Der Schmetterlingsjäger

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Im Netz der Deuter

Gestalten in Büchern haben eben auch ihre Sensibilität, insbesondere, wenn sie noch Kinder sind. Es verwundert deshalb nicht, dass die Jugendlichen aus Vladimir Nabokovs Memoiren-Band Sprich, Erinnerung sich hastig hinter alten Möbeln verbergen, als auf ihrem Dachboden-Spielplatz unvermutet der Philosoph und Literaturwissenschaftler Heinz Wismann und der Regisseur Klaus Wyborny zur Nabokov-Spurensuche auftauchen. So spielerisch und zugänglich hätte man sich Der Schmetterlingsjäger, Harald Bergmanns collagenhafte Meditation über den geheimnisvollen Großschriftsteller Vladimir Nabokov, über die ganze Länge von zweieinviertel Stunden gewünscht.
Dabei ist schon in Rechnung gestellt, dass ein einziger Film wohl kaum auch nur annähernd die Komplexität des Lebens und Werks von Nabokov einfangen kann. Ende des vorletzten Jahrhunderts in Russland geboren, erlebte Valdimir Vladimirovich Nabokov nach der Oktoberrevolution 1917 die Vertreibung und Verarmung seiner einst reichen und politisch bedeutenden Familie. Nach Exilstationen in Osteuropa, Berlin und Frankreich emigrierte Nabokov mit seiner Familie und seiner Frau Véra 1940 in die USA, wo er Russisch und später kreatives Schreiben unterrichtete, Schmetterlingsforscher wurde, sich als Tennislehrer etwas dazu verdiente und auf Englisch zu schreiben begann. Der Literaturskandal Lolita (1955), zweimal verfilmt, entstand der Legende nach auf Anregung Véras, die ihren Mann aufforderte, eine Kurzgeschichte zum Roman umzuarbeiten: „Dann werden wir reich.“ So war´s, und die Nabokovs residierten fortan in einem feinen Hotel im Schweizerischen Montreux, wo der Autor 1977 verstarb.

Von diesen Basisinformationen gibt Der Schmetterlingsjäger keine einzige. Der Film wendet sich ausschließlich an Eingeweihte. Die weltberühmte Lolita zu kennen, nützt nichts, denn von den Romanen steht eigentlich nur das große Spätwerk Ada oder das Verlangen im Mittelpunkt, und daraus wiederum die breit angelegte Reflexion über die Zeit. Nicht ohne Grund findet sie sich am Ende des phantastischen Geschwisterliebe-Freskos; man kann sie verstehen, wenn man die vorangehenden 400 Seiten gelesen hat. Der Schmetterlingsjäger zeigt aber nur, wie Ronald Steckel als Romanprotagonist Van Veen im schicken Jaguar Haarnadelkurven in den Schweizer Bergen nimmt, während aus dem Off Textbruchstücke gelesen werden. Das ist zu wenig an Einordnung und Zuschauerführung.

Auch die synästhetische, Worte und Bilder verbindende Sprachmacht gelangt kaum in den Film. Nabokov zappelt im Netz der Deuter, die keine große Begeisterung für die aufregende ästhetische Musterung des literarischen Ausnahmefalters zu erzeugen wissen. Wismanns und Wybornys Gespräche über den Autor gehen daran jedenfalls vorbei. Man darf sich an den ironischeren Teil ihrer Auftritte und die schönen Menschen in den Spielszenen halten, um auch als Nabokov-Novize etwas von dem sinnlich-intellektuellen Vergnügen am Werk dieses Pioniers der literarischen Postmoderne zu ahnen.

Der Schmetterlingsjäger

Gestalten in Büchern haben eben auch ihre Sensibilität, insbesondere, wenn sie noch Kinder sind. Es verwundert deshalb nicht, dass die Jugendlichen aus Vladimir Nabokovs Memoiren-Band Sprich, Erinnerung sich hastig hinter alten Möbeln verbergen, als auf ihrem Dachboden-Spielplatz unvermutet der Philosoph und Literaturwissenschaftler Heinz Wismann und der Regisseur Klaus Wyborny zur Nabokov-Spurensuche auftauchen.
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