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Von der Müllkippe in Accra ins ferne Europa nach Mannheim: Für den Ghanaer Kojo wird ein Traum wahr, als sich für ihn die Gelegenheit bietet. Dann muss er aber erkennen, dass das Leben eines Borga, der im Ausland zu Reichtum gekommen ist, nur ein Trugbild ist.

Borga (2021)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zwischen Schein und Sein

Die Vorstellung, dass im fernen Europa der große Reichtum lockt, und die Realität, die dann ganz anders aussieht, ist etwas, von dem man immer wieder liest und bisweilen auch in Filmen zumindest eine Ahnung bekommt. In seinem Spielfilmdebüt Borga“ widmet sich York-Fabian Raabe dem Thema auf ganz neue Weise und folgt den Spuren zweier Brüder, die ganz unterschiedliche Wege einschlagen. Während der eine in Ghana bleibt, wird der andere ein Borga – so nämlich heißen die Menschen, die aus Ghana weggehen und es in der Ferne zu Reichtum bringen. So zumindest behaupten sie, denn die Realität sieht ganz anders aus.

Kojo (Eugene Boateng) und Kofi (Jude Arnold Kurankyi) wachsen beide im Umfeld der Elektroschrottdeponie Agbogbloshie in Ghanas Hauptstadt Accra auf und verdingen sich als Gehilfen ihres Vaters (Adjetey Anang), für den sie mittels Feuer wertvolle Materialien aus dem westlichen Wohlstandsmüll buchstäblich herausbrennen. Eigentlich ist ihr Weg vorgezeichnet, doch dann lernt Kojo den Borga (Elikem Kumordzie) kennen, der die meiste Zeit über in Deutschland lebt – und diese Begegnung weckt ihn im Sehnsüchte, nach einem anderen, einem besseren Leben. Zehn Jahre später bietet sich ihm die Chance, diesen Traum in die Wirklichkeit umzusetzen. Doch in Deutschland folgt das bittere Erwachen. Zugleich aber geht er seinen Weg weiter – auch wenn dies bedeutet, dass er dafür aller Welt und vor allem seiner Familie etwas vorspielen muss. Und schließlich ist da noch Lina (Christiane Paul), die er in Mannheim kennenlernt. Und auch ihr gegenüber hält er an seiner Rolle fest, bis schließlich die Kulisse in sich zusammenbricht …

Man merkt dem Film an, dass York-Fabian Raabe sich erstaunlich gut in dem ghanaischen Setting auskennt, in dem Borga über weite Strecken spielt. Das liegt unter anderem daran, dass Raabe vor diesem Film, seinem Langfilmdebüt, bereits zweimal filmisch in dem westafrikanischen Land unterwegs war. 2013 drehte er seinen Kurzfilm Zwischen Himmel und Erde, 2015 folgte Sodoms Kinder, einen dokumetarische Arbeit, die zwei Kinder begleitet, die nahe der Elekrtoschrottdeponie Agbogbloshie leben – jenem Ort also, der auch in Borga eine wichtige Rolle spielt. Raabe selbst bezeichnet Sodoms Kinder als wichtige Inspiration für sein Spielfilmdebüt und vieles weist darauf hin, dass bei aller dramaturgischer Verdichtung und Verknappung und dem deutlich sichtbaren Wunsch nach großen und überwältigenden Bildern auch das selbst Gesehene und Erfahrene ein wichtiger Ansporn war. Und so kann man die Authentizität vor allem in den Szenen in Ghana förmlich mit den Händen greifen.

Dass entgegen der ursprünglichen Erwartungen (vor allem an einen deutschen Debütfilm) der Großteil des Films in Ghana angesiedelt ist – allein das ist schon vermutlich eine logistischen Leistung, die man nicht hoch genug einschätzen kann – sorgt zusätzlich dafür, dass Borga auf eine Weise einnimmt, fasziniert und den Blick weitet, wie man dies bisher selten im jungen deutschen Kino sah.

Borga (2021)

Borga sind Ghanaer, die es im Ausland zu Wohlstand gebracht haben. Zumindest behaupten sie das. Auch Kojo, der mit seinem Bruder auf einer Elektroschrott-Müllhalde aufwächst, möchte eines Tages ein Borga werden. Zehn Jahre später bricht er nach Deutschland auf – doch dort hat niemand auf ihn gewartet. Um als gemachter Mann wieder in seine Heimat zurückkehren zu können, muss er Entscheidungen treffen, die nicht immer die richtigen sind.

