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Henning Mankells Wallander ist zurück. In „Der junge Wallander“ muss sich Kurt als Neuling bei der Kripo in Malmö seinem ersten Fall stellen und ein grausames Verbrechen aufklären. Die neue Netflix-Serie wirft einen modernen Blick in die Vergangenheit des schwedischen Kommissars.  

Der junge Wallander (TV-Serie, 2020)

Eine Filmkritik von Elisabeth Hergt

WAS HAT IHN NUR SO RUINIERT?

Seine Romane haben ein ganzes Genre geprägt und sind für zahlreiche Filme immer wieder neu adaptiert worden. Der schwedische Schriftsteller Henning Mankell hat mit Kriminalkommissar Kurt Wallander eine zeitlose Figur erschaffen, einen zutiefst menschlichen Charakter, der in zu viele Abgründe blickte und bis heute nicht zur Ruhe kommt. Die Netflix-Serie „Der junge Wallander“ erweckt ihn nun erneut zum Leben und begibt sich auf die Suche nach den Anfängen des Ermittlers.

Gleich sein erster Fall als Kommissar bei der Kripo in Malmö hat es in sich. Kurt Wallander (Adam Pålsson), der bisher mit seinem besten Freund Reza (Yasen Atour) als einfacher Polizist durch die Großstadt gestreift ist, wird in seinem Viertel unvermittelt Zeuge eines schockierenden Verbrechens, gegen das er nichts ausrichten kann. Der schwarze Nachbarsjunge Ibra (Jordan Adene) wird als mutmaßlicher Täter sofort verhaftet und schweigt, aber Kurt zweifelt an seiner Schuld, beginnt eigene Nachforschungen anzustellen und kann die Ermittlungsergebnisse zunehmend entkräften. Kurzerhand wird er von Hauptkommissar Hemberg (Richard Dillane) und Kollegin Frida Rask (Leanne Best) ins Team geholt, um das Verbrechen aufzuklären.

Über seine Verbindungen zu den Menschen im Bezirk Rosengård, soll Kurt mehr über das schwedische Opfer herausfinden und die Mordumstände rekonstruieren. Bandenboss Bash (Charles Mnene) wird dabei zu seiner wichtigsten Quelle. Die Stimmung in der Gesellschaft ist aufgeheizt, wird für Hetzkampagnen gegen Einwanderer genutzt und droht schließlich in Gewalt umzuschlagen. Gustav Munck (Alan Emrys), ein bekannter und wohlhabender Geschäftsmann, möchte derweil mit seiner Förderung einer Flüchtlingsunterkunft an die Humanität der Bevölkerung appellieren. Als Sprössling eines profitorientierten Familienunternehmens, wirft sein Engagement allerdings schon bald Fragen auf. Selbst die Festnahme des Schuldigen ist dann erst der Anfang der Entdeckung von noch viel weitreichenderen Verstrickungen.

Die Serie verhandelt in sechs Folgen diesen einen, ersten Mordfall, der Kurt als Kommissar schon früh für die harte Realität sensibilisiert und ihm gleichzeitig direkt den Glauben an seinen Beruf nimmt. Es ist ein moderner Rückblick, angesiedelt im Jetzt, für eine neue Generation, die schon erkannt hat, dass sich fast alles irgendwann wiederholt und die Vergangenheit allgegenwärtig ist. Alles an Wallander war schlichtweg immer schon aktuell und ist zurückzuführen auf die Erzählungen von Henning Mankell. Seine Geschichten verweisen nicht nur auf die menschliche Natur, das Böse und Persönliche, sondern zeigen stets, auch im internationalen Kontext, die gesellschaftspolitischen und sozialen Missstände des Landes auf. Mankell selbst hatte sich noch für einen jungen Wallander ausgesprochen, konnte durch seinen Tod 2015 das Geschehen jedoch selbst nicht mehr mitgestalten.

Aber wie nah kann man Kurt Wallander noch kommen? Rolf Lassgård hat ihn 1994 zuerst gespielt. Eindrucksvoll und stark, als schwedischen Urtyp. Kenneth Branaghs Wallander hingegen wirkt differenzierter und wurde von britischer Produktionsseite her universeller angelegt. Wenn man sich jedoch einem großen Vergleich hingeben will, dann verweist alles an Young Wallander-Darsteller Adam Pålsson auf Krister Henriksson, der Kurt Wallander in 32 Episoden von 2005 bis 2013 verkörpert hat. Henriksson hat vor allem gegen Ende den schleichenden, geistigen Verfall des Kommissars am erschütterndsten dargestellt. Pålsson ähnelt ihm. Sein Look passt. Er bewegt sich ebenso bedächtig, macht sich Mimik und Gestik zu eigen. Dieser bohrende Blick von unten, wie er sich die Haarsträhne aus dem Gesicht streicht, die Hände übereinanderlegt oder in den Hosentaschen vergräbt. Dazu ab und an ein verschmitztes Lächeln. Sein Spiel stellt mit viel Liebe zum Detail einen Rückbezug und eine Vorschau zum alten Kurt in Ystad dar und ist doch auch originell.

Kurt Wallander ist keine Kultfigur. Er ist ein erschöpfter, einsamer Vertreter der Gerechtigkeit, die nie fair verteilt wird. Kaum einer würde mit ihm tauschen; man hält an ihm dennoch fest, so wie er selbst an seinen Fällen. Um der Wahrheit willen. Die von Yellow Bird UK produzierte Version für Netflix kann die Fernsehfilme in ihrer anhaltenden Relevanz und an Komplexität sicher nicht übertreffen, fügt den Geschichten um Wallander aber ein spannendes Kapitel hinzu, das viel Potential für weitere Fortsetzungen mitbringt. Der junge Wallander ist auch schon ein Getriebener, kann seiner eigenen Melancholie aber noch gelegentlich entfliehen. Dabei macht er Fehler, entwickelt Vorlieben, versucht die richtigen Worte zu finden und etwas Glück für sich zu beanspruchen. Es wird nicht von Dauer sein. Wie sein Vater, ein Maler, der sich wiederholt nur einem Motiv widmet, wird Kurt Wallander bei jedem neuen Fall dasselbe Bild so oft malen müssen, bis es stimmt. Es ist ein endloses Schicksal.

Der junge Wallander (TV-Serie, 2020)

Diese Neuinterpretation von den Produzenten des Hits „Wallander“ zeigt Henning Mankells Romanfigur, Kommissar Kurt Wallander, mit Anfang 20 im Schweden des Jahres 2020.

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Meinungen

Uwe · 10.04.2022

Das die Zeit nicht stimmt und die an sich gute Serie in der Gegenwart spielt irritiert mich total und macht vieles kaputt. Wenn man sich auf Wallander beruft, dann kann er nunmal nicht heutzutage jung sein.

Michael · 10.09.2020

Der junge Walander müsste in den 80gern 90gern spielen Smartphones und die Autos so wie das Flüchtlingsthema passen nicht in Die Zeit

Hans-Ulrich · 07.09.2020

Die Idee ist eigentlich Super. Die Besetzung klasse. ABER was hat die Macher geritten die Dienstgrade der schwedischen Polizei durch die englischen zu ersetzen. Ich bin fast vom Sofa gefallen als Wallander als Officer angesprochen wurde. Als dann noch ein Superintendet aufgetaucht ist hab mich vor Lachen fast weggeschmissen. Also echt da hat wohl einer richtig gepennt.

Patrick · 22.09.2020

"Polisintendent" ist das Äquivalent zum hiesigen Superintendent,also in diesem Fall durchaus richtig