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Eine wendungsreiche Geschichte über zwei junge Menschen, die unfreiwillig in einen Strudel aus Misstrauen und Gewalt geraten, muss auch die Zuschauer*innen in eine Position gespannter Unsicherheit versetzen. Dangerous Lies gelingt das eher mäßig.

Dangerous Lies (2020)

Eine Filmkritik von Lars Dolkemeyer

Dämliche Gier

Ein junges Paar steht vor einer großen Wahl: Geld nehmen, das niemandem fehlen wird – eine beachtliche Summe – und es heimlich behalten, um die sich türmenden Schuldenberge abzubezahlen; oder das Richtige tun, nichts verschweigen und ehrlich bleiben? Michael Scotts „Dangerous Lies“ arbeitet sich von einem einfachen Setting immer tiefer und tiefer in unvorhergesehene Zwischenfälle und kleine, eskalierende Heimlichkeiten – bis der Film daraus selbst kaum noch auftauchen kann.

Katie (Camila Mendes) und ihr Mann Adam (Jessie T. Usher) versuchen ihr Leben wieder auf die Beine zu stellen, nachdem das kleine Diner brutal überfallen wird, in dem Katie arbeitet. Der Angreifer wird von Adam im letzten Moment außer Gefecht gesetzt, doch der Besitzer des kleinen Restaurants stirbt. – Vier Monate später arbeitet Katie bei einer Agentur für Haushaltshilfen und ist dem herzlich liebenswerten Pensionär Leonard (Elliott Gould) dabei regelrecht eine Freundin geworden. Nur Adam gelingt es nicht, einen Job zu finden, das Studiendarlehen wird fällig, die Rechnung häufen sich, ein Leben in Armut wird für ihn immer weniger erträglich. Als Leonard stirbt, finden Katie und Adam einen Haufen Bargeld auf seinem Dachboden – und entscheiden sich dafür, niemandem von diesem Fund zu erzählen. Da taucht plötzlich ein Testament auf, in dem Leonard, der keine Angehörigen hatte, sein Haus Katie vermacht. Und damit beginnt eine Kette zunehmend bedrohlicher Ereignisse für Katie und ihre Ehe.

Was geschieht, wenn eine unschuldige junge Frau durch unglückliche Gelegenheit, ein bisschen Naivität und die gut gemeinte Hoffnung auf ein besseres Leben in einen Strudel aus Misstrauen und Gewalt gezogen wird? Diese Frage ist filmhistorisch keine neue Entdeckung, zahlreich sind die Figuren, die zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort den falschen Menschen in die Quere oder Fänge geraten und sich aus der Schlinge, die kaum merklich um sie gelegt wird, schon nicht mehr befreien können als sie diese endlich bemerken. Die Kunst dabei ist es allerdings, auch die Zuschauer*innen möglichst lange im Dunkeln zu lassen. Es muss möglich sein, die Zusammenhänge zu erahnen und den Protagonist*innen immer einen kleinen Lichtschein in der Dunkelheit voraus zu sein, und doch die ganze Tragweite der Verstrickung so spät wie möglich, nur einen Moment vor den Figuren zu erkennen.

Zugegeben, es gelingt Dangerous Lies, die Auflösung des geheimnisvollen Netzes an Figuren und Beziehungen bis zum letzten Moment aufzusparen: Was hat es mit dem unangenehmen Immobilien-Makler auf sich, der Katie unbedingt das Haus abschwatzen möchte? Wo kommt das Bargeld her? Wer ist die Anwältin, die plötzlich mit dem Testament vor der Tür steht? Was hat das alles mit dem Überfall auf den Diner Monate vorher zu tun? Und warum tauchen ständig neue Leichen auf? Die Unübersichtlichkeit falscher Fährten entzerrt sich erst in der letzten Sequenz – doch spätestens da zeigen sich auch die klaffenden Löcher in der Dichte, die ein packendes Verwirrspiel, wie Dangerous Lies es gerne wäre, aufweisen müsste.

Falsche Fährten zu legen und gegeneinander auszuspielen, um dem Raten über die Hintergründe immer wieder dann den Boden zu entziehen, wenn dieser gerade sicher scheint, gelingt nur solange, wie die Fährten an sich interessant bleiben und nicht völlig ins Leere laufen. Dangerous Lies verkompliziert jedoch die Ereignisse meist, indem die bedrohliche Situation der beiden Protagonist*innen vor allem durch deren Naivität und unfehlbare Begabung, jederzeit die am wenigsten nachvollziehbare Entscheidung zu treffen, verschärft wird. Katie, zunächst als werktätige Versorgerin ihres unmotivierten, selbstmitleidigen Mannes gezeichnet, gerät dabei zunehmend in die Rolle der überforderten Frau, die ihre Souveränität an die grenzwertig dämlichen Entscheidungen Adams abgibt. Eine Leiche und ein Haufen Diamanten tauchen auf unserem frisch geerbten Grundstück auf, von dem sowieso schon alle denken, das Erbe wäre erschlichen? Kein Problem: Wir verstecken die Diamanten und entsorgen die Leiche heimlich, das geht schon. – Ein unheimlicher Pseudo-Makler belästigt uns, um das Haus zu kaufen? Was soll mit dem schon sein, da sehe ich keinen Grund, mit der Polizei zu sprechen, die gerade in der Erbangelegenheit ermittelt …

Das überbetonte Misstrauen der Figuren gegen den behördlichen Eifer, ihnen einen Mord anzuhängen, hätte für sich genommen eine interessante Erzählung gestalten können. Stattdessen scheint dieser Strang aber nur deshalb so prominent zu sein, weil damit einerseits die Häufung irrationaler Entscheidungen der Figuren halbherzig begründet wird und sich andererseits darüber der Ausgang der Verstrickungen künstlich verkompliziert. Zusammen mit dem schwachen Profil von Katie und Adam, die in einem Dauerzustand verschreckter Überforderung wenig Raum für ausgespielte Persönlichkeiten bekommen, gelingt es der bemühten Konstruktion von Dangerous Lies nicht, eine fesselnde Geschichte zu entwerfen. Das Handeln der Protagonist*innen nachzuvollziehen und die einzelnen Schläge gegen sie mitfühlen zu können, wird von einer narrativen Konstruktion verhindert, deren überraschende Wendungen in ihrem eigenen, künstlichen Verwirrspiel steckenbleiben.

Dangerous Lies (2020)

Als ein reicher, älterer Herr stirbt und sein Vermögen unerwartet seiner neuen Pflegerin vererbt, gerät diese in ein Netz aus Mord und Intrigen. Wenn sie überleben will, muss sie die Motive aller hinterfragen – auch die der Menschen, die sie liebt.

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Meinungen

Julia · 09.05.2020

Naja, bissl Schmarrn das Ganze. Wem es gefällt...