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In „Sisi & Ich“ mit Susanne Wolff und Sandra Hüller wirft Frauke Finsterwalder einen frischen Blick auf Kaiserin Elisabeth – zwischen Sportprogramm und Diäten, Freundschaft, Liebe und Machtspielen.

Sisi & Ich (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Kiffen mit der Kaiserin

Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn (1837-1898) zählt zu den historischen Figuren, die schon sehr oft für die große Leinwand und für den kleineren Bildschirm interpretiert wurden. Von Romy Schneider wurde sie in der verkitschten „Sissi“-Trilogie (1955-1957) und, deutlich differenzierter, in Luchino Viscontis Drama „Ludwig II.“ (1973) verkörpert. In Miniserien-Form widmeten sich 2021 gleich zwei Produktionen den jungen Jahren von Elisabeth. Und in Marie Kreutzers „Corsage“ (2022) spielte Vicky Krieps die Monarchin als Frau, die vehement dagegen ankämpft, eingeengt und von ihrem gesamten Umfeld kritisch beäugt zu werden.

Frauke Finsterwalder nähert sich Elisabeth in Sisi & Ich durch die Begegnung mit einer fiktiven Figur. Die 42-jährige Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller) bewirbt sich als Hofdame der Kaiserin (Susanne Wolff). Ehe sie Sisi auf deren Sommersitz auf Korfu persönlich kennenlernt, muss Irma erst einmal beweisen, dass sie Ausdauer und Durchhaltevermögen hat: Wie schnell kann sie laufen, wie hoch kann sie springen? Von Sisi selbst wird sie dann als Erstes dazu aufgefordert, Klimmzüge zu machen. Obendrein muss sich Irma dem strengen Essensreglement der Kaiserin unterwerfen: Statt Salami und Butter gibt es fortan nur noch Magerkost – denn Sisi will „keine dicken Menschen und keine Männer“ in ihrer Umgebung haben.

Die adlige Kommune in Griechenland, in der sich neben Sisi und Irma nur noch der geduldete Bedienstete Graf von Berzeviczy (Stefan Kurt) und die beiden queeren Zofen Fritzi (Sophie Hutter) und Marie (Maresi Riegner) aufhalten, wird von Finsterwalder und dem Kameramann Thomas W. Kiennast als utopisch anmutender Ort fernab der höfischen Etikette erfasst: Hier gelten nur Sisis Regeln. Wenn der schwule Erzherzog Viktor von Österreich (herrlich: Georg Friedrich) zu Besuch kommt, werden Séancen abgehalten, Tätowierungen in die Haut eingebracht und wilde Theaterstücke aufgeführt. Zu spüren ist dabei stets die Eifersucht unter den Angestellten: Wen lässt Sisi am dichtesten an sich heran, wem schenkt sie ihr Vertrauen?

Kern der Erzählung ist – worauf der Titel schon hinweist – die Beziehung zwischen Sisi und Irma. Das Drehbuch, das Finsterwalder zusammen mit dem Schriftsteller Christian Kracht (Eurotrash) geschrieben hat, zeichnet eine Freundschaft, eine Liebe mit ungleichen Machtverhältnissen, zwischen der Monarchin und ihrer Untergebenen, dem Star und seinem Groupie. Mal darf Irma Sisi ganz nah sein, dann wird sie wieder grausam weggestoßen – erst recht, als Sisi auf Geheiß ihres Gatten Kaiser Franz Joseph (Markus Schleinzer) schließlich wieder nach Wien zurückkehren muss. Es ist ein komplexes Verhältnis, zwischen Ekstase und Enttäuschung – einzigartig gespielt von der charismatischen Susanne Wolff und der wie immer furchtlosen Sandra Hüller.

Ähnlich wie (und doch auf sehr interessante Weise anders als) Sofia Coppolas Marie Antoinette (2006) oder Kreutzers Corsage setzt Sisi & Ich nicht auf historischen Realismus. Die von Tanja Hausner entworfenen Kostüme, die die Kaiserin und deren Entourage tragen, sind von moderner, schlichter Eleganz, ohne Korsett. Wenn Sisi und Irma gestreifte Wollpullover zu langen Röcken tragen, wirken sie wie Stilikonen der späten 1960er Jahre – ein harter Kontrast zu dem unpraktischen rosa Seidenkleid mit Puffärmeln, in dem sich Irma in der Eröffnungssequenz mit ihrer gängelnden, übergriffigen Mutter Maria (Sibylle Canonica) noch zum Bewerbungsgespräch quälen musste. Hinzu kommt die bewusst anachronistische Musik – etwa der wunderbare Song Wandering Star von Portishead.

Sisi & Ich ist oft ungemein komisch – zum Beispiel, wenn die beiden Protagonistinnen in Algier Haschisch erwerben und bei einer Wanderung einen Drogentrip voller Lachanfälle haben. Oder wenn Sisi in England Queen Victoria (Annette Badland) und deren Ernährungsberater und Meditationscoach Dr. Bose (Ravi Aujla) aufsucht und die Queen dabei ganz offen über ihre Menstruationskrämpfe spricht. Schon in ihrem ungewöhnlichen Deutschlandporträt Finsterworld (2013), das sich ausgefallenen Leidenschaften zuwandte, war es der Filmemacherin gelungen, satirischen Witz mit tiefen Abgründen zu kombinieren. Und auch hier hat sie ein Werk geschaffen, das von Abhängigkeit und Selbstbestimmung, von Grenzen und Befreiung erzählt und dabei bitterböse und solidarisch, traurig und erhebend, schwer und leicht auf einmal ist.

Sisi & Ich (2023)

Frauke Finsterwalder wirft in SISI UND ICH ein komplett eigenes Licht auf Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn. Fernab des kitschigen „Sissi“-Klischees porträtiert sie eine Frau, die sich jahrelang ohne ihren Mann, nur von Frauen umgeben, auf Reisen durch ganz Europa wagt, sechs Sprachen beherrscht, Hochleistungssport treibt und mit ihrem freien Geist ganz und gar nicht in das enge Korsett des Wiener Hofes passt. Sisis berührende Geschichte ist ein feministischer Film voller bissiger Dialoge. Ein packendes Drama mit Elementen der tiefschwarzen Komödie. (Quelle: DCM)

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