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Das Regieduo hinter „Ziemlich beste Freunde“ widmet sich in seinem neuesten Film der Klimabewegung und Konsumkritik – und verhebt sich dabei mit seinem luftig-komödiantischen Ansatz deutlich.

Black Friday for Future (2023)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Die mutlose Mitte

Man möchte meinen, es gebe ein Muster im Schaffen von Olivier Nakache und Èric Toledano: Eine Freundschaft zweier ungleicher, aber gerade deshalb so gut harmonierender Hauptfiguren, die Kreuzung von luftiger Komödie und leicht verdaulichem Drama, ein sozialrealistischer Überzug, der sich in Wohlgefallen auflöst – all das findet sich sowohl in ihrem großen Hit „Ziemlich beste Freunde“ als auch in „Heute bin ich Samba“, „Das Leben ist ein Fest“ und „Alles außer gewöhnlich“. Und nun auch in „Black Friday for Future“, mit dem sich das Regie- und Autorenduo aber deutlich verhebt.

Dabei geht’s durchaus clever und witzig los: In einer Montage kommen ganz zu Beginn zahlreiche französische Ex-Präsidenten seit den 70ern zu Wort, und sie alle eint in ihren Neujahrsansprachen die Floskel, dass das vergangene Jahr ein schwieriges gewesen sei. Wie ein selbstbestätigendes Mantra wirkt das, mit dem sich einerseits der Originaltitel Une année difficile erklärt, andererseits gleich mal ein Statement gesetzt wird: Offenkundig gibt es ein grundlegendes systemisches Problem in diesem Land, das für manche Menschen jedes einzelne Jahr zu einem schwierigen macht.

Albert (Pio Marmaï) ist einer von ihnen. Auf den ersten Blick sieht man es ihm nicht an, doch der Flughafenangestellte ist wohnungslos und hoch verschuldet, bei der Bank, bei Freunden, Familie und Kollegen. Mit kleineren Gaunereien und Tricks hält er sich über Wasser, etwa dem, beim „Black Friday“ einen günstigen Fernseher abzustauben, den er schon zuvor bei Ebay zum Weiterverkauf angeboten hat. Angekommen beim Käufer folgt jedoch die große Ernüchterung: Dessen Haus steht kurz vor der Pfändung, Bruno (Jonathan Cohen) ist genauso hoch verschuldet und ein ziemliches Wrack.

Über Bruno lernt Albert den Leiter eines Kurses kennen (Mathieu Amalric), der Menschen dabei hilft, aus der Schuldenfalle zu entkommen, indem er unter anderem einen Schuldenerlass bei der Banque de France in Aussicht stellt. Außerdem besuchen Albert und Bruno, weil es da neben systemkritischen Reden auch kostenloses Essen und Bier gibt, das Treffen einer Gruppe Klimaaktivist:innen und amüsieren sich über deren ziemlich alberne Spitznamen. Doch weil sich Albert in Cactus (Noémie Merlant) verguckt und gemeinsam mit Bruno Profit durch den Weiterverkauf von Sachspenden wittert, schließen sie sich der Gruppe an.

Nach der großen Lücke zwischen Arbeiterklasse und Elite (Ziemlich beste Freunde), Migration (Heute bin ich Samba) und Sozialarbeit (Alles außer gewöhnlich) haben sich Nakache und Toledano mit dem Klimaaktivismus nun also ein Thema herausgepickt, das schon seit längerem unheimlich polarisiert. Aus dem großen Pool der Möglichkeiten, dieses Thema zu bearbeiten, schöpfen sie jedoch zu wenig und machen es sich ausgerechnet in der mutlosen Mitte gemütlich.

Denn Black Friday for Future inszeniert einerseits die Demonstrationen, Blockaden und Farbaktionen der Gruppe, an denen sich im Folgenden auch Albert und Bruno beteiligen, mit schwungvoller Poprock-Musik und schnellem Schnitt als mitreißende Empowerment-Momente, macht sich aber andererseits immer wieder über den minimalistischen Hippie-Lebensstil (Gruppenumarmungen – haha!) und die phrasenhaften Reden der Aktivist:innen lustig. Was eine ebenso wohlfeile wie gefällige Mischung ergibt, denn so wird zum einen die berechtigte Motivation hinter den Protesten wenn nicht untergraben, so doch zumindest banalisiert. Anderseits spart man sich auch jede (auch das wäre ja berechtigt) Kritik an den extremeren Protestformen.

Überhaupt ist das Skript von Black Friday for Future reichlich unausgegoren. Jegliche Konsum- und Gesellschaftskritik wird lediglich verbalisiert, bleibt also eine theoretische und damit behauptete. Dass Albert und Bruno im fast sechsstelligen Bereich verschuldet sind, der eine fast, der andere bereits wohnungslos ist, scheint ihnen zudem keine größeren Probleme zu bereiten, und wenn doch, bekommt man diese nicht zu sehen. Dass der Leiter des Schuldenkurses heimlich glücksspielsüchtig ist und immer wieder in Verkleidung versucht, sich ins Casino zu schleichen, gibt zwar einen netten Gag her, spielt sonst aber überhaupt keine Rolle. Und besonders weh tut, wie sichtlich angeekelt Bruno immer wieder auf die Anmach-Versuche einer Aktivistin (Sandrine Briard) reagiert, die nicht dem Vogue-Cover-Schönheitsideal entspricht. Ein Running Gag, der (wie so vieles an diesem Film) unangenehm oberflächlich ist und die bisherige Stärke des Regieduos vermissen lässt: Empathie für die Figuren.

Black Friday for Future ist dennoch keine Katastrophe. Insbesondere die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren bekommen Nakache und Toledano wieder super hin, das Tempo stimmt, und auch viele der Gags können zumindest für ein Schmunzeln sorgen. Insbesondere der finale Charakterwandel-Moment, in dem dann mal überraschend deutlich Position bezogen wird, ist zwar simpel, aber durchaus ein Treffer – die Erkenntnis nämlich, dass aller zur Schau gestellte Protest nichts nützt, wenn man sich selbst und sein Verhalten nicht radikal ändert. Etwas, das sich das Regieduo angesichts seines eingefahrenen Musters allerdings selbst gern zu Herzen nehmen darf.

Black Friday for Future (2023)

Albert und Bruno sind echte Konsumjunkies, stecken bis zum Hals in Schulden und halten sich mühsam mit kleinen Gaunereien über Wasser. Eines Tages treffen sie auf dem Weg zur Schuldnerberatung eine Gruppe junger Aktivist*innen, die sich für soziale Gerechtigkeit und ökologisches Verantwortungsbewusstsein einsetzen. Anfangs mehr von den kostenlosen Getränken und Knabbereien angezogen, schließen sie sich im Laufe der Zeit der Gruppe an — allerdings weniger aus innerer Überzeugung, sondern vielmehr auf die eine oder andere Art und Weise von den Aktionen zu profitieren und ihr eigenes Ding durchzuziehen.

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