Verbotene Spiele

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Kinder in der Krise des Krieges

Im Frühjahr 1940 flieht die kleine Paulette (Brigitte Fossey) mit ihren Eltern vor den deutschen Besatzern aus Paris. Doch unweit einer Brücke in ländlicher Region wird die Flüchtlingskolonne von Flugzeugen aus bombardiert, wobei Mutter und Vater sowie der kleine Hund des Mädchens getötet werden, mit dessen Kadaver das Kind nun orientierungslos und verstört durch die Gegend streift. Bald schon trifft sie auf den Bauernjungen Michel Dollé (Georges Poujouly), der sie fürsorglich unter seine Fittiche nimmt und bei seiner Familie einquartiert.
Es ist die feinfühlig inszenierte, intensive und immens berührende Empfindungs- und Ausdrucksart von Kindern in der Krise des Krieges, die diesen französischen Spielfilm dominiert, dessen junge Akteure durch ihre lebendigen, authentischen Auftritte überzeugen. Zwischen dem bodenständigen, klugen und sanftmütigen Michel und der entwurzelten, um Halt ringenden kleinen Paulette entwickelt sich eine innige Zuneigung und Komplizenschaft, die durch heimliche Projekte und Rituale getragen wird. Michel vermittelt seiner vermutlich jüdischen Freundin die christlichen Gebete und Gepflogenheiten, aus denen sie Beschäftigung und Trost schöpft, um der übermächtigen Präsenz des Todes zu begegnen. Dass Michel Paulette zu Gefallen für ihre bizarr anmutenden Bestattungen von Tieren schließlich auch Kreuze vom Leichenwagen und vom Friedhof entwendet, führt nicht nur zu Turbulenzen mit der benachbarten, verfeindeten Familie Gouard, sondern auch den örtlichen Priester (Louis Saintève) auf den Plan, dem sich der Junge bei der Beichte anvertraut. Die Darstellung der kindlichen wie orthodoxen Vorstellung und Praxis von Religiosität in Verbotene Spiele eröffnet ein gleichermaßen spannendes wie brisantes Territorium, auf dem sich im Film ein umfangreiches Spektrum menschlicher Emotionen ansammelt – von Angst und Verzweiflung bis hin zu selbstvergessener Fröhlichkeit und temporären Augenblicken des Glücklichseins. Der pessimistische Schluss markiert eine realistische Einschätzung des Schicksals von jungen Opfern des Krieges, deren Verlorenheit hier eindrucksvoll visualisiert wird.

Der französische Filmemacher René Clément (1913-1996) bezeichnete in einem Interview über seinen 1952 mit dem Goldenen Löwen der Internationalen Filmfestspiele von Venedig ausgezeichneten Film den Krieg als das erste der titelstiftenden „Verbotenen Spiele“. Die häufig in hellem Licht erscheinende Schwarzweiß-Inszenierung nach dem gleichnamigen Roman von François Boyer, der auch beim Drehbuch mitwirkte, erhielt im Rahmen der Oscar-Verleihung von 1953 als Bester fremdsprachiger Film einen Ehrenpreis und wurde 1955 als Beste Geschichte für einen Film für den Academy Award nominiert, neben einigen anderen bedeutenden Auszeichnungen wie dem Preis des New York Film Critics Circle. Dabei ist es zum einen die formale und technische Gestaltung, zum anderen die puristische Erzählweise des Films und nicht zuletzt seine inhaltliche Qualität als zutiefst humanistisches Anti-Kriegs-Drama, die Verbotenen Spiele zu einem Meisterwerk der Filmgeschichte erhebt. Wer fähig und willens ist, sich an außergewöhnliche Empfindungen und Begebenheiten seiner frühen Lebenszeit jenseits der üblichen erwachsenen Banalisierungen zu erinnern, könnte in diesem Film einen kleinen Schatz entdecken, dessen Botschaft ein engagiertes Plädoyer für ein zugewandtes Verständnis kindlicher Perspektiven und Nöte beinhaltet.

Verbotene Spiele

Im Frühjahr 1940 flieht die kleine Paulette (Brigitte Fossey) mit ihren Eltern vor den deutschen Besatzern aus Paris. Doch unweit einer Brücke in ländlicher Region wird die Flüchtlingskolonne von Flugzeugen aus bombardiert, wobei Mutter und Vater sowie der kleine Hund des Mädchens getötet werden, mit dessen Kadaver das Kind nun orientierungslos und verstört durch die Gegend streift. Bald schon trifft sie auf den Bauernjungen Michel Dollé (Georges Poujouly), der sie fürsorglich unter seine Fittiche nimmt und bei seiner Familie einquartiert.
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