Die Frau des Polizisten

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Erstarrung als Prinzip

Auf den ersten Blick wirken sie wie eine ganz normale deutsche Familie irgendwo in der namenlosen Provinz: Der Vater Uwe (David Zimmerschied), so erfährt man bald, arbeitet als Polizist, seine Frau Christine (Alexandra Finder) kümmert sich vor allem um die gemeinsame vierjährige Tochter Clara (Pia und Chiara Kleemann). Dann aber bricht sich ganz leise die Gewalt ihre Bahn in das scheinbare Idyll. Uwe scheint unter dem Druck des Berufs, unter dem Schichtdienst und möglicherweise auch unter anderen Faktoren zu leiden – und diesen Druck lässt er an seiner Frau aus. Immer häufiger lässt er seine undefinierbare, aus dem Nichts kommende Wut an Christine aus, die die Schläge scheinbar regungslos hinnimmt und trotz einer Spirale der Eskalation vor allem darum bemüht ist, Clara ein „normales“ Leben zu ermöglichen und sie vor der Gewalt des Vaters zu bewahren.
Eingeteilt hat Philip Gröning seinen knapp dreistündigen Film in 59 Kapitel, deren Beginn und Ende jeweils von einer Texttafel angezeigt wird. Wobei die Benennung Kapitel ein wenig auf die falsche Spur führt, denn viel eher sind es kurze Szenen, Fragmente, Bruchstücke, die scheinbar ohne jede Chronologie und innere Logik bedrückende Impressionen eines Familienalltags nachzeichnen. Überwiegend im dunklen Haus der Familien angesiedelt (fast nie sieht man Christine einmal außerhalb des Hauses), stellt sich schnell ein lähmendes Gefühl der Verlorenheit, Bedrückung und Hilflosigkeit ein, das den mentalen Zustand, die Atmosphäre in dem Heim und die Seelenlosigkeit und Verrohung einer einstmals inniglichen Beziehung auf den Zuschauer überträgt. Durchbrochen wird dieser Teppich an überwiegend dunkel gezeichneten Sequenzen von gelegentlich irritierenden Einschüben wie einigen Gesangseinlagen der einzelnen Familienmitglieder und dem wiederholten Auftauchen eines alten Mannes, dessen Beziehung zu Uwe, Christine und Clara im Unklaren bleibt.

Entfernt erinnert Die Frau des Polizisten an Michael Hanekes 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls, wobei bei genauerer Betrachtung die Binnenstruktur der beiden Filme mehr trennt als verbindet. Während Hanekes Splitter und Einzelszenen sich aufeinander beziehen und vor allem dem Zweck dienen, auf einen klar gesetzten Höhepunkt zuzustreben, bleibt die Verbindung zwischen den Kapiteln bei Philip Grönings ohne festem Drehbuch entstandenen Film unklarer, rätselhafter, assoziativer. Man fühlt sich vielmehr an einen Flickenteppich erinnert, an ein verästeltes Bild voller kleiner Details und auf den ersten Blick wenig aufschlussreicher Muster, die erst bei zunehmender Entfernung ein Gesamtbild ergeben.

Es ist wohl kein Zufall, dass der Filmemacher mehrmals eine Vogelperspektive einnimmt und so eine Draufschau auf seine bedrückende Szenerie offeriert. Vielmehr findet man in dieser Bewegung der Kamera und in ihrem Blick von oben fast schon eine Sehanleitung für den gesamten Film, dessen Widersprüchlichkeit und Ambivalenz einiges vom Zuschauer abverlangt. Denn einerseits zwingen die Szenen zum genauen Registrieren der Details und all der kleinen Zeichen, die das vorwiegend Unaussprechbare, Unzeigbare, Unsagbare in Bilder bannen. Andererseits aber fordert der Film gleichsam in einer Gegenbewegung immer wieder dazu heraus, den Blick freizugeben und sich zu distanzieren, um so die einzelnen Teile miteinander korrespondieren und kommunizieren zu lassen.

Die Frau des Polizisten fordert viel vom Zuschauer, vor allem Geduld und in gewisser Weise (Mit)Leidensfähigkeit – und diese Herausforderung wird sicher manche überfordern. Ein sperriges, mitunter bis an die Grenze des Ertragbaren zerdehntes Panoptikum der Enge, Gewalt und Erstarrung, das zu eigenen Assoziationen, Erklärungsversuchen und Interpretationen nötigt, zum genauen Hinschauen und Hineinspüren, zum Entdecken der Worte zwischen den Zeilen und den Bildern zwischen den Schwarzblenden. Denn hinter der scheinbaren Monotonie und den endlosen (in Wahrheit aber stets leicht variierten) Wiederholungen lauert das ganze Grauen des Lebens und der Zerstörung, der Brutalität und der hoffnungslosen Versuche, einen kleinen Rest an Würde und Liebe aufrecht zu erhalten.

Die Frau des Polizisten

Auf den ersten Blick wirken sie wie eine ganz normale deutsche Familie irgendwo in der namenlosen Provinz: Der Vater Uwe (David Zimmerschied), so erfährt man bald, arbeitet als Polizist, seine Frau Christine (Alexandra Finder) kümmert sich vor allem um die gemeinsame vierjährige Tochter Clara (Pia und Chiara Kleemann). Dann aber bricht sich ganz leise die Gewalt ihre Bahn in das scheinbare Idyll.
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