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Meinungen

Erich · 16.11.2022

Seltsame Verherrlichung eines Drogenschmugglers. Meines Wissens erhalten Drogen-Mulis für einen gelungenen Schmuggel ca. 2000 bis 3000 US-Dollar, also nicht mehr als ein Beamtengehalt, aber Kojo schwimmt schon bei der Ankunft in Ghana und selbst auch noch nach seinem Ausstieg aus dem Drogengeschäft und dem windigen Handel mit kaputten Elektrogeräten förmlich in Geld. Drogen-Mulis leben in der Regel nicht lang, sterben oft an einem aufgeplatzten Koks-Paket, bestenfalls landen sie im Knast. Aber Kojo kann mit dem anscheinend unendlichen kriminellen Zaster für seine tachinierende Familie Häuser bauen, was die Kommentatoren hier anscheinend zu Tränen rührt...

Sandi · 24.09.2022

Ich habe den Film auf Netflix gesehen und muss sagen, dass er der Realität sehr nahe kommt und den wohl sehr viele geflüchtete Menschen in der Realität so erleben. Denn viele hier lebenden in der Heimat erzählen nicht die Wahrheit, sondern geben vor der große Macher geworden zu sein. Der Film zeigt schön, welchen Traum junge Menschen nachjagen und wie hart das erleben der Wahrheit am Ende ist. Einige schaffen es, aber dazu gehört mit, Willensstärke, Anpassungsfähigkeit und auch etwas Glück.
Ich finde den Film toll gemacht und toll gespielt. Absolut sehenswert!!

Very · 15.09.2022

Hallo, habe eben den Film zufällig im TV gesehen und bin total beeindruckt. So mutig und direkt die Realität von solchen Schicksalen zu sehen, dabei gleichzeitig eine Hochachtung vor der Stärke und den harten Auseinandersetzungen wegen des Traums vom besseren Leben zu erleben.
Und die Lebensweisheit, am Ende der Familienzusammenhalt, der alle wieder zusammenführt. Aber OHNE Kitsch Und absolut überzeugend gespielt. Ganz große Klasse.

Ralf · 12.11.2021

Ein sehr guter Film, den man gar nicht genug empfehlen kann. Denn alle Leute, die meinen, dort würden eh nur Klischees gezeigt und man muss deshalb das alles gar nicht weiter ernst nehmen, könnten hier sehr gut filmisch umgesetzt sehen, dass die Realität die Klischees oft noch übertrifft und dass einfache Wahrheiten gar nicht weiter helfen, sondern hier einmal ganz konkret und mühsam die angestrebte Weltverbesserung in Angriff genommen werden könnte.

Susanne · 09.11.2021

Dieser Film bedient alle Klischees, die Leute am politischen rechten Rand über Afrika und Afrikaner haben. Hat er irgendein Klischee ausgelassen?

Til · 11.11.2021

Du hast den Film nicht gesehen, oder? Du kommentierst nur die Inhaltszusammenfassung? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen dass jemand der den Film gesehen DAS mitnimmt.

Muna · 23.11.2021

Ich habe gestern den Film gesehen und bin immer noch enttäuscht. Es wurden Klischees und Stereotypen bedient. Der Protagonist war auf das "schnelle Geld aus", wurde deshalb kriminell und eine ältere weiße Frau hat in "gerettet". Für mich als schwarze Person war es unfassbar schmerzhaft diesen Film anzuschauen. Naja, ein Lichtblick war die Rolle der Mama.

Kendel · 06.08.2022

Es ist wirklich bedauerlich, dass Sie den Film nicht verstanden haben. Denn nicht nur, dass Kojo gleich zu Anfang bei seiner Ankunft in Mannheim sagt "Ich möchte nur eine Chance.", er bekommt diese auch nicht. Dabei ist ein weißer Sanitäter noch rassistisch zu ihm und will ihn vertreiben. Weshalb es nicht die Gier sondern Verzweiflung ist, die ihn in die Kriminalität zwingt.
Ich finde es so unendlich schade, dass so viele Menschen eine vielschichtige Problematik und komplexe Kritik an die Gesellschaft nicht erkennen, weil sie sich nicht ausreichend als Opfer wiedererkennen.

Ilse · 25.09.2022

Ich teile die Enttäuschung. Es mag solcheLebenswegee geben. Aber die Lebensrealität so vieler sieht sehr anders aus. Und der Schluss ist auch sehr platt. Wovon wird die Familie weiterhin leben?

Ilse · 25.09.2022

Ich vermute, Susanne weiß genau wovon sie spricht. Ich war sehr gespannt auf den Film und fand die Idee sehr gut. Aber ich habe sehr wenig von der Lebensrealität von Westafrikanern in Deutschland gefunden. Und ich kenne sehr viele, die hier seit Jahrzehnten leben. Echt schade. Und ja, es werden reihenweise Klischees bedient.

Diana · 11.10.2021

Heute in der Sneak Preview gesehen. Sehr genial gemacht und gespielt. Absolute Empfehlung!

Ingrid Langer · 21.07.2021

In welchem Kino in München kann man den Film sehen ??