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Eine 70-jährige Witwe und pensionierte Lehrerin fällt auf die Masche eines Telefonbetrugs rein und verliert ihr ganzes Geld. Um darauffolgend der Armut zu entkommen, trifft sie eine radikale Entscheidung.

Eine Frage der Würde (2023)

Eine Filmkritik von Nathanael Brohammer

„Breaking bad“ auf Bulgarisch?

Blaga (Eli Skorcheva) ist in Not. Das Grab ihres gerade verstorbenen Mannes kostet sie eine ordentliche Stange Geld und der zwielichtige Bestatter treibt die Summe höher und höher. Ihr Sohn, der inzwischen in den USA lebt und mit dem sie ab und an über Skype spricht, möchte sie zu einem preisgünstigeren Urnengrab überreden. Doch Blaga bleibt stur. Ein traditionelles Grab mit Grabstein und allem drum und dran soll es sein! Das ist ihr größter und letzter Wunsch …

Dass die 70-jährige pensionierte Lehrerin, die ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner penibel bei Grammatikfehlern korrigiert, in weltlichen Dingen etwas unbewandert ist (und sich wohl lange auf ihren Gatten verließ), wird spätestens dann deutlich, als sie einen fatalen Anruf erhält. Sie fällt auf die Masche eines Trickbetrügers herein und wirft alle ihre Ersparnisse im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Fenster raus!

Der Vorfall landet durch weiteres Ungeschick sogar in der Presse. Fortan ist sie nicht nur mit ungeheurer Geldnot, sondern auch mit der Schande ihrer Leichtgläubigkeit konfrontiert. „So dumm sind unsere Lehrer heute“ lautet eine Schlagzeile einer bulgarischen Tageszeitung.

Die größte Sorge ist nun: Wie soll jetzt das Grab ihres verstorbenen Mannes bezahlt werden? Nachdem man sie überall als Aushilfe wegen ihres Alters abweist, fasst Blaga einen folgenreichen Entschluss. Sie veröffentlicht eine Annonce, die als Köder für die Mafia dient. Schon kurz darauf wird sie angeheuert und schlittert in die kriminelle Szene ab: Als Kurierin für ausgerechnet die Bande, von der sie selbst um ihre Ersparnisse erleichtert wurde.

Dieser Plot erinnert möglicherweise an Grasgeflüster oder Paulette – Komödien, in denen Rentnerinnen zu Dealerinnen werden und sich auf aberwitzige Weise in kriminellen Machenschaften verstricken. Von einer Komödie könnte Eine Frage der Würde allerdings nicht weiter entfernt sein. Jede Einstellung konzentriert sich auf die erinnerungswürdige Hauptdarstellerin Eli Skorcheva, deren ernst-bekümmertes Gesicht eine Seelenlandschaft existenzieller Tragik ist. Glaubhaft vermittelt sie die Verwandlung von einer moralisch scheinbar gefestigten Frau, die stets darauf bedacht ist, das Richtige zu tun, zu einer regelrecht Getriebenen, die als Komplizin des Verbrechens in einem maroden System Schuld auf sich lädt.

Allein die Szene, in der Blaga den Anruf erhält, der sie in den Ruin treiben wird, ist von beklemmender Intensität. Sich als Kommissar ausgebend, der just in diesem Augenblick einer Bande von gemeingefährlichen Einbrechern auf der Spur ist, drängt der Trickbetrüger Blaga am Telefon zur Kooperation. In welcher Panik und Hilflosigkeit sie währenddessen durch die Wohnung hechtet und kopflos seine Anweisungen befolgt, ist ein Moment von atemloser Suspense.

Beklemmend sind auch die weiteren Situationen, in die Blaga hineinstolpert und durch die der Film beiläufig die Armut und Tristesse in der verarmten Provinzstadt Schumen zeigt. Über den Dächern der Stadt thront derweil das brutalistische Monument zu Ehren des 1300-jährigen Bestehens der Republik, der 1300 Stufen Blaga schließlich mit symbolhafter Beschwerlichkeit besteigt. Das Leben ist beschwerlich.

Doch es bleibt nicht allein beim Porträt der Abgehängten, der gräulich-brüchigen Infrastruktur und des sozialen Elends. Eine Frage der Würde switcht, sobald seine Protagonistin aus Verzweiflung selbst auf die schiefe Bahn gerät, vom Genre des aufwühlenden Sozialdramas zum Thriller, der mit einer zynischen Schlusspointe aufwartet.

Eine Frage der Würde (2023)

Eine pensionierten Lehrerin verliert durch einen dreisten Telefonbetrug ihr Erspartes. Sie steht vor einem finanziellen Engpass und kann sich nicht einmal das Grab ihres verstorbenen Mannes leisten. Verzweifelt erkennt sie, dass es keine Möglichkeit gibt, ihr Geld zurückzubekommen. Doch dann erhält sie ein verlockendes, aber gleichzeitig Mißtrauen erregendes Jobangebot, das ihr Leben auf den Kopf stellt.

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