Brinkmanns Zorn

Eine Filmkritik von Jean Lüdeke

Der Dichter als Punk und Außenseiter

„Das Zusammenspiel von Original-Stimme und präziser schauspielerischer Darstellung geht weit über das hinaus, was man als literarisches Filmporträt kennt“, frohlockte enthusiastisch programmkino.de: Über den Dichter Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975) handelt der berührende Spielfilm Brinkmanns Zorn. Das Film-Essay fußt auf dem medialen Nachlass des 1975 bei einem Verkehrsunfall in London gestorbenen Dichters.
Der Kölner Autor Rolf-Dieter Brinkmann machte die amerikanische Beat-Literatur in Deutschland bekannt und wurde selbst zu einem der wichtigsten deutschen Avantgarde-Lyriker. Tonbänder, Super-8-Filme, Fotos und Collagen, stellte seine Witwe Maleen Brinkmann für den Film zur Verfügung gestellt hat. Der semidokumentarische Film fokussiert die 1973 in Köln aufgenommenen Original-Tonbänder des ungewöhnlichen Dichters.

„Eine der größten Beschimpfungen der Gegenwart, die je geschrieben wurden“, sinniert Regisseur Harald Bergmann. Ihn interessiert vor allem das späte Werk, in dem Brinkmann noch mal neu ansetzt, umkehrt, weitermacht. Der Berliner Filmemacher, der es zuletzt wagte, gar Friedrich Hölderlin in einer beeindruckenden Trilogie ins Kino zu transponieren, setzt mit Brinkmanns Zorn bei der Zäsur in Leben und Werk ein. 1970 zieht Brinkmann sich völlig aus dem Literaturbetrieb zurück. Wie so viele sieht er die politische Bewegung sich verspießern, Pop zum Konsum verdünnen. Für seine Schreiberei bleibt künstlerisch und ökonomisch keine Perspektive.

Aus Revision und Inventur erwächst nun das Programm namens „Einübung in eine neue Sensibilität“, eine wichtige Nachlassveröffentlichung trägt den Titel „Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand“. War Brinkmann immer schon an die Grenzen der Sprache gerannt, so verdächtigt er sie nun zunehmend und beginnt, was er für sich selbst als „Feldforschung“ bezeichnet. In den folgenden Jahren sammelt und produziert er wie ein wahnsinniger Unmengen Material: Neben den veröffentlichten Collagen und Texten viele Rollen Super-8 Film, Tausende Bilder und zwölf Stunden Tonbandaufnahmen.

Die letzten Jahre dieses wilden und extremen Dichterlebens bis zu seinem frühen Tod bannt Harald Bergmann zu einem aufwühlenden, nahezu experimentellen Spielfilm. Er lässt seinen Protagonisten Eckhard Rhode synchron zu den alten Originalton-Aufnahmen Brinkmanns agieren und findet mit seiner Kamerafrau Elfi Mikesch an den Originalschauplätzen in Köln, Rom, London und Cambridge eindringliche Bilder für die Mitteilungswut. Da verflucht Brinkmann den miesen gelben schmutzigen Himmel über Köln und schreit ins Mikrophon. Ist die Welt aus den Fugen? Er muss ihr neue Töne entreißen, damit sie wieder verstanden werden kann. So trotzt er der Alltagswelt Geräusche ab, drischt auf Mülleimer, schreit, flüstert, dichtet. Und manchmal ist er ganz außer sich vor Zorn…

Brinkmanns Zorn

„Das Zusammenspiel von Original-Stimme und präziser schauspielerischer Darstellung geht weit über das hinaus, was man als literarisches Filmporträt kennt“.
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Meinungen

elmar · 07.05.2007

die beste literaturverfilmung, die es je gab, grossartig

· 16.01.2007

Ein großartiges Portait eines der bedeutensten deutschen Lyriker und Neuzeit. Ergreifend und faszinierend.

Klaus · 13.01.2007

Dieser Film gibt uns einen der wichtigsten deutschen Dichter oder Literaten zurück.
Eine Auferstehung.
Sensationell.
Und nebenbei eine großartige technische und schauspielerische Leistung Originaltöne mit einem Film zu synchonisieren.
Die Szene wo Brinkmann mit seinem Sohn Neubauten mäßig Musik macht ist grandios.

· 05.01.2007

Ein großartiger Film, der den Dichter Brinkmann und seine Welt dem Zuschauer wirklich näher bringt. Unheimlich intensiv gespielt von Eckhard Rohde.