waren. Nun ist es nicht das Anliegen dieses Films, Patricia Highsmiths Verhältnis zu ihrem eigenen Werk zu klären oder sich davon zu distanzieren. Er nimmt vielmehr Highsmith selbst beim Wort: „Das Schreiben ist ein Ersatz für das Leben, das ich nicht leben kann, das mir verwehrt ist.“ Aber auch dieser Satz ergibt im Hinblick auf andere Romane von Highsmith hochspannende Implikationen.

Immerhin wird in diesem Film erwähnt, dass es in Patricia Highsmiths Tage- und Notizbüchern antisemitische und rassistische Passagen zu finden sind. Ein Erklärungsansatz wird ebenfalls durch die Biografie begründet: sie schlage damit eine Brücke zum Rassismus der Mutter, die die Liebe ihrer Tochter nie erwidert hat. Das ist eine allzu einfache Erklärung – zumal es sich dabei um einen Aspekt von Patricia Highsmith handelt, der allzu oft und zu gerne ausgeblendet wird. Auch die Tage- und Notizbücher sind nicht vollständig veröffentlicht worden, das sollte man nicht unerwähnt lassen. Antisemitismus und Rassismus finden sich aber nicht nur spät in Highsmith Leben, sondern beispielsweise schon in ihrem zweiten Roman Der Stümper

Wäre das Aufgabe von Loving Highsmith gewesen, auf diese Fragen einzugehen? Nein. Bei der Erforschung der Liebe zu Highsmith sind diese Übernahmen, dieses Suchen nach Anknüpfungspunkten, überzeugende Ansätze, die zudem in der Montage sehr gut ausgedrückt werden. Aber er fügt sich eben auch etwas zu gut in die gegenwärtige Tendenz ein, Widersprüche und Ambivalenzen im Leben und Werk von Patricia Highsmith abzumildern und als Eigenwilligkeit und Kauzigkeit darzustellen. 

Loving Highsmith (2021)

Basierend auf Patricia Highsmiths persönlichen Aufzeichnungen und Berichten ihrer Familie und Liebhaberinnen, wirft der Film ein neues Licht auf das Leben und das Werk der berühmten Thriller-Autorin, das durch Themen wie Liebe und ihrem bestimmenden Einfluss auf die Identität geprägt war. (Quelle: Swiss Films)

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