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In „Dalíland“ widmet sich Mary Harron dem rauschhaften Dasein von Salvador Dalí und seiner Frau Gala in den 1970er Jahren.

Dalíland (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Surrealist in der Glam-Rock-Ära

Selbst kunstfernen Menschen dürfte der Name Salvador Dalí ein Begriff sein. Einige Werke des spanischen Malers (1909-1989), etwa die schmelzenden Uhren oder die brennende Giraffe, haben sich ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben; sie hängen als Drucke in WGs von Studierenden und haben so Einzug in die Popkultur gehalten.

Mit Luis Buñuels experimentellen Filmen Ein andalusischer Hund (1929) und Das goldene Zeitalter (1930) sowie der Traumsequenz in Alfred Hitchcocks Psychothriller Ich kämpfe um dich (1945) hat Dalís Stil auch das Kino geprägt. Darüber hinaus wurde Dalí im Biopic Little Ashes (2008) von Robert Pattinson in jungen Jahren verkörpert. Das Ehepaar und kreative Duo John C. Walsh (Drehbuch) und Mary Harron (Regie) konzentriert sich in Dalíland nun auf eine späte Phase im Leben des Künstlers ab der Mitte der 1970er Jahre.

Der Film wählt einen ähnlichen Ansatz wie kürzlich etwa Sisi & Ich (2023): Er zeigt eine ikonische Persönlichkeit und deren Welt aus der Sicht einer fiktiven Figur, die in diesen Kosmos hineingeworfen wird und sich darin zurechtfinden muss. Hier ist es der junge James (Christopher Briney), der sein Kunststudium abgebrochen hat und jetzt als Assistent für den New Yorker Galeristen Christoffe (Alexander Beyer) tätig ist. Auf diesem Wege lernt er Salvador Dalí (Ben Kingsley) und dessen Gattin Gala (Barbara Sukowa) kennen.

Wie üblich überwintert das Paar gerade im St. Regis Hotel. Eine Ausstellung steht an – doch statt zu malen, feiert Dalí lieber pompöse Feste. Als er sich James als Unterstützung von Christoffe „ausborgen“ will, bekommt der junge Mann von seinem Chef den Auftrag, Dalí zum Arbeiten zu bewegen. James erhält Einblick in das Eheleben der Dalís, lernt die Entourage des Malers, darunter dessen neueste Muse Amanda Lear (Andreja Pejić), kennen und verliebt sich in das Party-Girl Ginesta (Suki Waterhouse).

Mary Harron, die mit der Literaturverfilmung American Psycho (2000) ihren bis dato größten Hit hatte und sich zuvor in I Shot Andy Warhol (1996) schon einmal einer Kunst-Ikone zuwandte, war in den wilden Seventies selbst Teil der Punk-Szene in New York City. Dieser persönliche Bezug zur Ära ist Dalíland deutlich anzumerken: In den Sequenzen, in denen sie mit ihrem Kameramann Marcel Zyskind die dekadenten Exzesse einfängt, hat das Werk seine intensivsten Momente. Mit den Worten „Welcome to Dalíland!“ werden James und wir als Zuschauer:innen mit einer Welt konfrontiert, in der Champagner fließt, Hummer und Kaviar serviert werden, die Kleider und der Schmuck funkeln, Koks bereitsteht und mittendrin Dalí zitierbare Bonmots von sich gibt, während Leute wie Alice Cooper (verkörpert von Mark McKenna) ehrfürchtig herumstehen. Die Arbeit der Kostüm-, Haar- und Make-up-Abteilungen ist bemerkenswert.

Oft verlässt sich der Film indes zu sehr auf den Dialog, um Charaktereigenschaften oder Beziehungen zu erklären. Als Figur bleibt James, der von Dalí nur „San Sebastián“ genannt wird, bewusst schwach; er hat hier lediglich eine Funktion zu erfüllen. Das führt allerdings auch dazu, dass Teile der Erzählung – etwa James’ Romanze mit Ginesta – kaum einnehmend sind. Wenn über Erotik geredet wird oder spannende Aussagen über Dalí getroffen werden, dass es zum Beispiel hinsichtlich einer sexuellen Identität kein Wort für das gebe, was Dalí ist, versäumt es die Inszenierung meist, dies visuell zu vermitteln. Auch die kurzen Rückblenden in die Zeit, in der Salvador und die damals noch anderweitig liierte Gala sich erstmals begegneten, und die Einflechtung eines Subplots um den Betrug mit Dalí-Drucken vermögen nicht recht zu überzeugen.

Eindrücklich ist hingegen das hingebungsvolle Spiel von Ben Kingsley und Barbara Sukowa. Wenn der exzentrische, oft äußerst verletzliche Künstler und die zuweilen ziemlich tyrannisch auftretende Gattin, die sich um das Geschäftliche kümmert, miteinander interagieren, kommt es zu ungewöhnlichen Szenen einer Ehe, die in Erinnerung bleiben.

Dalíland (2022)

New York, 1973: Als dem jungen Galeristen James die Tür zu einer der berüchtigten Partys des weltbekannten Malers Salvador Dalí geöffnet wird, betritt er eine exquisite Welt. James soll Dalí bei der Vorbereitung einer grossen Ausstellung assistieren – eine einmalige Chance. Doch je mehr Zeit er mit dem extravaganten Künstler verbringt, desto tiefer taucht er nicht nur in dessen geschäftliche Schwierigkeiten ein. Bald schon merkt James, dass auch die scheinbar unerschütterliche Beziehung Dalís mit seiner nicht minder exzentrischen Gattin Gala kurz vor dem Kollaps steht. (Quelle: Zurich Film Festival)

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