Die Kinder der Seidenstraße

Eine Filmkritik von Silvy Pommerenke

Liebe und Gutmenschen in Zeiten des Krieges

Der Brite George Hogg rettet Ende der dreißiger Jahre in China sechzig Waisenkindern das Leben, indem er mit ihnen entlang der Seidenstraße vor den Japanern flieht. Roger Spottiswoode hat diese wahre Begebenheit mit dem brillanten Jonathan Rhys Meyers in der Hauptrolle gedreht und durch fantastische Kameraeinstellungen selbst dem Krieg ein faszinierendes Antlitz gegeben.
Der englische Journalist George Hogg (Jonathan Rhys Meyers) kommt 1937 als unbedarfter Kriegsberichterstatter nach China, das unter der Besatzung Japans zu leiden hat. Gleich zu Beginn wird er mit einer Massenerschießung von Zivilisten konfrontiert und gerät in die Fänge der Japaner. Bei der Rettungsaktion durch den chinesischen Widerstandskämpfer Jack Chen (Chow Yun-Fat) wird er schwer verletzt und kommt in die Pflege der brüsken „Ärztin“ Lee Pearson (Radha Mitchell), die sich augenblicklich in ihn verliebt. Aber in den Zeiten des Krieges hat dieses Gefühl keinen Platz und stattdessen wird Hogg zur Rekonvaleszenz in einen entlegenen Ort geschickt. Dort erwarten ihn sechzig Kinder in einem Waisenhaus. Stillschweigend wird von Hogg erwartet, dass er ihnen ihr Heim herrichtet und Schutz und Hilfe bietet. Nach anfänglichem Zögern lässt sich der Engländer darauf ein und erreicht nach nur wenigen Monaten das Unglaubliche: Die Kinder haben volles Vertrauen zu ihm und sind begeistert von seinem Unterricht und seinen Neuerungen. Allerdings nahen die kriegswütigen Japaner, und Hogg und seinen Kindern bleibt nur die Flucht. Im tiefsten Winter überwinden sie eine Strecke von 1000 Kilometern, denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Selbstredend kreuzen sich immer wieder die Wege von George Hogg, Jack Chen und Lee Pearson, viele Gefahren müssen überwunden werden und die Liebe bekommt nun doch eine Chance. Und dann kommt doch wieder alles ganz anders als erwartet …

Der englische Patient dürfte durch Die Kinder der Seidenstraße ernsthafte Konkurrenz bekommen. Was die beiden Filme miteinander verbindet, sind die Kriegshandlungen und das Aufzeigen der Schwierigkeiten der Liebe in solchen Ausnahmesituationen. Beide Filme zeigen aber auch, dass es immer wieder Gutmenschen gab, die in Zeiten von Gesetzlosigkeit ihre Menschlichkeit bewahrten. Jonathan Rhys Meyers als tapferer und vor allem wohlerzogener Gentleman George Hogg trotzt gegen alles Böse. Wenn der Film nicht auf einer wahren Begebenheit beruhen würde, dann könnte man dem Drehbuchautor vorwerfen, er hätte all zu sehr in die Kitschkiste gegriffen. Aber spätestens beim Abspann des Filmes wird man eines Besseren belehrt, denn einige der überlebenden Kinder – mittlerweile im Greisenalter – halten wahre Lobeshymnen auf den Journalisten, Fotografen, Lehrer und Lebensretter George Hogg, an dem scheinbar gar nichts auszusetzen war. Selbstlos war sein Verhalten auf jeden Fall, gefährlich jeder Zeit und heroisch außerdem. Dies alles gepaart mit einer unglaublich britischen Höflichkeit passt wie angegossen auf den Iren Jonathan Rhys Meyers, der selbst mit strubbeligen Haaren, dicken Wattehosen und Wollschal eine unglaubliche Eleganz auf die Kinoleinwand bringt. Aber nicht nur das, sondern auch in den verzweifelten Momenten, wenn er Zeuge einer Massenhinrichtung wird, panische Angst vor der vermeintlichen Enthauptung zeigt und auch emotional warmherzig den Blick auf den kleinen Jungen (oder die Geliebte) wendet, all das scheint weniger geschauspielert als vielmehr direkt aus des Mannes Seele zu kommen. Eine bessere Besetzung hätte Roger Spottiswoode wohl kaum für die Rolle des George Hogg finden können. Dass dabei manches vielleicht ein wenig zu kitschig herüberkommt, wird glücklicherweise durch die gegenpolig angelegten Radha Mitchell und Chow Yun-Fat wieder zurechtgebogen. Denn die brillieren als schroffe und brüske Figuren, die Jonathan Rhys Meyers als Gutmensch unbedingt an seiner Seite braucht. Auch die großartigen Kameraeinstellungen und die traumhaften Landschaftsbilder sind ein absoluter Pluspunkt dieses Dramas, denn die Kamera wird in den ungewöhnlichsten Perspektiven auf scheinbar Belangloses gerichtet und zaubert dadurch ganz Ungewöhnliches zu Tage.

Die Kinder der Seidenstraße lebt aber neben den internationalen Filmstars vor allem von den vielen Kinderdarstellern, die im wahren Leben zum Teil für die Peking-Oper ausgebildet werden. Von dieser asiatischen Kunstform ist im Film nichts zu sehen, denn sie beeindrucken vor allem durch ihre Natürlichkeit und ihre absolute Kameratauglichkeit. Egal, ob die Jungen noch im Kindergartenalter sind oder bereits junge Erwachsene, so sind sie die eigentlichen Macher des Filmes. Das wusste auch Roger Spottiswoode, der schon beim Casting sagte, dass sie entscheidend für das Gelingen des Filmes sein würden. Mit wohlüberlegtem Kopf hat er die richtigen Darsteller herausgegriffen, die den Hauptdarstellern fast die Schau stehlen. Wenn nicht immer diese tragischen Liebesgeschichten in solche Historienfilme Einzug halten würden, dann wäre es ein großartiger Film. Aber Liebe verkauft sich eben gut.

Die Kinder der Seidenstraße

Der Brite George Hogg rettet Ende der dreißiger Jahre in China sechzig Waisenkindern das Leben, indem er mit ihnen entlang der Seidenstraße vor den Japanern flieht. Roger Spottiswoode hat diese wahre Begebenheit mit dem brillanten Jonathan Rhys Meyers in der Hauptrolle gedreht und durch fantastische Kameraeinstellungen selbst dem Krieg ein faszinierendes Antlitz gegeben.
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